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# taz.de -- Kommerzielle Nutzung von Drohnen: Ja, was dröhnt denn da?
> Drohnen werden mittlerweile nicht mehr nur als Killermaschinen
> eingesetzt. Ein neuer Markt entsteht – und mit ihm entstehen neue
> Bedenken.
Bild: Eine Vision mit dem Potenzial unseren Alltag nachhaltig zu verändern: Di…
BERLIN taz | Sie töten. Sie spielen Paintball, sie liefern Pizzen aus und
machen Filmaufnahmen. Drohnen sind Multitalente. Genauso facettenreich wie
ihre Anwendungsfelder sind die Bedenken, die ein Himmel voller Augen
verspricht. Während die einen um die Privatsphäre bangen, mahnen andere
davor, durch „German Angst“ und Skepsis von anderen Nationen technisch
überholt zu werden. Das Marktpotenzial von Drohnen ist so vielversprechend
wie beunruhigend.
Es ist eine Zukunft, die längst begonnen hat. Der Markt für Drohnen, auch
Multicopter genannt, boomt. Sie werden massentauglich, sind schon [1][ab
265 Euro] erhältlich. Wer höhere Ansprüche an das vermeintliche Spielzeug
hat, kann sich über Internetanbieter [2][besser ausgestattete Modelle
leihen]. Oder man baut sich eine eigene. Inspiration gibt es im Netz.
Das Team „Game of Drones“ produziert in den USA eine Serie von
Anleitungsclips [3][zum Basteln von bewaffneten Drohnen]. „Wir
entmystifizieren Drohnen, indem wir Design, Bautechnik und freundliche
Kampfspiele vorstellen. Diese kostengünstigen Projekte bringen Spaß für die
ganze Familie. Wir jagen auch Sachen in die Luft“, heißt es ironiefrei vom
Gründer Marque Cornblatt auf der [4][Homepage].
Auf dem eigenen YouTube-Kanal findet sich unter anderen ein Video zur
[5][„niedlichsten Raketendrohne“ der Welt], ein handgroßer Kampfflieger zum
selber basteln. Beim „lustigen Luftkampfspiel“ wird Teammitglied Eli von
einer [6][Paintballdrohne] gejagt – entsprechend bewaffnet mit einem
Luftdruckgewehr. Der Leitsatz der Hobbydrohnenbastler: „If it flies, it
fights“. Wenn es fliegt, kämpft es.
2015 soll der US-Kongress ein Regelwerk veröffentlichen, das den
[7][Luftraum für unbemannte Flugobjekte freigibt]. Bisher gelten dort
annähernd gleiche Regeln wie hierzulande: Die kommerzielle Nutzung von
Drohnen ist zulassungsbeschränkt. Der Freizeitgebrauch offenbart eine
gesetzliche Grauzone, in der keine Zulassung erforderlich ist. Hier müssen
Ballungsgebiete gemieden und Vorgaben zur Flughöhe eingehalten werden. Die
Flugobjekte müssen ausnahmslos manuell gelenkt werden. Trotz Bestimmungen
wird es heikel, wenn sich die Freizeitbeschäftigung wie bei „Game of
Drones“ an die Grenzen der Alltagsrealität von Kampfdrohnen herantastet.
In Großbritannien ließ sich die Agentur T + Biscuits eine etwas
friedlichere Anwendung einfallen. Für den Pizzalieferservice Domino’s
entwickelte sie den Prototyp [8][„DomiCopter“]. Anfang Juni wurde das Video
der Drohnenauslieferung von zwei Pepperonipizzen im britischen Guildford
zum viralen Marketingerfolg.
## Forschungsgegenstand für die Zukunft
Auch die AG Intelligente Systeme und Robotik der Freien Universität in
Berlin hat bereits einen [9][Drohnentestflug mit einer Pizza] veranstaltet,
dennoch meint der Forschungsleiter Tim Landgraf: „Pizzacopter wird es nicht
geben. Es rechnet sich nicht, wenn man die notwendige Infrastruktur, den
Versicherungsaspekt und den Luftwiderstand einkalkuliert. Da steckt
lediglich eine Show, ein Marketinggag, dahinter“. Stattdessen werde es
Versorgungsdrohnen geben, die Medikamente liefern.
Landgraf verspricht sich viel von diesem Forschungszweig. Sein Team hat den
[10][NeuroCopter] entwickelt. 600 Euro Materialkosten und zwanzig
Arbeitsstunden hat es in den Bau der Eigenkreation investiert. Anderthalb
Kilo schwer, 4 Drehzylinder: Der NeuroCopter wirkt wenig bedrohlich, fast
schon primitiv. Der Drohnenkörper, in der Mitte des Zentralkreuzes, strotzt
jedoch vor künstlicher Intelligenz. Das NeuroCopter-Team orientiert sich
bei der Forschung an Bienen, will ihre Neuronen auf Hardware pressen.
„Bienen haben ein extrem lernfähiges Gehirn. Sie haben einen sehr
ausgeprägten Navigationssinn und können damit besonders gut kartieren. Wir
wollen dieses Hirn kopierbar machen“. Tim Landgraf betreut das Projekt seit
einem Jahr. Ziel seines Teams ist die Intelligenzentwicklung für eine
autonom fliegende Drohne. Das Ergebnis ist eine Alternative zum gängigen
GPS, welches „nur unter freiem Himmel gut funktioniert und noch immer
Genauigkeitsprobleme hat“. Während der NeuroCopter in der Luft schwirrt,
werden Sensordaten über WLAN an einen Rechner am Boden übertragen.
