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# taz.de -- Gemüsekonzert in Berlin: Aus der Ferne brüllt der Rettich
> Ein Krautrockstück auf Grünkohl und ein Lauch als Basedrum: In Berlin
> bringt „The Vegetable Orchestra“ Karotten, Kürbisse und Melonen zum
> Klingen.
Bild: Gemüse schmeckt nicht nur gut, es kann auch schön klingen.
BERLIN taz | Während andere Bands für den Soundcheck eine halbe Stunde vor
Konzertbeginn auf die Bühne kommen, sind die MusikerInnen von The Vegetable
Orchestra seit den frühen Morgenstunden auf den Beinen. Erst suchen sie
einen gut sortierten Wochenmarkt, um ihre Instrumente zu kaufen.
Dann bauen, schnitzen und kleben sie aus Rettichen, Wassermelonen,
Kürbissen und Möhren in aufwändiger Produktion ihre Instrumente. Vor jedem
Konzert aufs Neue. Die Möhrenflöte schrumpelt schließlich und die Melone
wird nach dem Konzert gegessen.
Es war also ein langer Tag für die zehn MusikerInnen vom Wiener
Gemüseorchester, als sie am Freitagabend die Bühne im Radialsystem
betreten. Anlass ist das „Blasmusik! Festival für Holz, Blech und Gemüse“,
das an drei Tagen die musikalische Vielfalt dieser Musikrichtung und seiner
Instrumente feiert.
Und bevor die etwa 170 ZuschauerInnen genau verstehen, was passiert und vor
allem, wie, stimmt das Orchester, bestehend aus je fünf Männern und Frauen,
auf ihren Gemüseinstrumenten eine rasante Eigenkomposition an. Darin spielt
der Wasserrati, ein langer, mit Wasser gefüllter Rettich, die Hauptrolle.
## Es gurgelt, quietscht, blubbert und pfeift
Der Musiker, der auf ihm spielt, gurgelt, quietscht, blubbert und pfeift,
als hätte er nicht ein, sondern fünf Instrumente. Und klingt damit wie eine
Mischung aus pfeifendem Wasserkocher, Didgeridoo und einem Kind, das im
Schwimmbad zu viel Wasser geschluckt hat. Gelächter im Publikum.
Ein anderer Musiker drischt mit zwei Karotten auf einen mit Mikrofonen
verkabelten Kürbis ein und sorgt für satten Bass. Die ZuschauerInnen wippen
der drückenden Hitze zum Trotz auf ihren Stühlen.
Vor jedem Stück stellen die MusikerInnen ihre Instrumente vor und erzählen
eine kurze Geschichte. Neben dem Wasserrettich werden aus Möhren
geschnitzte Piccoloflöten, ein Waldhorn aus gebogenem Wurzelgemüse und
Bohnenhülsen als Plattenspielernadeln eingesetzt. Der Einfallsreichtum der
MusikerInnen scheint grenzenlos, die Vielfalt ihrer Stücke ist
beeindruckend.
Auf ein Gamelan-Lied folgt jamaikanischer Dub, und Minimal Techno wechselt
sich ab mit einer Hommage an Strawinskys „Le Sacre de Printemps“, von den
Gemüsekünstlern in „Le Massacre de Printemps“ umgetauft. Den Höhepunkt d…
Konzerts bildet ein Krautrockstück, bei dem vier Musiker auf, richtig,
Grünkohl jammen.
## Wer braucht da noch Gitarren!
Sie haben dabei den Kreis verlassen, in dem die Band sitzt, stehen am
Bühnenrand und rupfen ihre mit Mikrofonen versehenen Kohlköpfe headbangend
auseinander. Der Sound ist ohrenbetäubend, es sind The Clash in der
gemüsigen Version. Am Ende werden die zerfransten Kohlköpfe theatralisch an
den Monitoren zerschlagen. Wer braucht da noch Gitarren!
Ob die Band manchmal Lust bekommt, herzhaft in ihre Instrumente zu beißen?
In einem Stück, das The Vegetable Orchestra eigens für das
Blasmusik-Festival komponiert hat, setzt es sich mit den Traditionen der
Musikrichtung auseinander. Und plötzlich steht man im Kuhstall, kämpft
gegen sirrende Stechmücken (Zucchini) und furzende Kühe (Karotte). Aus der
Ferne brüllt der Ochse (Rettich) und kleine Kätzchen maunzen (Lauch).
Spätestens wenn die Petersilie raumfüllend raschelt und ein Lauchblatt die
Bassdrum ersetzt, weiß man, dass hier ein guter Sounddesigner am Werk ist.
Und als wäre es an diesem Abend nicht heiß genug, gibt’s am Ende
selbstgemachte Suppe, eine Freundin der MusikerInnen hat sie während des
Konzerts gekocht. Natürlich aus Gemüse.
29 Jul 2013
## AUTOREN
Anne-Sophie Balzer
## TAGS
Berlin
Gemüse
Konzert
Berghain
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„Vegetable Orchestra“: Zum Beat der Möhren
Das Vegetable Orchestra trommelt auf Selleriebongos und raschelt mit
Petersilie. Wie das klingt? Wie Regentropfen oder Vinyl. Lecker ist es
auch.
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