# taz.de -- Der Fortsetzungsroman: Kapitel 13: Das Fleisch ist schwach | |
> Was bisher geschah: Leena lässt Rohrstock und Peitsche links liegen und | |
> flieht erstmal in ganz andere fleischliche Genüsse. | |
Bild: Ein Steak ist eben ein Steak und keine gepresste, gebratene Sojabohnenpas… | |
In der Pfanne brutzelten saftige Steaks, das Fett troff aus den Seiten, ein | |
würziger Duft füllte die Küche ihrer Eltern. Eigentlich müsste Leena | |
schlecht werden. Vor mittlerweile fünf Jahren hatte sie sich alles | |
Animalische verboten – erst den Fleischkonsum, dann sämtliche tierische | |
Produkte, und schließlich … egal. | |
Fakt war, dass ihr beim Blick in die Pfanne speiübel werden müsste, aber | |
alles, was sie empfand, war Gier. Gier, die sich zu echter Lust steigerte, | |
als das erste Stück Fleisch auf ihrer Zunge lag. Erst danach, auf der | |
Terrasse, einen überraschenden Cognac in der Hand, schaltete sich ihr | |
Bewusstsein ein. „Es ist ja nicht nur, weil ein Tier für mich gestorben | |
ist“, jammerte sie. „Es ist, weil es mir so gut schmeckt!“ | |
Ihre Mutter, die Leenas überraschende Bitte nach fleischlichen Genüssen zum | |
Anlass für ein spontanes Familientreffen genommen hatte, sah Leenas Vater | |
an, ihren Bruder, ihre Schwester. Kollektives Seufzen. „Leena“, begann ihr | |
Vater. „Wir sind Menschen. Wir sind Tiere. Fressen und –“ | |
„Aber ich hab es ja nicht mal selbst getötet!“ Ihre Geschwister verdrehten | |
die Augen. „Und ich könnte es auch nicht! Wie kann es mir dann …“, ihre | |
Stimme kiekste, „… schmecken?“ | |
„Halt einfach die Klappe!“ Ihr Bruder strich sich die Haare über der Stirn | |
zu einer Tolle. „Iss es oder lass es, aber nerv uns verdammt noch mal nicht | |
mit deinen Gewissensbissen.“ | |
Ihre Schwester prostete ihm zustimmend zu. „Du kannst einfach nicht | |
genießen“, sagte sie in Leenas Richtung. „Konntest du nie. Du bist eine | |
Prinzessin, die keine sein will. Kein Wunder, dass es kein Mensch länger | |
mit dir aushält!“ | |
Vor fünfundzwanzig Jahren hätte Leena getrotzt: „Im Gegensatz zu dir muss | |
ich meine Freunde nicht mit Süßigkeiten bestechen, damit sie bei mir | |
bleiben.“ | |
Vor dreizehn Jahren: „Euer Hedonismus kotzt mich an!“ | |
Vor vier Wochen: „Was hat das Essen einer Leiche mit Genuss zu tun?“ | |
An diesem Abend aber kam ihr der vage Gedanke, dass die Diagnose ihrer | |
Schwester dem Bulls Eye recht nahekam. Autsch, dachte Leena. Autsch. | |
Halb, um es ihrer Schwester zu beweisen, halb, weil Pandoras Büchse | |
geöffnet war, gab sie sich in den folgenden Tagen der Fleischeslust hin, | |
schwelgte in Serranoschinken, grillte Lammkoteletts, briet Bratwürste und | |
dämpfte Lachstücke. Ihr Geschmackssinn taumelte vor Glück. Ihr Gewissen lag | |
geknebelt in einer Ecke ihres Hirns. Erst vier Tage später gelang es ihm, | |
den Knebel auszuspucken und Leena ihrem Exmitbewohner Kay vor die Füße zu | |
werfen. Sie beichtete. | |
„Du isst also Fleisch, obwohl du nicht willst?“, fragte Kay und sah sie | |
nachdenklich an. | |
„Ein Teil von mir will es“, stellte Leena richtig. „Sehr. Es ist … | |
orgiastisch!“ Sie spürte ein intensives Kribbeln im Bauch. | |
„Orgiastisch“, wiederholte Kay und zog die Augenbrauen hoch. | |
„Ja. Orgiastisch. Tofu und Saitan und Tempeh machen keine solchen Dinge mit | |
mir“, rechtfertigte sich Leena. „Und außerdem ist ein Steak eben ein Steak | |
und keine gepresste, gebratene Sojabohnenpaste.“ | |
Kay lachte und nahm ihre Hand. | |
Eine gute Stunde später saßen Leena, Kay und DIE LUST in einem schicken | |
veganen Restaurant in einer Seitenstraße in Mitte. Die Bedienungen trugen | |
lange Schürzen und weiße Hemden. DIE LUST, gelangweilt, aber nicht völlig | |
desinteressiert, ließ sich von Leena mit kleinen Häppchen Eiersalat | |
füttern. | |
„Dieser Eiersalat ist der Hammer“, stöhnte Leena. „Bist du sicher, dass … | |
kein Ei …?“ | |
„Ganz sicher“, sagte Kay. „Was dein Gehirn für Ei hält, sind Nudeln – | |
verkochte, um genau zu sein.“ | |
„Hartweizennudeln, möchte ich wetten!“ DIE LUST spuckte eifreie | |
Eierstückchen auf die Tischdecke. „Verdammt, du langweilst mich noch zu | |
Tode!“ | |
„Na, das wär doch die perfekte Lösung“, zischte Leena zurück. „Dann w�… | |
dich endlich los!“ | |
„Was?“, fragte Kay. | |
„Es ist fantastisch!“, sagte Leena. | |
Kay triumphierte. „Sag ich doch: Alles eine Frage der Zubereitung.“ | |
DIE LUST schlug sich die Hand vor die Stirn und verschwand. Leena lächelte. | |
Später, vorm Schlafengehen, ließ sie die Köstlichkeiten noch einmal Revue | |
passieren. Marinierter Tofu. Veganes Cordon-Bleu. Veganer Käse mit | |
Tomatenmarmelade. Schokoladenmousse. Und dieser Eiersalat! Im Wegdösen sah | |
sie durch ihre halbgeschlossenen Augenlider DIE LUST neben ihrem Bett | |
stehen. „Jackpot“, nuschelte Leena. | |
„Mach dich nicht lächerlich!“ | |
„Absolut! Das war eine Zehn.“ | |
„Eine Zehn?“, höhnte DIE LUST. „Jackpot? Ha! Ich werd dir zeigen, was ei… | |
Zehn ist!“ | |
26 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Tania Witte | |
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Fortsetzungsroman Lust. Ausgerechnet | |
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