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# taz.de -- Gebrauch von Schusswaffen: Wen Polizeikugeln treffen
> In Berlin erschießt ein Polizist einen psychisch kranken Mann. Er ist das
> vierte Opfer in diesem Jahr. Sind Beamte auf solche Situationen zu
> schlecht vorbereitet?
Bild: Die Polizei sichert den Tatort am Neptunbrunnen in Berlin.
BERLIN taz | Der am Freitag in Berlin unter noch ungeklärten Umständen
getötete 31-jährige Mann ist in diesem Jahr das vierte Opfer polizeilichen
Schusswaffengebrauchs. Mitte März erschoss ein Polizist in Frankfurt einen
62-Jährigen, der in alkoholisiertem Zustand einen Nachbarn mit einem Messer
angegriffen hatte. Als er auch die Beamten angriff, fiel der tödliche
Schuss.
Der nächste Schuss fiel am 25. Mai im oberbayerischen Geltendorf. Dort
wollte eine Polizeistreife an einem Waldrand ein Fahrzeug überprüfen. Aus
dem Wagen heraus wurde sofort geschossen, beim anschließenden Schusswechsel
wurde ein Beamter verletzt, der Täter getötet.
Ebenfalls in Bayern kam im Juni ein psychisch kranker 73-Jähriger auf die
Polizeistation Starnberg und fuchtelte mit einem Messer herum. Mehrere
Polizisten schießen, sie treffen den Mann tödlich.
##
Im Jahr 2012 starben insgesamt acht Menschen durch Polizeikugeln. Im
Februar ein 57-Jähriger im hessischen Maintal, im Mai ein 47-Jähriger im
bayerischen Aichach, im Juli ein 43-Jähriger im baden-württembergischen
Wiesloch, im August ein 51-Jähriger im niedersächsischen Elsfleth, im
September ein 38-Jähriger im sachsen-anhaltinischen Bitterfeld, im Oktober
ein 50-Jähriger in Berlin, im November ein 64-Jähriger im
baden-württembergischen Singen, im Dezember ein 31-Jähriger im hessischen
Lindenfels. Alle acht Getöteten waren bewaffnet und hatten die Beamten
massiv bedroht oder angegriffen. In zwei Fällen wurden Polizisten verletzt,
einer schwer.
## Richtig ausgebildet?
Auf den ersten Blick scheint dies das regelmäßige Klagelied der
Polizeigewerkschaften zu bestätigen, wonach die Gewalt gegen Polizeibeamte
seit Jahren zunimmt. Auffällig ist allerdings, dass in sieben von acht
Fällen die Personen psychisch erkrankt waren oder sich in psychischen
Ausnahmesituationen befanden. So war in einem Fall das spätere Opfer schwer
betrunken, in einem anderen waren Suizidabsichten bekannt worden.
Auch bei den diesjährigen vier Toten scheint es sich so zu verhalten. Es
wird also zu beobachten sein, ob sich hier ein gesellschaftliches Problem
auftut. Andererseits stellt sich die Frage, ob Polizeibeamte und
-beamtinnen für solche Situationen noch richtig ausgebildet werden oder ob
sie durch Arbeitsüberlastung in stressigen Situationen schlicht überfordert
sind.
Insgesamt wurden im letzten Jahr von Polizisten bundesweit 10.353 Schüsse
abgegeben. Das geht aus den Schusswaffengebrauchsstatistiken der
Innenministerkonferenz hervor, die der Berliner Informationsdienst
Bürgerrechte & Polizei/CILIP auswertet. 2011 waren es noch 8.936. Die
Zahlen wirken erschreckend. Doch bei näherem Hinsehen liegt die massive
Zunahme am Schusswaffengebrauch zur Tötung gefährlicher, kranker oder
verletzter Tiere.
Nahezu gleich geblieben ist die Zahl der Warnschüsse. 2012 waren das 54, im
Jahr davor 49. Der Schusswaffengebrauch gegen Sachen ist sogar
zurückgegangen. Wurde 2011 noch 30-mal auf „Sachen“ geschossen, so war dies
2012 nur 14-mal der Fall. Hinter dem euphemistischen Begriff der
Polizeistatistiker verbirgt sich nicht selten die Schussabgabe auf
Fahrzeuge, etwa um eine Flucht zu verhindern. Schnell kann hier die Grenze
zwischen „Sachen“ und Personen verschwimmen. Mit möglicherweise fatalen
Folgen.
30 Jun 2013
## AUTOREN
Otto Diederichs
## TAGS
Polizei
Waffen
Opfer
Berlin
Polizei
Polizei Berlin
Neptunbrunnen
Berlin
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