# taz.de -- Hormone in Kosmetika: Sonnencreme mit Nebenwirkung | |
> Hormonell wirksame Stoffe in Kosmetika sind für viele Störungen | |
> verantwortlich. Ihnen aus dem Weg zu gehen, ist nicht leicht. | |
Bild: Wahrscheinlich, dass er sich auch hormonaktive Stoffe auf die Haut schmie… | |
Warum gibt es überhaupt hormonell wirksame Stoffe in Produkten? | |
Die Bandbreite für den Einsatz ist groß: Sie sollen konservieren, die | |
UV-Strahlung filtern, Haare färben oder geschmeidiger werden lassen und die | |
Haut weich machen – und docken dabei im Körper an den gleichen Rezeptoren | |
an wie Hormone. Die große Bandbreite an Einsatzzwecken führt einerseits | |
dazu, dass man ihnen kaum komplett aus dem Weg gehen kann. Andererseits | |
heißt es, zumindest bei Kosmetikprodukten: Es findet sich immer ein | |
Fabrikat, das ohne sie auskommt. | |
Warum sind sie problematisch? | |
Unfruchtbarkeit, Krebs, Konzentrationsstörungen, Fettleibigkeit – | |
hormonaktive Substanzen sollen für ziemlich viele Störungen | |
mitverantwortlich sein. Nicht alles davon ist belegt und Wissenschaftler | |
streiten sich, welche Mengen für wen kritisch sind. Grundsätzlich haben | |
Untersuchungen aber etwa bei Methylparaben und Bisphenol A gezeigt, dass | |
die Substanzen wie Hormone wirken können. Methylparaben ist ein beliebtes | |
Konservierungsmittel für Kosmetika, Bisphenol A findet sich häufig in | |
Plastikgegenständen, aber auch in der Beschichtung von Konservendosen oder | |
Thermopapieren, wie sie bei Fahrkarten verwendet werden. Das | |
Umweltbundesamt rät zur Vorsorge – vermeiden, wo es geht. | |
Sollten wir uns nicht mehr Sorgen über Feinstaub in der Luft, Dioxine in | |
Eiern und Antibiotika in Fleisch machen als um Parabene in Kosmetika? | |
Wer sich ein paarmal täglich mit Flüssigseife wäscht, auf deren Liste von | |
Inhaltsstoffen Boric Acid steht, wird sicher nicht gleich an Hodenkrebs | |
erkranken. Aber neben der Masse der unterschiedlichen Produkte gibt es | |
Gruppen, die als besonders gefährdet gelten. Babys und Kleinkinder etwa und | |
Schwangere. Eine Studie der Umweltschutzorganisation BUND, die über 62.000 | |
Kosmetika untersucht hatte, fand alleinein 9 Prozent der Babyshampoos | |
hormonell wirksame Substanzen. Ansonsten ist es mit diesen Bestandteilen | |
tatsächlich wie mit Antibiotika in Fleisch: Die Hersteller könnten es | |
vermeiden, wenn sie sich ein bisschen Mühe geben würden. | |
Warum nehmen die Hersteller sie dann nicht raus? | |
Die Firmen argumentieren, dass die Substanzen gut verträglich seien. Manche | |
der Stoffe sind zudem das Herzstück eines Produktes. Eine Sonnencreme ohne | |
UV-Filter ergibt nicht viel Sinn – der Hersteller müsste einen anderen, | |
beispielsweise einen mineralischen Filter einsetzen und damit ein komplett | |
anderes Produkt komponieren. Bei Konservierungsstoffen wäre es einfacher, | |
da gibt es mehr Alternativen. Das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik | |
und Verpackung hat etwa eine Folie entwickelt, die damit verpackte | |
Lebensmittel durch Sorbinsäure schützen soll. Diese ist auch als | |
Zusatzstoff in Lebensmitteln zugelassen. Doch ändert ein Kosmetikhersteller | |
eine Komponente eines Produkts, muss er in der Regel auch an den anderen | |
Zutaten drehen und die gesamte Formel überarbeiten – daran hängen wiederum | |
eine Menge Entwicklungsschritte und damit: Geld. | |
Wie hoch ist das Risiko, dass betroffene Produkte in meinem Kosmetikregal | |
stehen? | |
Der BUND fand insgesamt in einem Drittel der untersuchten Produkte | |
hormonell wirksame Substanzen. Angesichts dessen, dass Frauen einer Studie | |
der Environmental Working Group aus dem Jahr 2004 zufolge täglich 12 | |
Produkte mit insgesamt 168 Inhaltsstoffen und Männer täglich 6 Produkte mit | |
85 Inhaltsstoffen nutzen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass die ein oder | |
andere hormonell wirksame Substanz dabei ist, ziemlich hoch. In der Branche | |
geht man sogar davon aus, dass 6 beziehungsweise 12 Produkte eher zu | |
niedrig gegriffen sind. Denn wer nur morgens Seife, Duschgel, Shampoo, | |
Rasierschaum, Deo, Zahnpasta und Creme nutzt, ist bereits bei 7. Und da | |
sind Sonnencreme oder Make-up noch gar nicht dabei. | |
Gibt es denn keine Grenzwerte? | |
Doch, die gibt es. So dürfen etwa Methyl- und Ethylparaben je höchstens 0,4 | |
Prozent eines Produktes ausmachen. Das Problem bei diesen Grenzwerten ist, | |
dass sie produktbezogen sind. Da es in der täglichen Anwendung aber kaum | |
bei einem Produkt bleibt – und weitere Quellen wie Plastikgegenstände und | |
Lebensmittel dazukommen –, erhöht sich auch die Zufuhr von Schadstoffen. | |
Gibt es schon Verbote? | |
Frankreich und Schweden haben Bisphenol A in Verpackungen von | |
Kinderlebensmitteln verboten, Schweden debattiert sogar ein komplettes | |
Verbot. Dänemark hat vor zwei Jahren Parabene in Kosmetikprodukten | |
untersagt, die für Kinder unter drei Jahren gedacht sind – es geht also | |
auch ohne. Die EU konnte sich bislang nur zu einem Minischritt durchringen: | |
Sie hat 2011 Bisphenol-A-haltige Babyflaschen verboten. | |
Wie kann ich mich schützen? | |
Sprays vermeiden, denn da können die Stoffe direkt in die Lunge gelangen, | |
und Naturkosmetik nutzen, das empfiehlt der BUND. Wenn es der Geldbeutel | |
hergibt. Zumal in Naturkosmetik häufig Alkohol zum Konservieren eingesetzt | |
wird, den verträgt nicht jeder auf der Haut. Wer ganz sichergehen will, | |
muss die Inhaltsstoffe mit Listen der kritischen Substanzen vergleichen. | |
Etwas einfacher macht das die diese Woche vom BUND vorgestellte App ToxFox | |
– doch schon bei Produkten aus dem Ausland muss sie passen. Noch | |
schwieriger ist es bei Bisphenol A: Auf Konservendosen muss gar nicht | |
draufstehen, ob sie damit beschichtet sind. Es ist also eindeutig die | |
Politik in der Pflicht. | |
27 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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Schwerpunkt Bayer AG | |
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