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# taz.de -- Abfall in der Kreislaufwirtschaft: Lenkung? Abgelehnt!
> Das neue Programm der Bundesregierung zur Abfallvermeidung hat keine
> klaren Ziele. Zusätzliche Abgaben sind umstritten.
Bild: Wohin mit dem Zeug? Abfall vermeiden ist kein Selbstläufer, sagen Expert…
BERLIN taz | Mit dieser Entscheidung könnte die Bundesregierung die
deutsche Wirtschaft umkrempeln: Am heutigen Mittwoch will sie im Kabinett
ein Abfallvermeidungsprogramm verabschieden. Ziel ist, das
Wirtschaftswachstum von schädlichen Auswirkungen des Abfalls zu entkoppeln.
Weniger Müll zu produzieren ist demnach kein Selbstzweck, sondern nur
sinnvoll, wenn dadurch Mensch und Natur geschont werden. Immer kleinere
Elektrogeräte hinterlassen zum Beispiel weniger Elektroschrott. Dieser
könnte aber aufgrund der für die Schrumpfung nötigen Materialien besonders
giftig sein. Ein weiteres Beispiel: Die abfallvermeidende Weiternutzung
alter Geräte kann einen deutlich höheren Energieverbrauch zur Folge haben.
Um in diesem Sinne Abfall zu vermeiden, formuliert das Umweltministerium
Ziele, etwa Stoffe in Produktionsanlagen in Kreisläufe zu führen oder ein
Konsumverhalten zu fördern, das auf den Erwerb von abfall- und
schadstoffarmen Produkten gerichtet ist. Das Programm sei im Großen und
Ganzen sinnvoll, sagt Günther Dehoust vom Freiburger Öko-Institut. Aber
letztlich reduziere man Abfall vor allem dann effektiv, wenn man den
Einsatz neuer Rohstoffe teurer mache als den Erhalt alter. „Heute belastet
der Staat die Arbeitszeit mit Steuern und Sozialleistungen“, so der
Abfallexperte. Er müsse aber den Verbrauch von Ressourcen teuer machen –
„damit sich Reparieren lohnt“.
Eine solche Lenkung lehnt die Bundesregierung ab: „Die Erhebung von
Steuern/Abgaben auf Produkte als Maßnahme der Abfallvermeidung wird
grundsätzlich nicht empfohlen“, heißt es.
Hingegen empfiehlt die Bundesregierung den Kommunen, Reparaturwerkstätten
und Gebrauchtwarenmärkte zu unterstützen. Wie sie dies tun könnten, bleibt
im Ungefähren. „Es gibt überhaupt kein Geld, um diese Empfehlungen auch
umzusetzen“, kritisiert Gudrun Pinn vom Berliner Bundesverband für
Umweltberatung. Und auch keine konkreten Vorgaben, um welche Mengen das
Abfallaufkommen gesenkt werden solle. „Das Potpourri von Möglichkeiten
kennen wir seit 20 Jahren“, so Pinn, „aber Abfallvermeidung läuft nicht von
allein“.
## Vorbild in Flandern
In Belgien haben sich rund hundert Unternehmen aus der Secondhandwirtschaft
zusammengeschlossen. Unter dem Markennamen „De Kringwinkel“ und mit
staatlicher Unterstützung betreiben sie Läden und Reparaturwerkstätten.
„Hier ist ein funktionierender Gebrauchtwarenmarkt entstanden“, sagt
Dehoust. „Die Verbraucher wissen, dass sie hier zum Beispiel gebrauchte
Waschmaschinen bekommen, die teilweise besser sind als billige Neuware aus
dem Elektronikmarkt.“ Ergebnis: In Flandern werden je nach Produktgruppe 5
bis 20 Prozent der Elektrogeräte wieder verwertet, in Deutschland sind es
0,5 Prozent.
Der Gesetzgeber setze hierzulande die falschen Rahmenbedingungen, teilte
der Verein Reuse-Computer in seiner Stellungnahme zum
Abfallvermeidungsprogramm mit. So sei es rechtlich problematisch, wenn
Unternehmen Altgeräte von Privatpersonen zur Aufarbeitung oder Zerlegung
als Dienstleistung zurücknehmen wollten. „Das wäre ein äußerst geeignetes
Handlungsfeld für ein Abfallvermeidungsprogramm“, heißt es in der
Stellungnahme.
Und auch der Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) hat
Ideen: Es sei nicht nachvollziehbar, warum das Recycling aus der
Abfallvermeidung ausgeschlossen sei, sagt Sprecher Ronald Philipp, es habe
doch abfallvermeidende Implikationen. Ein Beispiel seien die Gemüsekisten
aus Recyclingkunststoff von Aldi-Süd, produziert und gemanagt von der
Recyclingfirma Interseroh. „Neue Vorschriften oder Abgaben brauchen wir
aber nicht“, sagt Philipp, nur gute Bedingungen für die Wirtschaft.
Diese drängt das Programm wohl nicht zur Kreislaufwirtschaft. Dazu wären
„konkrete Maßnahmen wie Pfandsysteme auf Elektrogeräte nötig oder
weitgehende gesetzliche Ansprüche auf Langlebigkeit von Produkten“, sagt
die umweltpolitische Sprecherin der Linken, Eva Bulling-Schröter. In dem
Regierungsprogramm seien keine Lenkungswirkungen erkennbar.
30 Jul 2013
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
## TAGS
Kreislaufwirtschaftsgesetz
Konsum
Produktion
Elektroschrott
Handy
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Rohstoffe
Kreislaufwirtschaftsgesetz
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