# taz.de -- 65 Jahre Ehe und Eiserne Hochzeit: Lebenslange Liebe | |
> Viele wollen sie, nur wenige kriegen sie hin: die Ehe auf Dauer. Ohne | |
> Eifersucht und mit Vertrauen ist sie möglich, sagen Margarete und Ingolf | |
> Marks. | |
Bild: Wo gibt's denn sowas noch auf Dauer? | |
Der einzige Mann, den ich auf der Stelle geheiratet hätte, wenn er mich | |
gefragt hätte, hat mich nie gefragt. Er war Künstler und das Leben unsagbar | |
leicht mit ihm. Wilde Feste, Paris, ein Haus auf dem Land. Große Gefühle | |
und ein Kind, das nicht zur Welt kommen sollte. | |
Irgendwann waren die Feste vorbei, und das Geld wurde knapp, aus | |
Leichtigkeit wurde Schwermut. Die großen Gefühle schlichen sich davon, und | |
wir begannen, uns zu verraten. Heiraten wollte ich nie wieder. | |
Wozu auch? Die klassische Ehe hat sich überlebt, man kann heute lieben und | |
leben, wen und wie man will. Und dieses „… bis dass der Tod euch scheidet�… | |
so wie das kürzlich die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche | |
in Deutschland und zu Lebzeiten geschiedene Margot Käßmann forderte – wo | |
gibt’s das denn noch? | |
Bei Margarete und Ingolf Marks zum Beispiel. Wenn jemand was von der | |
lebenslangen Ehe versteht, dann die beiden. Sie haben in Katlenburg, wo sie | |
wohnen, gerade Eiserne Hochzeit gefeiert. Das sind 65 Jahre Ehe, 65 Jahre | |
eng zusammen sein. 65 Jahre „durch dick und dünn gehen“, wie das Ingolf | |
Marks sagt. | |
## Wenn sie redet, schweigt er | |
Margarete Marks, blond und fröhlich, und Ingolf Marks, weißhaarig und | |
spitzbübisch, sitzen auf der Terrasse ihres Hauses und lächeln sich an. | |
Wenn sie redet, schweigt er. Wenn er Wasser möchte, holt sie welches. Seit | |
seiner Herzoperation im Winter muss er auf sich aufpassen. Seine Frau sagt: | |
„Ich passe mit auf.“ | |
Von den rund zwanzig Millionen Ehepaaren in Deutschland feiern zehn | |
Millionen nach 25 Ehejahren Silberhochzeit, eine Million kriegt es bis zur | |
Goldenen Hochzeit hin, 50 Ehejahre. Nur etwa 10.000 Paare schaffen es – so | |
wie die Marksens – bis zur Eisernen Hochzeit. Sei es, dass sie vorher | |
sterben oder sich trennen. Noch weniger Ehen zählen die Statistiker bei der | |
Steinernen Hochzeit, 70 Ehejahre, und bei der Diamentenen mit 75 Jahren. | |
Margarete Marks, 85, wird von allen nur Gretel genannt. Sie zeigt ihr | |
„Eisernes“-Festkleid, ein Dreiteiler in Lila und Weiß, extra gekauft. „D… | |
kann ich auch später noch anziehen“, sagt sie. Als sie ihren Mann | |
geheiratet hat, war sie arm wie eine Kirchenmaus. Es war Nachkriegszeit, | |
Margarete 20 und eine Vertriebene. Das Brautkleid borgte sie sich, statt | |
Blumen gab es Tannenzweige. Ingolf Marks, damals 21, trug einen Zylinder, | |
geliehen von seinem Vater. | |
Wer heute heiratet, gibt durchschnittlich 5.300 Euro für die Feiern aus, | |
manche legen 10.000 Euro hin. Inzwischen geht der Trend zur Öko-Hochzeit: | |
vegetarisches Essen statt Spanferkel, Torten mit Früchten der Saison und | |
keine Cremetürme mit E-Stoffen, Bioseidenkleid statt Kunststoffschleier. Es | |
