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# taz.de -- Die Wahrheit: Flippern im Café des Todes
> So langsam dämmert es jedem denkenden Menschen, dass alles Brimborium uns
> nicht ein bisschen von der Angst vor dem Sensenmann nehmen kann.
Bild: Im Nettnapf der Höflichkeitshölle.
Es wird kommen. So sicher wie das Amen im Trauergottesdienst: das Death
Cafe. Freund Trend pocht schon unerbittlich an die Türen, um Freund Hein
endlich wieder die Ehre eines Ortes zu verschaffen, an dem ausschließlich
über ihn geplaudert wird – wie über einen kauzigen Kollegen, einen
unheimlichen Nachbarn oder einen verhassten Chef, wie über ein noch immer
nicht gelöstes mathematisches Problem, wie über eine poststrukturalistisch
hermeneutische Ambivalenz, wie über das Hamburger Schietwetter im Juni,
gegen das es niemals ein Mittel geben wird.
Das Bedürfnis, jenseits des Prekariatsfernsehens in einem analogen
Zusammenhang über tiefste Ängste und vage Hoffnungen mit wildfremden
Menschen zu reden, passt in den zeitgeschichtlichen Zyklus aus Euphorie und
Angst. Die nun schon zwanzig Jahre andauernde Euphoriewelle mit ihren
Terrabites und ihren nanotechnischen Hirn-, Herzkammer- und
Gallenblasen-OPs hat Hoffnungen geweckt, Freund Hein ein Schnippchen
schlagen zu können. Doch so langsam dämmert es jedem ohne digitale Prothese
denken Menschen, dass all das Brimborium uns nicht ein Bit von der Angst
vor dem Sensenmann nehmen kann. Sie dauert nur länger.
Also ab, zurück ins 19. Jahrhundert, zum morbiden Plaudern bei Earl Grey
mit Gingercakes, der Beschwörung von schwebenden und gefallenen Engeln und
nerdigen Diskussionen über Energiepermanenz bei Veränderung von
Aggregatzuständen und dem rätselhaften Verlust von 23 Gramm Masse bei
Eintritt des Exodus.
Toronto, London, Paris, Ottawa, Essex, Ohio, alle haben es schon, das Death
Cafe, eine Art monothematischen literarisch-philosophischen Salon mit
Freund Hein als invité permanent. Berlin hat es diesmal verschlafen, den
Trend zu setzen, wird es aber nicht verpassen, noch rechtzeitig
aufzuspringen. Deshalb hier meine Tipps an die künftigen
Death-Café-Betreiber: Death Metal Style geht gar nicht, schlimmer ist nur
noch Kirchentagsambiente. Und bitte nicht zur Eröffnung einladen: Beck- und
Käßmann, lieber Perelman, den abgedrehten russischen Mathematiker, der
kommt aber nicht.
Wenn Gauck kommt, eine Ausrede finden – notfalls wegen Trauerfalls
schließen, bis er sich wieder verzogen hat mit seinen Hofschranzen. Nicht
zu viele Kaffee-Aromen auf Sirupbasis, zu süß für das bittere Thema, guter
Cognac zum Verlängern geht dagegen immer. Keine Kruzifixe, auch nicht mit
den Jesusfüßen zur Decke, keine spirituellen Symbole und Anspielungen, denn
Freund Hein hasst es, wenn sein Werk interpretiert wird, ihm gar ein Sinn
untergejubelt wird. Er ist eine Art Peter Handke des Jenseits.
Freund Hein aber verdient es nicht, verehrt zu werden, denn er ist ein
Arschloch, auch wenn er ab und an einen passablen Job macht (siehe: Maggie
Thatcher). Bei ihm gibt es niemals eine zweite Chance, oder wie
Namensvetter Peter Hein singt: Kein Freispiel drin. Doch ein Flipperautomat
im Death Café wäre zu viel des Guten.
15 Jul 2013
## AUTOREN
Joachim Frisch
## TAGS
Integration
Supermarkt
Konzert
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