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# taz.de -- DIE WAHRHEIT: Eviva España!
> Solidarische Sommerferien: Wenn einem als deutscher Urlauber in
> Griechenland plötzlich alles furchtbar spanisch vorkommt.
Nirgendwo sind die Menschen so unkompliziert, freundlich und gesellig wie
in der Ägäis, zumindest in meiner Erinnerung aus Zeiten vor der Eurokrise.
In der „Tagesschau“ dagegen sind die Griechen wahre Wutbürger, vor allem
sind sie zornig auf uns Deutsche.
Kein Wunder: In zwei Weltkriegen wollten wir die Griechen umbringen. Als
Dank dafür, dass wir drei Jahrzehnte lang fast umsonst Urlaub bei ihnen
gemacht haben, raubten wir ihnen anschließend die Existenz. Nicht den
schwerreichen Reedern, sondern den unkomplizierten, freundlichen und
geselligen Fischern, Olivenbauern und Tavernenwirten.
Unsere Industrie lockte die Griechen nach Wolfsburg und Rüsselsheim, um sie
an den Fließbändern auszubeuten, und schwatzten ihnen dann die teuren Autos
auf. Unsere Banken verdienen sich an den Zinsen für die Autos dumm, unsere
Rüstungskonzerne an den Waffen dämlich, mit denen die nun zornigen Fischer,
Olivenbauern und Tavernenwirte in Schach gehalten werden. Weil die Waffen
so teuer sind, kriegen die Griechen keine Rente mehr.
So wartet also der gerechte griechische Volkszorn auf deutsche Touristen.
Trotzdem fliege ich in die Ägäis. Ich lasse mir doch von VW, Frau Merkel
oder der Deutschen Bank nicht meinen Urlaub vermiesen. Im Gegenteil: Ich
werde mich mit dem griechischen Proletariat gegen die Zumutungen des von
Deutschland dominierten militärisch industriellen Komplexes solidarisieren.
Es ist so weit, das erste Essen in der Taverne eines Wirtes mit Namen
Kostas. Wie alte Freunde begrüßt uns Kostas mit ausgebreiteten Armen:
„Kalispera, wärr you from?“ – „Espanha“, antwortet plötzlich eine
unbekannte, zittrige Stimme. Als Kostas wenig später in die Küche
entschwindet, behauptet meine Frau felsenfest, dies sei meine Stimme
gewesen.
Vollkommen absurd. Warum sollte ich mich ausgerechnet als Spanier ausgeben?
Ich schaff es gerade mal, beim Spanier ein Bier zu bestellen, und nicht
selten muss ich stattdessen einen Osborne trinken. Und mit meinem
hamburgischen Quarkteint sehe ich so spanisch aus wie ein
Albino-Polarkaninchen. Warum also sollte ich einen solchen Schwachsinn
verzapfen? „Genau das frag ich mich auch, warum du einen solchen
Schwachsinn verzapfst“, fällt mir die teure Gattin in den Rücken.
Kaum hat Kostas unsere Retsina-Gläser abgestellt, legt er auch schon los –
auf Spanisch mit griechischem Akzent. Ab und an schnappe ich einen Brocken
auf: Merkäll, Trapacera, Aleman, Usurero. Mit jedem Wort wird Kostas lauter
und zorniger.
Mir schwant, dass er kein gutes Haar an den Deutschen lässt. Zum Glück bin
ich Spanier. Um das zu unterstreichen, flechte ich nach jedem dritten
Schimpfwort abwechselnd ein solidarisches Si und ein wütendes Naturalmente
ein. Nach dem Essen und dem doppelten Ouzo ziehe ich mich mit einem
dreifachen Kalinichta mit unverkennbar spanischem Akzent und einem lässig
angehängten Adios aus der Affäre. Vorläufig.
Die weiteren Urlaubsaktivitäten bestehen vor allem darin, Kostas aus dem
Weg zu gehen, was grandios misslingt. Kein Tag, an dem nicht sein
fröhliches „Hola, como estais“ aus irgendeinem Winkel des Dorfes hallt.
Wenigstens abends sind wir sicher, wenn Kostas in seiner Taverne arbeitet.
Dann genießen wir das unbeschwerte griechische Leben in den anderen
Tavernen. Als Litauer werden wir mit offenen Armen empfangen, die pure
Erholung. Bis wir auf jenen Wirt treffen, der mit einer Russin verheiratet
ist und diese lautstark zum Dolmetschen aus der Küche herbeiruft …
18 Aug 2012
## AUTOREN
Joachim Frisch
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