heißt, wer seine Hochzeit aufwendig feiert, hält länger durch. | |
## Keine Liebe auf den ersten Blick | |
„Wir hatten den festen Willen zusammenzubleiben“, sagt Ingolf Marks. Seit | |
sie ein Paar sind, gehen sie Hand in Hand spazieren. „Früher wurden wir | |
dafür komisch angeschaut“, sagt Ingolf Marks: „Das machte man nicht.“ | |
Es war keine Liebe auf den ersten Blick. „Am Anfang fand ich ihn richtig | |
doof“, sagt Margarete Marks: „Frech und ruppig.“ Er hatte ihren damaligen | |
Freund beim Baden ins Wasser geschmissen. Ingolf Marks sagt: „Ich wollte an | |
sie ran, dafür musste der Freund weg.“ Hat funktioniert. | |
Seitdem halten die beiden zusammen und improvisieren ihr Leben. Sie hatten | |
keine Wohnung und wohnten bei seinen Eltern. Sie hatten kein Geld, dafür | |
einen Schrebergarten. Sie gingen kaum ins Kino und sangen zu Hause mit | |
ihren drei Kindern. Jetzt haben sie viele Enkel und Urenkel, eine Katze und | |
die Gewissheit, die sich viele nicht vorstellen können: gemeinsam bis ans | |
Lebensende. | |
Viele Jahre führten sie eine Fernbeziehung. Margarete Marks arbeitete als | |
Verkäuferin im Ort, Ingolf Marks war Schienenschweißer und fast immer auf | |
Montage. Am Wochenende gab es viel nachzuholen. „Die knappe Zeit war zu | |
schade für Streite“, sagt Ingolf Marks. Und wenn es doch dazu kam, | |
beispielsweise wegen der Kinder? „Wir sind nie zu Bett gegangen, ohne uns | |
versöhnen“, sagt Margarete Marks. | |
## Offenheit und Vertrauen | |
So eine Fernbeziehung, da muss es doch Seitensprünge geben, Affären? | |
„Brauchten wir nicht“, versichert Ingolf Marks. „Er hat mir nie etwas | |
erzählt“, sagt seine Frau. Wenn sie früher „auf dem Saal“ waren, haben | |
beide den ganzen Abend mit anderen getanzt. Und sind Arm in Arm nach Hause | |
gegangen. | |
„Am Anfang unserer Ehe haben wir uns Offenheit und Vertrauen geschworen“, | |
sagt er. „Das haben wir eingehalten“, versichert sie. Eifersucht? „Darf m… | |
einfach nicht haben“, sagt er. Ein Rezept, eine Bedienungsanleitung, wie | |
man das hinkriegt mit dem lebenslangen Verständnis füreinander, so was | |
haben die beiden nicht. Stattdessen sagt Ingolf Marks: „Eigentlich ist es | |
ganz einfach: Wir sind nie auf den Gedanken gekommen, uns zu trennen.“ Sie | |
sagt: „Ich war immer zufrieden mit dem, was ich hatte.“ | |
Klingt banal und wenig überzeugend. Aber vielleicht liegt das Geheimnis | |
genau in dieser Schlichtheit. Vielleicht kann man einfach nicht erklären, | |
warum es bei manchen klappt und bei vielen nicht. | |
In Ecuador gibt es ein Dorf, in dem fast alle Bewohner über einhundert | |
Jahre alt sind. Die halbe Welt fragt sich, warum die Frauen und Männer so | |
alt werden, und das, obwohl sie rauchen, trinken, sich ungesund ernähren. | |
Die Hundertjährigen sagen, dass sie einfach glücklich seien mit dem, was | |
sie haben. | |
6 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
## TAGS | |
Liebe | |
Seitensprung | |
Ehe | |
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