# taz.de -- Die Fotos der NSA-Zentrale: Die Kaaba des Informationszeitalters | |
> Die NSA schickt Bilder ihres Hauptquartiers um die Welt, die eins | |
> symbolisieren sollen: Langeweile. Und genau darin liegt das Problem. | |
Bild: Und? Sehen Sie es auch? Die Ödnis? | |
Am meisten leiden unter der Digitalisierung vermutlich die Bildredakteure. | |
Immer wieder schreiben ihre Zeitungen und Magazine über Raubkopien, | |
Netzneutralität und Privatsphäre im Internet. Wie bebildert man das? Wieder | |
mit der selbstgebrannten CD mit Edding-Aufschrift „Raubkopie“? Oder fürs | |
Datenschutzthema noch mal ein paar Zahlenkolonnen, [1][die irgendwie nach | |
Code aussehen]? | |
Wie erleichtert müssen sie alle gewesen sein, als ihnen nach den | |
Enthüllungen um das „Prism“-Programm dieses Foto in die Hände fiel: die | |
Zentrale der National Security Agency (NSA) in Fort Meade, Maryland. | |
Endlich was Vernünftiges zum Zeigen! Mittlerweile hat man es so oft | |
gesehen, viele Nachrichtenverfolgern können es sicher bereits nachmalen: | |
ein dunkelblau-schwarzer Riesenkasten, in dessen Fassade sich die Autos des | |
Riesenparkplatzes drumherum spiegeln; im Hintergrund Wald und blasser | |
blaugrauer Himmel. | |
## Unglaublich viel Parkplatz | |
Woher kommt dieses Foto eigentlich? Es handelt sich dabei um – ja, auch die | |
NSA hat so etwas – Info-Material, das sich auf deren [2][Website] | |
herunterladen lässt. Die NSA sieht also nicht nur alles von uns. Sie | |
schafft auch, dass wir sie in den Medien so sehen, wie sich selbst | |
präsentieren möchte. Aber welche Botschaft schicken uns die Kryptografen da | |
verschlüsselt in diesem Bild? | |
Vor allem eine der Normalität. Warum sonst sollte man seinen Stammsitz so | |
fotografieren, dass man unglaublich viel Parkplatz und Autos drumherum | |
sieht? Für die Parkplätze schämt sich Büroarchitektur normalerweise. Sie | |
erzeugen aber zuverlässig das Bild einer normalen, anonymen | |
All-American-Company, die weder hip ist noch geheimnisvoll oder | |
interessant. Verbergen durch Vortäuschen von Langeweile: Unsere | |
Mitarbeiter, erzählt uns die NSA mit ihrer vulgären Abart der | |
[3][//www.google.de/search?q=andreas+gursky&client=firefox-a&hs=e74&rls=org | |
.mozilla:de:official&channel=fflb&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ei=BZbQUc3IPIXd | |
tAaC0oDoDw&ved=0CAkQ_AUoAQ&biw=1562&bih=670:großformatigen Fotografien von | |
Andreas Gursky], sind langweilige Durchschnittsamerikaner. | |
Sie leben mit ihren Familien in den Suburbs, morgens fahren sie fluchend | |
über den verstopften Highway ins Büro (Ausfahrt „NSA Employees only“), | |
bekommen fluchend nur noch einen Parkplatz weit weg vom Eingang und sitzen | |
dann (still) fluchend in ihren cubicles vor dem Bildschirm. | |
Dort betreiben sie Big Data, wie man jetzt überall liest. Was nur heißt, | |
dass sie den ganzen Tag Zahlen hin und her schieben, die sie sowieso nicht | |
verstehen – genau was der gute amerikanische Office-Worker jahrzehntelang | |
getan hat, bis seine Stelle schließlich nach Asien ausgegliedert wurde. | |
Aber das geht bei einem Geheimdienst nicht so einfach. Noch nicht. | |
Zeuge der gleichen Mentalität ist das andere NSA-Bildmaterial, das vor | |
Kurzem veröffentlicht wurde: die [4][PowerPoint-Folien zum | |
„Prism“-Programm], die der Whistleblower Edward Snowden an die Medien | |
weitergab. Unter Designern haben diese Folien mehr Empörung verursacht als | |
ihr Inhalt. | |
## Wie in der Ortskrankenkasse | |
Ein Layout, wie es auch die Ortskrankenkasse in einer internen Schulung | |
nutzen würde: bunte WordArt-Sprechblasen, viele Pfeile und alles | |
zugeklatscht mit den Logos der angezapften Unternehmen. Wer solche | |
Präsentationen erstellt und so große Büro-Parkplätze hat, der hängt in der | |
Spionage-Küche auch Zettel auf, die in Schriftart Comic Sans MS darauf | |
hinweisen, bitte regelmäßig abzuspülen. Alles fügt sich zu einer | |
[5][Dilbert-Welt] zusammen, voller sehr weißer Männer in weißen | |
kurzärmeligen Hemden, mit Kugelschreibern in den Brusttaschen. | |
Was aber heißt das, wenn das NSA-Hauptquartier, diese Kaaba des | |
Informationszeitalters, letztlich nur eine Bürohölle ist wie jede andere? | |
Die NSA, sie würde wahrscheinlich gerne, dass man daraus diesen Schluss | |
zieht: Diejenigen, die unsere E-Mails lesen können, unsere Chats auswerten, | |
unser Radikalisierungspotenzial einschätzen – sie sind auch nicht anders | |
als wir selbst, anständige, langweilige Bürger, von denen nichts zu | |
befürchten ist. | |
Aber vielleicht liegt ja hier auch schon eine Gefahr: in der Langeweile. | |
Der normale Büroarbeiter vertreibt sie, indem er seinen Kollegen witzige | |
Rund-Mails mit Katzenbildern schickt. Der Büroarbeiter der NSA aber, er | |
kann seinen Kollegen witzige Rundmails mit dem Inhalt unserer Mails | |
schicken. | |
30 Jun 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.golem.de/news/symbolbild-boeser-boeser-toaster-1304-98700.html | |
[2] http://www.nsa.gov/ | |
[3] http://https | |
[4] http://www.guardian.co.uk/artanddesign/architecture-design-blog/2013/jun/12… | |
[5] http://www.dilbert.com/ | |
## AUTOREN | |
Lars Weisbrod | |
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