## Typisch deutsche Zögerlichkeit
Zwar wird hier eine Drohne zur Selbstständigkeit erzogen. Der Gesetzgeber
gibt jedoch den Ton an und verdirbt damit Landgrafs Zukunftsmusik.
Außerhalb der privaten Nutzung muss für ein unbemanntes Flugobjekt 60 Tage
vor Aufstieg eine Genehmigung eingeholt werden. „Wir wollen Technologie
nutzbar machen! Die Regularien hemmen uns dabei. Wir wollen frei fliegen
und testen können“, erklärt Landgraf so manchen Flug ohne Startlizenz.
Vorbehalte gegenüber einem gelockerten rechtlichen Rahmen für Drohnenflüge,
empfindet er als unangebrachte, typisch deutsche Zögerlichkeit. „Man sollte
sich eher um die Erweiterung der staatlichen Nutzung von Drohnen Sorgen
machen, als Angst vor Firmen zu haben, weil diese in einem engen Korsett
der Gesetze stecken“. Sicherlich gebe es Sicherheitsbedenken, auch
praktischer Natur. Man stelle sich vor, wie die Flieger plötzlich vom
Himmel fallen. Und sicherlich gebe es undichte Stellen bei der
Privatsphäre. Das wiederum werde irgendwann durch eine Behördeninstanz
ausgeglichen.
Wenn Landgraf in die Zukunft blickt, sieht er einen radarüberwachten
Luftraum für Drohnen. Es falle ein TÜV für die herumschwirrenden Copter an
und Drohnen-Pilotenscheine werden Pflicht. „Ich sehe die Entwicklung nicht
hin zum Massenprodukt. Es wird ein Nischenmarkt bleiben“.
## Im Dienst der Industrie
Obgleich Landgraf seine Forschungsergebnisse nicht zu kommerzialisieren
sucht, profitiert eine Branche bereits von der Wissenschaft. Unbemannte
Flugobjekte sind gern gesehene Assistenten an Filmsets. Die Berliner
Produktionsfirma [11][Omstudios] profiliert sich mit der eigens entworfenen
Drohne. Der Omcopter hat gleich acht Drehzylinder, fliegt bis zu 60 km/h
schnell und kann bis zu 300 Meter von dem Piloten getrennt sein. Die am
Multicopter befestigte Kamera ist nicht die übliche kleine „GoPro“, sondern
das gleiche Modell, das für große Hollywoodproduktionen verwendet wird. Der
Omcopter wiegt insgesamt elf Kilo und zählt damit zu den Schwergewichten
auf dem Markt.
Auch für Omstudios sind die Richtlinien zur Flugbeschränkung primär
Störfaktoren. „Wenn es hier eine Möglichkeit der Lockerung der Gesetze
gebe, beispielsweise durch die Erwerbung eines Zertifikates, wäre uns sehr
geholfen“, erklärt der Geschäftsführer Timor Kardum und weist auf das
Flugverbot im Umkreis von 5,5 Kilometern des Reichstags hin.
Kardum bestätigt den steigenden Bedarf an zivilen Drohnen als „logischen
Wachstumsmarkt“, eine Vision, die über das Anwendungsfeld seines Omcopters
hinaus geht. „Man muss kein Hellseher sein, um Drohnen bald als
allgegenwertig zu sehen“. Aus Science-Fiction werde Alltag. „Wenn wir den
Gedanken weiter spinnen und jeder wirklich irgendwann eine große „personal
drone“ haben wird, kann dies die Gesellschaft sicherlich nachhaltig
verändern. Turnbeutel vergessen? Kein Problem. Papa schickt kurz die Drohne
hinterher“.
Der Ausblick auf solch ein sorgenfreies Leben trügt. Wolfgang Neskovic,
fraktionsloser Bundestagsabgeordnete und ehemaliger Richter am
Bundesgerichtshof, erkennt in den vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten
eine sich anbahnende Gefahr. Neskovic graut es vor der Zukunft einer
ungebremsten Nutzung kommerzieller Drohnen. Bedenklich werde es, wenn das
Mittel zum beliebigen Zweck erschwinglich ist.
„Drohnen könnten so nicht nur das Bedürfnis von Spannern befriedigen,
sondern weitgehend auch die Arbeit von Privatdetektiven übernehmen. Die
finanzielle Verlockung für die Industrie ist riesig“. Es könne sich ein
Markt eröffnen, in dem es um ähnliche Umsatzzahlen wie bei Handys und
Fernsehen geht. Der Teufel wütet im Detail: Mobiltelefone und Fernseher
kann jeder selbst ausschalten.
3 Jul 2013
## LINKS
[1] http://www.amazon.de/Parrot-AR-Drone-Quadrocopter-iPhone-touch/dp/B003ZT5HWO
[2] http://www.rent-a-drone.de/
[3] http://www.youtube.com/playlist?list=PLO4hS4SYxbF1LZY9a1NOvabZYGyL1pxco
[4] http://www.gameofdrones.biz/#!about/c10fk
[5] http://www.youtube.com/watch?v=4A8mErds5-c&list=SPO4hS4SYxbF1LZY9a1NOva…
[6] http://www.youtube.com/watch?v=vICfKPoCubw&list=SPO4hS4SYxbF1LZY9a1NOva…
[7] http://www.dw.de/game-of-drones/a-16698477
[8] http://www.youtube.com/watch?v=on4DRTUvst0
[9] http://www.youtube.com/watch?v=qDtsTQNGfWQ&feature=youtu.be
[10] http://neurocopter.mi.fu-berlin.de/wordpress/
[11] http://omstudios.de/
## AUTOREN
Marie Kamprath
## TAGS
Drohnen
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Lebensmittel
Drohnen
Thomas de Maizière
Völkerrecht
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