# taz.de -- Muslimbruder über die eigene Führung: „Mohammed Mursi hat versa… | |
> Die „Muslimbrüder ohne Gewalt“ organisieren Widerstand gegen die | |
> Parteiführung. Sie haben Angst, dass die Organisation in den Abgrund | |
> schlittert. | |
Bild: „Im Führungsbüro hat die jüngere Generation keine Stimme“: Pro-Mur… | |
taz: Herr Yayha, waren Sie erleichtert, als die Armee Anfang Juli nach | |
Massenprotesten den ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi entmachtete? | |
Ahmed Yahya: Ich hatte es erwartet. Wenn Mohammed Mursi auf die Forderung | |
der Demonstranten gehört und Neuwahlen angekündigt hätte, wäre das Militär | |
nicht eingeschritten. Dann wäre er jetzt noch Präsident des Landes, und uns | |
wäre ein blutiger Konflikt erspart geblieben. | |
Hat er aber nicht. | |
Nein, und die Armee hat das ausgenutzt und ihn abgesetzt. | |
Seitdem verüben Bewaffnete fast täglich Anschläge auf Sicherheitskräfte, | |
vor allem auf der Sinai-Halbinsel. Als Mitglied der Muslimbruderschaft | |
haben Sie die Initiative „Muslimbrüder ohne Gewalt“ ins Leben gerufen. | |
Befürwortet die Muslimbruderschaft Gewalt? | |
Nein, seit ihrer Gründung 1928 lehnt die Muslimbruderschaft Gewalt ab. Doch | |
die derzeitige Führungsriege stachelt zu Gewalt an. Zum Beispiel Mohammed | |
al-Beltagi, der erklärt hat, weiter auf dem Sinai zuzuschlagen, wenn | |
Mohammed Mursi nicht freigelassen werden sollte. Wie kommt er denn auf | |
diese Idee? Solche Äußerungen schaden der gesamten Muslimbruderschaft. Die | |
Gewalt geht nicht von den Muslimbrüdern, also den normalen Leuten, aus, | |
sondern ausschließlich von der Führung. | |
Auch in Kairo kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Mursi-Anhängern und | |
dem Militär. Vor dem Sitz der Republikanischen Garde, wo Mursi festgehalten | |
werden soll, eröffneten Soldaten vor zwei Wochen das Feuer auf | |
Demonstranten. Was ist Ihrer Meinung nach dort passiert? | |
Ich war sehr überrascht, als die Muslimbrüder-Führer dazu aufriefen, die | |
Republikanische Garde zu belagern. Es ist nicht gestattet, sich ihr zu | |
nähern, da sie zum Militär gehört. Auf der Bühne (im Protestcamp der | |
Mursi-Anhänger, d. Red.) gab es einen Aufruf, sich in Richtung des Gebäudes | |
in Bewegung zu setzten. Dort kam es dann zu Scharmützeln, bei denen drei | |
Menschen getötet wurden. Drei Tage später starben 53 Menschen. | |
Wie bewerten Sie die einjährige Amtszeit Mursis? | |
Mohammed Mursi und die Muslimbruderschaft haben versagt. Wir haben im | |
vergangenen Jahr viele Krisen durchlebt: Stromausfälle, mangelhafte | |
Wasserversorgung, den Preisanstieg und das anhaltende Sicherheitsvakuum. | |
Mohammed Mursi hat keines dieser Probleme gelöst. Sein vorrangiges Ziel war | |
die sogenannte Akhwana, die Muslimbruderisierung. Muslimbrüder sollten in | |
allen Ministerien und staatlichen Institutionen präsent sein. | |
Wer ist für das Versagen der Mursi-Regierung verantwortlich? | |
An erster Stelle Mohammed Mursi selbst. Er war unfähig, Reformen | |
einzuleiten. Zweitens die Führung der Muslimbruderschaft, denn Mursi war in | |
seinen Entscheidungen nicht frei. Er bekam Anweisungen vom Führungsbüro der | |
Gemeinschaft. Die Reden, die er hielt, schrieb zum Beispiel Mohammed Badia, | |
der Führer der Muslimbruderschaft. Mohammed Mursi musste sie nur noch | |
vortragen. | |
Mitglieder der Bruderschaft schwören ihrem Führer absoluten Gehorsam. Sie | |
haben nun angedroht, Mohammed Badia das Vertrauen zu entziehen. Was hat das | |
zu bedeuten? | |
Die Muslimbruderschaft gehört nicht Mohammed Badia. Wir lassen nicht zu, | |
dass er zu Gewalt aufruft und den Islam und die Gemeinschaft der | |
Muslimbrüder schlecht macht. Wir befürchten, dass die Bruderschaft wegen | |
der Anschläge auf dem Sinai als Terrorgruppe betrachtet wird. Deshalb | |
wollen wir Mohammed Badia und dem Führungsbüro das Vertrauen entziehen und | |
fordern Wahlen innerhalb der Bruderschaft. | |
Wie viele Muslimbrüder unterstützen die Initiative? | |
1.400 Mitglieder der Bruderschaft haben bereits unterschrieben. | |
Wird die jüngere Generation innerhalb der Organisation gehört? | |
Nein, im Führungsbüro hat die jüngere Generation keine Stimme. Wir haben | |
immer gefordert, dass sie gerecht repräsentiert wird. Aber sie wird an den | |
Rand gedrängt. | |
Die Armee hat nach der Entmachtung Mursis viele führende Muslimbrüder | |
weggesperrt. Andere verstecken sich, weil Haftbefehle gegen sie vorliegen. | |
Ist das eine Chance für die jüngere Generation? | |
Wir haben die Bewegung „Muslimbrüder ohne Gewalt“ nicht gegründet, um die | |
Macht zu übernehmen. Wir wollen das Bild des Islams schützen und die | |
Prinzipien Hassan al-Bannas (des Gründers der Muslimbruderschaft, d. Red.) | |
verteidigen. Der Islam ist eine Religion der Mäßigung. | |
Warum treten Sie aus der Bruderschaft nicht einfach aus? | |
Was würden Sie tun, wenn Sie eine Verletzung beispielsweise am Arm hätten? | |
Würden Sie den Arm heilen oder ihn einfach abschneiden? Mohammed Mursi kann | |
die Bruderschaft nicht für seine Zwecke missbrauchen. Ich habe gegen unsere | |
Führung und Mohammed Mursi demonstriert, weil sie die Bruderschaft in den | |
Abgrund führen. Der Islam ist eine Religion des rechten Glaubens, die | |
Mäßigung, Nächstenliebe und Toleranz verlangt. | |
Wie soll es in Ägypten weitergehen? Die Anhänger Mursis weichen nicht von | |
ihrer Forderung ab, ihn freizulassen und erneut als Präsidenten | |
einzusetzen. Das wird das Militär nicht tun. Sehen Sie einen Ausweg aus der | |
Krise? | |
Wir fordern einen nationalen Dialog und die Freilassung aller verhafteten | |
Führungsmitglieder, die keine Verbrechen begangen haben. Die Leitlinien für | |
die Übergangsperiode müssen offengelegt und die islamische Identität der | |
Gesellschaft garantiert werden. Noch vor neuen Parlamentswahlen müssen | |
Präsidentschaftswahlen abgehalten werden. Das Volk wird dann entscheiden, | |
ob es Mohammed Mursi oder einen Wechsel will. Schließlich fordern wir die | |
Wiederzulassung aller abgeschalteten religiösen Fernsehsender. Sie wurden | |
nicht auf der Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung geschlossen. Wir | |
fordern Meinungsfreiheit. | |
20 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Jannis Hagmann | |
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