# taz.de -- Ex-Schauspieler Weber über Bundeswehr: „95 Prozent waren hanebü… | |
> Die Schauspielerei hat Ex-„Tatort“-Ermittler Gregor Weber aufgegeben. | |
> Gerade schreibt er wieder ein Buch – über seine Zeit als Soldat in | |
> Afghanistan. | |
Bild: „Es fehlt mir nichts“: Gregor Weber als „Tatort“-Kommissar Stefan… | |
taz: Herr Weber, Sie waren dreieinhalb Monate als Soldat in Afghanistan. | |
Warum? | |
Gregor Weber: Ich wollte testen, wie ich den Einsatz vor Ort wahrnehme. Ob | |
ich das Gefühl habe: Ja, ich mache das für mein Land, es macht Sinn. Oder | |
ob ich finde, das ist eine Totalkatastrophe. | |
Und? | |
Ich glaube, das Land kommt da ohne fremde Hilfe nicht raus. Ich hatte sehr | |
viel positives Feedback von Afghanen, von Polizisten und Soldaten: Die | |
sehen uns als Menschen, die das für Afghanistan machen. Das war sehr | |
berührend. | |
Die meisten kennen Sie als „Tatort“-Kommissar, jetzt sind Sie Buchautor. | |
Wie kommt man da nach Kundus? | |
Schon als ich meinen Kriminalroman über Soldaten im Auslandseinsatz | |
geschrieben hatte, war klar: Ich bin mit dem Thema noch nicht durch. Ich | |
hatte mich damals für die Recherche als Reservist reaktivieren lassen. Vor | |
einem Jahr meldete ein Verlag Interesse an einem Buch aus meiner | |
Perspektive an, und die Bundeswehr war bereit, mich in den Einsatz zu | |
schicken. | |
Als TV-Kommissar ermittelten Sie unter Afghanistan-Heimkehrern, Ihr Krimi | |
spielt im gleichen Milieu. Wieso interessiert Sie die Bundeswehr so? | |
Während des Balkankriegs war ich auf der Schauspielschule und ich wusste: | |
Wenn wir da wirklich eingreifen, wäre das ein Grund für mich, mich für den | |
Einsatz zu melden. Ich fand, dass wir als europäische Nachbarn das Töten | |
unterbinden müssen. Wir haben einen Grundkonflikt: Auf die Frage „Wofür | |
haben wir eigentlich eine Armee?“ gibt es keine deutliche Antwort. Aber ich | |
finde, eine Regierung kann nicht ernsthaft behaupten, sie schicke die | |
Bundeswehr irgendwohin, und so tun, als sei es das THW. Wenn eine Regierung | |
Soldaten schickt, muss sie auch klar sagen, dass da eben noch kein THW | |
hinkann. | |
Sie waren in der Pressestelle. Wieso ausgerechnet dort? | |
Die Arbeit war meinem Zivilberuf als Autor am ähnlichsten. Zudem hatte ich | |
ja 20 Jahre mit Journalisten zu tun und konnte den Kameraden Tipps geben, | |
was rechtliche Konsequenzen angeht oder was hilft, wenn sie nervös sind vor | |
einem Interview. | |
Dann wollte die Bild-Zeitung Sie interviewen. Was hatten Sie für diesen | |
Fall geplant? | |
Ich hatte mir vorgenommen, dass das nicht passiert. Mitarbeiter einer | |
Pressestelle sollten nicht selbst Thema der Berichterstattung sein, finde | |
ich. Für die politischen Journalisten vor Ort war ich eh uninteressant. | |
Aber dann war der Komiker Matze Knop da und mit ihm andere Journalisten – | |
da tauchte die Frage nach mir auf. Ich habe mit meinem Presseoffizier | |
gesprochen, der sagte: Es ist deine Entscheidung, aber ich würde mich | |
freuen, wenn du es machst. Und ich dachte: Ich laufe den ganzen Tag rum und | |
versuche Soldaten zu überreden, mit der Presse zu reden und ich drücke | |
mich, das geht auch nicht. | |
Im Bild-Artikel stand, Sie seien ein „Fernsehstar“. Fühlen Sie sich damit | |
gemeint? | |
Nein, ich bin Autor. Mein letzter „Tatort“ lief vor anderthalb Jahren. Dass | |
ich mit dem Schauspielen aufhöre, war eine längere Entwicklung, ich habe ja | |
zuletzt nur einmal im Jahr den „Tatort“ gedreht und mich um keine anderen | |
Rollen bemüht. | |
Wieso kann man den Status „Schauspieler“ so schwer abschütteln? | |
Das hat sicher mit dem Sicherheitsdenken der Deutschen zu tun. Als sei | |
Schauspieler eine stringente Karriere, an der man klebt! Etwas, dem ein | |
besonderer Glanz innewohnt! Das geht vielleicht Kollegen so, bei mir hat | |
sich das Gefühl nie eingestellt. Du machst hier als Schauspieler in der | |
Regel nicht die Filme, die dich interessieren, sondern die, die du | |
angeboten bekommst. 95 Prozent meines schauspielerischen Schaffens sind | |
hanebüchen. Von den 14 „Tatort“-Folgen, die ich gedreht habe, kann man | |
mindestens zehn in die Tonne kloppen, zwei sind ganz interessant und einer | |
oder zwei sind gut. | |
Ist es Teil des Systems, dass man nicht sieht, wie viele Schauspieler | |
arbeitslos sind? | |
Es gibt viele aus dem Mittel- und Unterbau, bei denen man denkt: Das ist | |
doch ein total bekanntes Gesicht! Aber sie müssen sich irrsinnig | |
ranschmeißen, um dranzubleiben. Sie haben 15, 20 Drehtage im Jahr – ohne | |
