# taz.de -- Der Fortsetzungsroman: Folge 18: Gaga | |
> Was bisher geschah: Auf ihrer Suche nach der Lust entdeckt Leena die | |
> Wonnen der Kontaktimprovisation und des Dreistreifenfetischismus. | |
Bild: „Ich bin Gaga“, sagte das Wesen. | |
„Wow!“, wiederholte Leena und stieß DER LUST aufgeregt den Ellbogen in die | |
Seite. Paralysiert starrten beide auf das Wesen am anderen Ende der | |
Tanzfläche, in dessen Kontur sich das Licht brach. „Es ist eine | |
Riesendiskokugel“, flüsterte Leena. „Nur dass sie nicht rund ist!“ | |
„Unsinn!“ Die Stimme DER LUST wurde vor Aufregung ganz schrill. „Das ist | |
keine Diskokugel. Das ist …“ Leena ließ sie stehen, breitete die Arme aus | |
und segelte auf den wummernden Beats über den Floor. Als sie eben ihre Arme | |
um die Kreatur schlingen wollte, riss sie etwas zurück. Schneller als sie | |
schreien konnte, lag sie auf dem Bauch, die Hände auf dem Rücken verknotet. | |
Zeitgleich tasteten mindestens vier Hände ihren Körper ab – auf eine Art, | |
die nicht mal Leena als tantrisch oder glücksbringend verorten konnte. „Do | |
not touch the Lady!“, grunzte eine Stimme in ihr Ohr, dann wurde sie wieder | |
auf die Füße gestellt und der Spuk war vorbei. | |
Leena rieb sich die Schulter. Das Wesen, das offenbar sehr kostbar war, | |
stand neben ihr. Es war tatsächlich keine Diskokugel. Das tausendfach | |
zurückgeworfene Licht entsprang einem langen Kleid voller Spiegelscherben | |
und warf bunte Flecken auf die Gesichter der Umstehenden. Es kostete Leena | |
immense Mühe, nicht jeden Fleck einzeln mit dem Finger zu bespielen. | |
„Schickes Outfit!“, sagte sie stattdessen. | |
Das Wesen murmelte ein höfliches Dankeschön auf Englisch. „Die Bodyguards | |
machen nur ihren Job“, erklärte es dann. „Sie haben schon zu viele Monster | |
durchdrehen sehen.“ | |
„Monster?“, echote Leena. DIE LUST gestikulierte wild, ihr Mund klappte auf | |
und zu, aber Leena verstand kein Wort von dem, was sie schrie. „Ich bin | |
nicht durchgedreht“, sagte sie stattdessen. „Ich bin auf Ecstasy.“ | |
Das Spiegelwesen nickte verständnisvoll. Sein Blick glitt über die | |
Tanzenden. „Willst du ein Autogramm?“ | |
Ein Autogramm?, dachte Leena. Von einer Diskokugel? | |
„Das ist keine Diskokugel!“ Endlich gelang es DER LUST, die Musik zu | |
überschreien. „Das ist …“ Der DJ drehte auf. Leena bewunderte die | |
Bewegungen der irisierenden Lichtflecke auf ihren Armen. „Och nö“, | |
erwiderte sie schließlich. | |
Das Wesen wandte sich ihr zu und Leena sah die Traurigkeit. „Wenn du | |
möchtest, kannst du mir gerne eins geben“, bot sie schnell an. Das Wesen | |
winkte ab. Es schien eine Entscheidung getroffen zu haben. | |
„Ich bin Gaga“, sagte es. | |
„Macht ja nichts“, antwortete Leena. „Ich bin auch ein bisschen durch.“… | |
Gegenüber sah trotz des Glitzerfummels und der überdimensionierten Perücke | |
verloren aus, seine Haut war fahl im Laserlicht. Neben ihm auf dem Boden | |
standen die höchsten Plateauschuhe, die Leena je gesehen hatte. Ihr armen | |
Füße, dachte sie. Ihr armen, armen Füße. (Der Teil von ihr, der ihr hätte | |
erklären können, dass diese aufwallende Liebe ausschließlich dem Ecstasy zu | |
verdanken war, war längst zu Bett gegangen.) | |
„Die Schuhe sind krass“, befand Leena. „Trägst du die, weil du so klein | |
bist?“ | |
DIE LUST schlug sich die Hände vor die Augen. Das Spiegelwesen blieb | |
gelassen. „Ich hab italienische Vorfahren“, antwortete es, als würde das | |
irgendetwas erklären. | |
„Aha“, sagte Leena. „Meine kommen aus Schweden.“ | |
„Dafür bist du aber auch nicht gerade groß.“ | |
Leena nickte. Das Wesen streckte die linke Hand, Handfläche nach oben, zur | |
Seite. Leena zögerte kurz, dann hob sie ihre rechte, um abzuklatschen, als | |
aus dem Hintergrund ein Mensch stob und eine Tasse samt Untertasse auf den | |
erwartungsvollen Handteller stellte. | |
„Oh!“, jubelte Leena, die ungenutzte Hand noch in der Luft. „Tee! Ich lie… | |
Tee!“ | |
„PG Tips. Schwarz. Ich bin süchtig danach.“ | |
„PeeGeeTips?“, wiederholte Leena. „Nie gehört!“ | |
Das Wesen musterte sie überrascht. Dann schnippte es mit den Fingern. In | |
weniger als einer Minute hatte auch Leena eine Tasse aus weißem Porzellan | |
mit Goldrand in der Hand. Sie nahm einen Schluck. Perfekt temperiertes | |
Glück breitete sich aus. Sie hatte genug Liebe für die ganzen tausend | |
Menschen, die um sie herum feierten. Allemal genug für ein Spiegelwesen. | |
Sie nahm es an den Händen. „Lass uns tanzen.“ | |
Das Wesen entzog sich. „Ehrlich gesagt“, gestand es, „kotzt es mich an. Es | |
ist nett hier, aber ist das wirklich Berlin? Könnte es nicht auch New York, | |
London, Paris sein? Bangkok oder Los Angeles?“ | |
Interessanter Gedanke, fand Leena, aber ihr Enthusiasmus verbot jeglichen | |
Tiefgang. Sie protestierte: „London vielleicht, aber Paris? Oder die USA? | |
Nie im Leben! Das hier ist einzigartig! Kannste überall nachlesen.“ | |
„Ich weiß, ich weiß. Die Darkrooms …“, seufzte das Wesen. „Ich langwe… | |
mich trotzdem.“ Dann machte es einen Vorschlag. | |
6 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Tania Witte | |
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