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# taz.de -- Wandern in den Pyrenäen: Viel Regen, viel Grün
> Fernwandern von Cauterets nach Luz-Saint-Sauveur. Die rund 50 Etappen des
> Wanderwegs GR 10 führen quer durch die Pyrenäen vom Atlantik bis zum
> Mittelmeer.
Bild: Der Felsenkessel Cirque de Gavarnie an der französisch-spanischen Grenze.
Tobend und tosend stürzen die Wassermassen in die Tiefe. Eine schmaler,
glitschiger Holzsteg führt über den Wasserfall. Es ist so laut, dass wir
uns kaum verstehen. Gischt sprüht uns ins Gesicht, als säßen wir unter
einem Zerstäuber auf einer sonnigen Café-Terrasse. Die französischen
Pyrenäen sind bekannt dafür, dass es häufiger mal regnet, deswegen sind sie
auch so grün. Und irgendwo muss das ganze Wasser ja auch wieder
runterkommen.
Wenn dann noch die Schneeschmelze hinzukommt, dann sprudelt, gluckst und
schäumt es alle paar Meter. Wanderer sind gut bedient, wenn sie zwei Stöcke
haben, um beim Kieselhüpfen über die vielen Bergbäche die Balance zu
halten.
Vier Tage lang folgen wir den rot-weißen Streifen, die den Fernwanderweg GR
10 auf Bäumen und Felsen markieren. Wo die Streifenmaler keinen geeigneten
Untergrund finden, bauen sie Steinmännchen, die den Wanderern den Weg
weisen. Eine partizipative Wegmarkierung, denn manche legen hier und da
noch einen Kiesel dazu, damit die Nachfolgenden sie leichter entdecken.
Rund fünfzig Etappen führen von Hendaye am Atlantik nach Banyuls am
Mittelmeer. Wir haben uns den schönsten Abschnitt ausgesucht, der von
Cauterets durch den Pyrenäen-Nationalpark mit dem berühmten Cirque de
Gavarnie bis nach Luz-Saint-Sauveur führt.
Ein paar Meter hinter dem Wasserfall überqueren wir eine Straße, es riecht
nach Hölle oder nach verfaulten Eiern, die ein Wanderer im Rucksack
vergessen hat. Um Besucher nicht zu verschrecken, haben die Franzosen ein
Schild aufgestellt: „Der Geruch kommt von den schwefelhaltigen Quellen“. Wo
Schwefel im Wasser ist, sind Thermalbäder nicht weit. Gute Aussichten für
geschundene Wanderwaden.
Am herrlichen Lac de Gaube, den wir just zur Picknickzeit erreichen, haben
sich schon Schriftsteller wie George Sand und Victor Hugo erfreut. Früher
ließ sich die feine Gesellschaft in Tragsesseln zu dem türkisfarbenen
Bergsee auf 1.725 Höhenmetern hinaufbefördern.
Das Wasser ist am Ufer so klar, dass jeder Kiesel am Grund mit seiner
feinen Maserung zu erkennen ist. Rechts und links des Tals steigen die
Felsen steil an, dass man glauben könnte, die Gämsen dort oben müssten
jeden Moment herunterkullern. Und am Horizont: der schneebedeckte Gipfel
des Dreitausenders Vignemale, des höchsten Berges der Pyrenäen auf
französischer Seite.
## Schnee auf 2.700 Meter
Der GR 10 lässt die großen Gipfel aus, die ohnehin nur mit entsprechender
Ausrüstung zu erklimmen sind. Aber um ins nächste Tal zu kommen, steht uns
immerhin ein Pass auf 2.700 Höhenmetern, die Hourquette d’Ossue, bevor. Es
soll noch Schnee da oben liegen, heißt es. „Wenn ihr zu früh losgeht, ist
er noch gefroren. Wenn ihr zu spät dran seid, sinkt ihr ein“, gibt der
Hüttenwart uns – nebst Nudelsalat in der Dose – mit auf den Weg.
Beim Aufstieg keuchen wir, während wir versuchen, die Wanderschuhe in den
verharnischten Schnee zu keilen. Jetzt bloß nicht nach unten schauen. Warum
liegen wir nicht am Ufer des Lac de Gaube in der Sonne, der tief unter uns
wie eine blaue Murmel im Tal liegt? Kein Mensch weit und breit, die
Pyrenäen sind eben nicht die Alpen, wo man an vergleichsweise schönen Orten
schon mal zu Dutzenden picknickt.
Auf den letzten Metern vor dem Pass fühlen wir uns wie in einer Schneewand
gefangen. Wie mag es bloß auf der anderen Seite aussehen?
## Weiß gefleckte Felsmassen
Zum Glück geht es dort nicht ganz so steil wieder hinunter. Die Aussicht
ist zum Gänsehautkriegen schön. Die Nordseite des Vignemale, die mit gut
1.000 Metern nahezu senkrecht abfällt, die weiß gefleckten Felsmassen am
Horizont, als habe jemand Puderzucker über die zerklüftete Landschaft
gestreut.
Vor uns liegt ein weites Schneefeld, angetaut genug, dass wir bis zu den
Oberschenkeln hineinsinken. Quietschvergnügt wie Kinder im ersten Schnee
der Saison laufen und rutschen wir den weißen Hang hinunter, die Hacken
immer schön voran.
Bald lösen farbenfrohe Blumenwiesen die Schneefelder ab. Kurzstängelige
gelbe Narzissen wiegen sich im Wind, tiefblaue Enziane recken ihre Kelche
den Hummeln entgegen, violette Blüten erinnern an kleine Hüte mit
Fransenrand. Die riesige Artenvielfalt der Pyrenäen ist ein Grund dafür,
dass Käse und Honig besonders gut schmecken: Schafe und Honigbienen haben
hier einen höchst abwechlungsreichen Speiseplan.
## Abstieg mit deftigem Nudelgericht
Der Abstieg ist lang und geht in die Oberschenkel. Die nächste Hüttenwirtin
empfängt uns mit aufmunternden Worten und sämiger Gemüsesuppe, in der
daumendicke weiße Bohnen schwimmen. Aber die „Garbure“, ein traditionelles
Pyrenäenrezept, ist nur der Auftakt zu hausgemachter Pastete, einem
deftigen Nudelgericht, würzigem Pyrenäenkäse und einem schokoladigen
Nachtisch.
Der folgende Tag ist für Genusswanderer: nur wenige Höhenmeter, dafür ein
Naturschauspiel, angesichts dessen schon Victor Hugo nach Worten rang. „Es
ist ein Berg und eine Mauer zugleich, es ist das geheimnisvollste Bauwerk
des geheimnisvollsten aller Architekten, es ist das Kolosseum der Natur, es
ist Gavarnie“, schrieb der Schriftsteller über das von Felswänden
eingefasste Halbrund. Während der Schneeschmelze stürzen sich ein gutes
Dutzend Wasserfälle in die Tiefe, darunter der längste Europas mit 423
Metern.
Der letzte Wandertag führt durch wadenkratzende Rhododendron- und
Blaubeersträucher in den Thermalkurort Luz-Saint-Sauveur. Am Ortseingang
steht das Thermalbad, das in der Vergangenheit illustre Kurgäste hatte –
etwa den französischen Kaiser Napoleon III. Heute empfängt man dort zum
Glück auch erschöpfte Wanderer, die sich im Whirlpool die Muskeln massieren
lassen.
13 Jul 2013
## AUTOREN
Ulrike Koltermann
## TAGS
Wandern
Schwerpunkt Frankreich
Spanien
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