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# taz.de -- Landwirtschaft in Schleswig-Holstein: Wenn die Bauern sauer werden
> Knickverordnung, Wochenend-Fahrverbot für Mähdrescher,
> Pestizid-Datenbank: Ein Jahr nach dem Machtwechsel zeichnen sich die
> Konflikte zwischen der Kieler Regierung und den Landwirten deutlich ab.
Bild: Aus grüner Sicht unerwünschte Praxis: Ein Bauer sprüht Gift aufs Feld.
KIEL taz | Der Kieler Umweltminister Robert Habeck (Grüne) will die Menge
an Gift, das gegen Unkraut, Pilze und Kleingetier auf die Felder gebracht
wird, verringern. Ob es eine Pestizid-Datenbank geben soll, wie der NDR
meldete, ist unklar, das Ziel – weniger Gift, mehr Ökolandbau – stehe aber
fest, bestätigte am Dienstag eine Sprecherin des Umweltministeriums.
Zurzeit werden auf über 95 Prozent der Felder in Schleswig-Holstein
Pestizide verwendet. Für den Bauernverband wäre eine Datenbank reiner
„Aktionismus“. Nach einem guten Jahr rot-grün-blauer Landesregierung
zeichnen sich die Konflikte mit den Landwirten deutlich ab.
Eine schwungvolle Rede bei der Landwirtschaftsmesse Norla, zuletzt eine
Sommerreise zu Schweine- und Rinderzüchtern: Habeck sucht den Kontakt zu
den Landwirten und freut sich, wenn er die Vorurteile der
grünen-skeptischen Bauernschaft lockern kann.
Der Dialog sei im Grunde gut, bestätigt Stephan Gersteuer, Generalsekretär
des Bauernverbands. Zurzeit aber scheint es geballt zu kommen: Eine neue
Knickverordnung schreibt vor, dass am Feldrand ein halber Meter unbeackert
bleiben soll, Mähdrescher erhalten Fahrverbote am Wochenende und nun noch
die Pestizide.
Mehr Kontrolle und Aufzeichnungen seien Unsinn, findet Gersteuer: „Schon
heute führt jeder Landwirt genau Buch darüber, was er ausbringt.“ Er
fordert, die Pestizide nicht nur als Problem, sondern als Lösung zu sehen:
„Öko-Landbau, der auf natürliche statt auf chemische Pestizide setzt,
produziert 40 Prozent weniger. Angesichts der Ernährungslage der Welt
können wir auf die Mittel nicht verzichten.“
Umweltverbände weisen darauf hin, das sich Pestizide in Boden, Luft und
Wasser anreichern. „48 Prozent unseres Grundwassers ist mit Pestiziden
belastet, Amphibien werden durch Pestizide direkt geschädigt und ehemals
häufige Vogelarten wie die Feldlerche finden in Ackerbauregionen nicht mehr
genügend Nahrung“, warnte der Naturschutzbund Nabu bereits 2009. Der
„Umweltbund“ versuchte im vergangenen Jahr, eine Region in Deutschland ohne
Pestizide zu finden – und scheiterte.
Gersteuer verweist dagegen auf „aufwändige Risikoprüfungen“ durch
Bundesbehörden: „Ja, Stoffe lassen sich nachweisen – aber die Gefahren sind
bewertet und die Mittel freigegeben worden.“ Insgesamt nehme die Menge an
Pestiziden, die die Bauern ausbringen, seit Jahren ab.
Während die Pläne des Ministeriums zum Pestizid-Einsatz noch nicht
abgeschlossen sind, haben einige Landwirte Ärger mit einer anderen
Anweisung aus Kiel, die aber nicht aus Habecks Haus, sondern vom
Verkehrsministerium stammt: Überbreite Mähdrescher dürften am Wochenende
keine Bundesstraßen mehr benutzen.
Betroffen sind bisher nur die Landwirte, deren Genehmigung für die
Großgeräte erneuert werden muss, aber die Zunft ist in Aufregung. „Es kann
nicht sein, dass Freizeittouren an den Strand wichtiger sind als die
Versorgung mit Lebensmitteln“, sagt Gersteuer. Auch die oppositionelle CDU
schaltet sich ein und beklagt die „Gängelei“: Das Verbot müsse
schnellstmöglich zurückgenommen werden. Die FDP nennt die Einschränkungen
während der Erntezeit absurd.
Das Ministerium kontert: Es gehe nicht um eine Schikane, sondern rein um
die Verkehrssicherheit. Landmaschinen über 3,50 Meter Breite könnten nicht
überholt werden, daher sollten die Bauern auf Nebenwegen zu ihren Feldern
fahren. Das sei manchmal unmöglich, wendet der Bauernverband ein.
In der Verbandszentrale in Rendsburg treffen sich die Bauern am heutigen
Dienstag zur Beratung. Gegen die Knick-Verordnung will der Verband
juristisch vorgehen, generell seien auch „demonstrative Maßnahmen“ gegen
Kieler Anweisungen denkbar.
Wie es aussieht, wenn Bauern auf die Straßen gehen, war 2004 zu sehen:
Damals protestierten Landwirte mit Mähdreschern und brennenden Strohballen
gegen die Pläne des Umweltministeriums, große Teile der Halbinsel
Eiderstedt unter Naturschutz zu stellen. Der Minister, der eine von den
Vorgängerregierungen nicht beachtete EU-Richtlinie durchsetzen wollte, hieß
Klaus Müller. Er hat, wie Habeck, ein grünes Parteibuch.
23 Jul 2013
## AUTOREN
Esther Geisslinger
## TAGS
Landwirtschaft
Lebensmittel
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