Gagen wie in den USA, wo man trotzdem ein gutes Leben führen kann. Ich | |
wollte mich nicht mehr davon abhängig machen. Man ist nicht Herr seines | |
Berufslebens, sondern wird wie eine Schachfigur herumgeschoben. Das ist mit | |
sehr viel Leiden verbunden und geht total ans Selbstwertgefühl. | |
Wie viel haben Sie verdient? | |
Ich habe für einen Saar-„Tatort“ 40.000 Euro bekommen, das empfinde ich als | |
sehr viel Geld. Direkt nach meiner Rückkehr aus Afghanistan stand ich | |
ausnahmsweise noch mal vor der Kamera, als Gatte des Mordopfers bei einem | |
Münchner „Tatort“ – ich bin mit dem Regisseur Jochen-Alexander Freydank | |
befreundet. Und für diese zwei Tage habe ich fast so viel bekommen wie für | |
einen Monat in Afghanistan. | |
Waren Sie eingerostet? | |
Es war seltsam, wieder zu spielen. Meine Routine war etwas eingeschlafen. | |
Aber ich habe gemerkt: Es fehlt mir nicht. Nicht das Drehen, nicht das | |
Spielen, nichts. | |
Wie fanden es eigentlich Ihre Kameraden, dass da so ein Schauspiel-Fuzzi | |
kommt und Soldat spielt? | |
Die meisten kannten mich nicht, viele sind sehr jung, keine typischen | |
„Tatort“-Gucker. Und die sahen ja, dass ich die ganze Zeit mit Journalisten | |
rumlaufe und meine Arbeit mit allem gebotenen Ernst mache. Aber wie immer | |
bei einem neuen Job fragt man sich: Mache ich alles richtig? Von dieser | |
ganzen Bürosoftware, Excel und Powerpoint, hatte ich ja keine Ahnung. | |
Was hat Sie im Bundeswehrlager am meisten überrascht? | |
Ich hatte ein Lager mit zeltartigen Unterkünften erwartet. Dass man dort | |
unter sehr kommoden Bedingungen lebt, mit klimatisierten Räumen und einer | |
hellen Kantine, hat mich fast geschockt. Und dann schaut man über diese | |
Mauer, in dieses endlose Tal und denkt: Mei, vor zwei Jahren haben die sich | |
hier noch tagtäglich beschossen. Die Diskrepanz zwischen dieser | |
Militärgemütlichkeit und dem Bewusstsein, dass da draußen immer noch | |
Bürgerkriegszustand herrscht, ist eigenartig. | |
Seit Juli sind Sie zurück in Deutschland. Haben Sie sich schon wieder | |
eingewöhnt? | |
Ich befinde mich noch im Diagnoseprozess. Ich wache nachts mehrmals auf. Im | |
Lager in Kundus wird nachts durchgearbeitet, Kettenfahrzeuge werden durchs | |
Camp bewegt, ich habe dreieinhalb Monate nicht durchgeschlafen. Und allein | |
der Klimaschock: Ich bin in Masar-i-Scharif bei 35,6 Grad in die Transall | |
gestiegen und in Hannover bei 18 Grad gelandet. Da steht man mit seiner | |
komischen Wüstenuniform, dem Isaf-Sticker an der Jacke, staubigem Rucksack | |
und schmutzigen Schuhen, und keinen interessiert’s. Alle anderen Länder | |
haben Rituale für diese Heimkehr. | |
Deutschland hat eben erst angefangen, sich daran zu gewöhnen, dass die | |
Bundeswehr an Kriegseinsätzen beteiligt ist. | |
Ja, aber es gibt eine ganz große Hilflosigkeit der Bundeswehr, der | |
deutschen Öffentlichkeit zu kommunizieren, dass und wieso 300.000 Soldaten | |
in Afghanistan im Einsatz waren. Die Soldaten sehnen sich danach, | |
wahrgenommen zu werden. | |
Und Sie wollen mit Ihrem geplanten Buch diese Kommunikationslücke | |
schließen? | |
Ja, das ist das Ziel. | |
Also machen Sie letztlich PR. | |
Nein, ich sehe vieles auch kritisch. Die Bundeswehr versagt dabei, ihre | |
Arbeit der Gesellschaft zu erklären. Und ich bin nun einmal Autor, ich kann | |
erzählen, was ich erlebt habe. Aber als Reservist bin ich Wandler zwischen | |
den Welten, frei und unabhängig. | |
Und vor Veröffentlichung segnet die Bundeswehr das Buch ab? | |
Nein, der Inhalt geht die Bundeswehr nichts an. Ich bin ja kein Soldat | |
mehr. Aber ich werde mich natürlich an Persönlichkeitsrechte halten und | |
keine taktischen Verfahren beschreiben, auch im Interesse der Soldaten. | |
Hatten Sie Angst im Einsatz? | |
Ich habe nichts Dramatisches erlebt. Aber man rechnet immer damit. Man | |
fährt ja nicht im offenem Jeep und Käppi auf dem Kopf raus, sondern mit | |
gepanzerten Fahrzeugen, alle Mann bewaffnet, Helm, Splitterschutzweste und | |
Minensperren an den Türen. Ein Soldatenwitz geht so: Du weißt, dass du PTSD | |
hast, wenn du zu Hause am Auto die Minensperre überprüfst, bevor du | |
losfährst. | |
Und, haben Sie bei sich schon Anzeichen einer Posttraumatischen | |
Belastungsstörung entdeckt? | |
Das nicht, aber es ist schon noch seltsam, mit offenen Fenstern zu fahren. | |
Und ohne dass ich mich in der Operationszentrale abmelden muss. | |
14 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Anne Haeming | |
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ARD | |
Kurt Krömer | |
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