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# taz.de -- Kommentar Video von Pussy Riot: Vorsicht Fälschung
> Vorschnell sprechen viele Medien von einem neuen Video von Pussy Riot.
> Und gefährden damit die beiden inhaftierten Mitglieder.
Bild: Still aus dem bisher Pussy Riot zugeschriebenen Video.
Pussy Riot hat ein neues Video gemacht. Wirklich? Vorsicht ist angebracht.
Per Twitter hat sich ein Bandmitglied, Katya Samutsevitchs, bereits
distanziert. Sie war zunächst gemeinsam mit Marija Aljochina und Nadeschda
Tolokonnikowa verhaftet worden, kam dann aber wieder frei.
Samutsevitschs schreibt: „Heute habe ich erfahren, dass Petja Verzilov [der
Ehemann von Nadeschda Tolokonnikowa Anm. der Red.] die Vorbereitung des
Fake-Clips der Gruppe Pussy Riot mit mir abgesprochen hatte. Schon lange
habe ich mich nicht mehr so gewundert.“
Und noch ein weiteres Statement findet sich seit dem 16.7. im Netz: „Heute
haben wir mit Verwunderung festgestellt, dass wir eine neue Seite haben und
ein neues Video veröffentlicht wurde, wovon kein Mitglied der Gruppe
wusste. Wir möchten all denen danken, die versuchen, eine Tätigkeit der
Gruppe zu simulieren, während ihre echten Mitglieder vor Gerichten und in
Gefängnissen gegen das System kämpfen.“ Es stammt angeblich von der Pussy
Riot.
Doch wer kann schon sagen, wer dahinter steckt? Weder vom Video noch von
den Tweets ist die Urheberschaft wirklich zu verifizieren. Sehen wir uns
also das Video selbst an. Es heisst übrigens „Like in a Red Prison“. Rein
ästhetisch unterscheidet es sich eklatant von den Performances, mit denen
die Moskauer Frauen-Punkband international berühmt wurde.
## Neonpinkfarbenes Rippenhemd
Erste Szene: Eine Frau im hautengen neonpinkfarbigen Rippenhemd schlägt
irgendwo auf dem Land mit einem Vorschlaghammer auf ein Eisenrohr ein. Gas
entweicht. Schnitt. Die nächste Einstellung zeigt sie neben drei anderen
Frauen auf einem Gerüst einer Ölförderanlage. Sie hüpft zu heftigem
Gitarrengeschrabbel wild herum. Ihr Busen wackelt lasziv. Schnitt. Arbeiter
in gelben Anoraks werden gezeigt. Womöglich beobachten sie die Frauen, die
hoch oben auf einem Gerüst gegen den Manager und Politiker Igor Setschin
anschreien. Der regiere Russland wie die Ayathollas den Iran. Setschin ist
Vorstandsvorsitzender des Mineralölkonzerns Rosneft und war bis 2008 enger
Berater von Putin.
Das Video erinnert an Billigvarianten auf MTV. Man sieht die Band spielen,
die zusätzlich eingeschnittenen Bilder illustrieren die Geschichte, von der
sie singen. So müssen die ZuschauerInnen ihre Vorstellungskraft nicht
bemühen, die Botschaft wird allgemein verständlich visualiert. Pussy Riot
arbeitete bislang anders.
Basis ihrer Performances, ob beim „Punkgebet“ oder „Putin hat Schiss“, …
immer die direkte Aktion, das unmittelbare Eindringen in den öffentlichen
Raum. Das wurde gefilmt und via Youtube veröffentlicht. Die Botschaft: Wir
erobern den öffentlichen Raum zurück. Ölförderanlagen nun sind das
Gegenteil vom öffentlichen Raum. In der Regel sind sie streng bewacht. Wie
kamen die Frauen da hin?
Auf den Videos, die wir bislang von Pussy Riot kannten, wurde stets
ausschließlich die Band gezeigt, keine Geschichte erzählt, keine Bilder vom
Publikum eingeschnitten. Die Frauenkörper waren unterschiedlich, mit großen
und kleinen Brüsten, jede Frau hatte etwas anderes an, gemeinsam waren die
grellen Farben und die Hasskappen. Nonkonformität ist der erste Punkt auf
dem Manifest von Pussy Riot.
## Gefahr für die inhaftierten Frauen
Die Frauen auf dem neuen Video hingegen sind ausnahmslos vollbusig, die
Kamera konzentriert auf sich in klassischer Manier auf ihre weiblichen
Attribute: Beine, Brüste, Po. Auf diese Weise treten die Frauen weniger als
Akteurinnen auf. Stattdessen transportiert ihr Sexappeal die politische
Botschaft. Die, wenig erstaunlich, keine feministischen Inhalte mehr birgt.
Es geht allein ums Öl und die Politik, die sich mit den Petro-Rubeln ihren
Reichtum sichert. Schnitt.
Dem neuen Video angefügt ist eine Sequenz, die eine maskierte Frau auf dem
Sofa sitzen zeigt, die erzählt, dass eine der beiden inhaftierten Frauen an
dem Text mitgewirkt habe. Der Mann von Nadeschda Tolokonnikowa seinerseits
behauptet, er habe das Video mit beiden inhaftierten Frauen abgesprochen
und könne auf die „volle Unterstützung“ der beiden zählen. Auch das kann
man glauben oder nicht.
Feststeht, dass die Inhaftierten mit solchen Aussagen gefährdet werden. Wer
sollte die beiden inhaftierten Frauen gegen die Schikanen des
Lagerpersonals schützen oder davor, dass ein neuer Prozess gegen sie
eröffnet wird, wenn sie weiter an Straftaten mitwirken? Just aus diesem
Grund, verzichteten Pussy Riot bislang auf weitere Performances und
verlegten sich darauf, juristisch gegen Putin und sein Unrechtsregime
vorzugehen, wie sie der [1][taz im Interview] erklärten.
Natürlich ist es möglich, dass die Pussy Riot sich verändert hat, dass sich
Friktionen in der Band verschärfen – ebenso könnte der Kreml das Video
lanciert haben, um die Frauen weiter zu beschädigen. Man weiss es nicht.
Und genau weil man es nicht weiss, sollte das Video nicht vorschnell Pussy
Riots zugeschrieben werden. Leider haben [2][Spiegel Online], heute.de und
stern.de das bereits getan.
19 Jul 2013
## LINKS
[1] /!119301/
[2] http://www.spiegel.de/politik/ausland/neues-video-von-pussy-riot-kritisiert…
## AUTOREN
Ines Kappert
## TAGS
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