# taz.de -- Der Fortsetzungsroman: Kapitel 7: U7 | |
> Was bisher geschah: Lust bedeutet Lachen, sagte die Bedienung aus Leenas | |
> Lieblingscafé. Also macht Leena sich auf den Weg zum Lachclub Rixdorf. | |
Bild: Fahrradreifen platt, also U-Bahn fahren. | |
Es war voll. Voll und warm und stickig. Leena hielt sich, den Ärmel ihres | |
Shirts über die Hand gezogen, an der keimverseuchten Mittelstange fest und | |
atmete ein, was andere Leute ausatmeten. Sie verwünschte den Idioten, der | |
das Ventil ihres Rades herausgeschraubt und sie in die U-Bahn genötigt | |
hatte. | |
Immerhin war sie gut vorbereitet. Ehe sie sich zum Besuch im Lachclub | |
aufgemacht hatte, hatte Leena mit der Clubleiterin telefoniert. Die pries | |
begeistert die Vorzüge des Lachens und schwärmte von der massenweisen | |
Ausschüttung der „legalen Drogen“ Endorphin, Dopamin, Oxytocin und | |
Serotonin. Leena hatte Wissenschaft gewittert und das Netz bemüht: | |
Endorphin überdeckt Schmerzen. Dopamin wird ausgeschüttet, wenn ein Mensch | |
eine wichtige Belohnung zu erwarten hat. Oxytocin stimuliert das Gefühl, | |
das wir „Vertrauen“ nennen. Der Serotoninspiegel steigt, wenn ein Mensch | |
sich überlegen fühlt. | |
Über das Lachen hatte sie in diesem Zusammenhang nichts gelesen. Nur über | |
Glück. Ob sie das in Rixdorf finden würde? In dieser U-Bahn auf dem Weg | |
dorthin ortete Leena jedenfalls wenig davon. Außer vielleicht bei dem Mann | |
in den Dreißigern, der die eingeätzten Tags in den Scheiben der Mitteltür | |
betrachtete und dabei dümmlich strahlte. Verliebt, diagnostizierte Leena | |
und seufzte. | |
„Hältst du mich eigentlich für blöd?“, fragte eine Stimme über ihr. Lee… | |
sah hoch. DIE LUST baumelte kopfüber von einer der Haltestangen. Ihre Arme | |
hingen nur wenige Zentimeter vor dem Gesicht einer alten Dame mit | |
onduliertem Haar, die das Wesen über sich nicht zu bemerken schien. | |
„Ich ... äh ... Hä?“, stotterte Leena. Ein Seitenblick ergab, dass niemand | |
in diesem Wagon DER LUST Aufmerksamkeit schenkte. Was nahelegte, dass nur | |
Leena sie wahrnehmen konnte. Scheiße!, dachte Leena und: Psychiater. | |
„Was willst du hier?“, flüsterte sie stattdessen. | |
DIE LUST machte eine Riesenfelge, für die sich die Wagendecke nach oben | |
auszudehnen schien. | |
„Dir auf die Sprünge helfen!“ | |
Sie legte eine Abfolge von Flugelementen hin, die Fabian Hambüchen alle | |
Ehre gemacht hätten. Mit einem abschließenden Mondsalto landete sie auf | |
Leenas Schultern. | |
„Lachclub!“, zischte sie, nicht im Mindesten atemlos. „Willst du mich | |
verarschen?“ | |
Leena versuchte, sie von ihren Schultern zu schütteln. Die ondulierte Dame | |
sah ihrem Gehampel interessiert zu. Leena gab das Zappeln auf und zerrte | |
stattdessen unauffällig, aber nachdrücklich am Fuß DER LUST. | |
„Wieso? Lachen stand doch auf der Liste!“, verteidigte sie sich. | |
„Stimmt!“, bestätigte DIE LUST. „Warum tust du’s dann nicht einfach?“ | |
Unvermutet kniffen sie zwei Hände von hinten in die Seiten. Leenas | |
überraschtes Quieken hallte im Waggon. Drei Kinder aus der benachbarten | |
Sitzecke starrten sie ungeniert an. | |
„Lass das!“ Leena schlug DIE LUST weg. Die lachte hämisch und kitzelte | |
Leenas Rippenbögen hoch und runter. Leena prustete los. Die Fahrgäste | |
verlagerten ihre Aufmerksamkeit vom Berliner Fenster zu dem lautstarken | |
Duo, dessen eine Hälfte unsichtbar war. Die sichtbare Hälfte bemühte sich | |
um ein entschuldigendes Lächeln, bis ein Pusten in ihren Bauchnabel ihr | |
einen Strich durch die Rechnung machte. Leena schnappte nach Luft. | |
Dopa-, Oxyto- und die anderen „ine“ feixten. Leena kämpfte gegen die Wärme | |
in ihrem Bauch, drehte sich ungelenk um ihre eigene Achse, um DIE LUST | |
auszumachen, und konnte nicht aufhören zu kichern. Zwei Teenager auf der | |
Bank neben ihr kicherten mit. Oder über. Es war egal. | |
Als DIE LUST ihre Fußsohlen malträtierte, fiel Leena der ondulierten Dame | |
fast in den Schoß. „Sorry“, gackerte sie. „Ich kann nichts dagegen …�… | |
Dame nickte mitleidig. | |
„Die Arme“, wisperte sie verschwörerisch in das Ohr des türkischen Vaters, | |
dessen Kinder mittlerweile auf die Sitzbänke geklettert waren und Leena mit | |
offenen Mündern anstarrten. „Sie sah so … normal aus.“ | |
DIE LUST piekste Leena in die Rippen – von innen. Kreischend floh sie den | |
Gang entlang. Die Blicke folgten ihr. In der Mitte des Wagens zwang der | |
Lachkrampf sie in die Knie. Die Teenager kicherten immer lauter. Selbst der | |
verliebte Mann wandte seine Aufmerksamkeit vom Nirgendwo ab und hin zu der | |
Frau, die neben ihm nach Luft rang. Er betrachtete sie nachdenklich. | |
Schließlich entschleierte sich sein Blick. „Flashmob“, sagte er | |
triumphierend. | |
„Genau. Das hab ich doch schon mal im Internet gesehen.“ Er hielt nach | |
einer Kamera Ausschau. Als er keine entdeckte, zückte er sein Smartphone. | |
„Bitte nicht“, keuchte Leena und spürte, wie die körpereigenen Drogen die | |
Kontrolle übernahmen. | |
„Cheese!“, sagte DIE LUST und drehte Leenas Kopf zur Kamera | |
14 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Tania Witte | |
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