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# taz.de -- US-Diplomatie vermittelt in Ägypten: Aktivismus aus Washington
> Zwei US-Senatoren und der Vizeaußenminister sollen in Kairo Wogen
> glätten. Die USA wollen die Milliardenhilfe für Ägypten nicht einfrieren,
> um ihren Einfluss zu behalten.
Bild: „John, bitte sag nicht nochmal das Wort 'Putsch' - denk an unsere Kampf…
WASHINGTON taz | Erst wirkten die USA angesichts der Eskalation in Ägypten
wie gelähmt. Nun eilten gleich drei Spitzendiplomaten nach Kairo, um die
Wogen zu glätten. US-Vizeaußenminister William Burns suchte den
Top-Funktionär der Muslimbruderschaft, Chairat al-Schater, im Gefängnis
auf.
Die konservativen Senatoren John McCain und Lindsay Graham reisten am
Montag nach, um im Auftrag von Präsident Barack Obama zu vermitteln. Sie
wollen sich am Dienstag mit Interimspräsident Adli Mansour,
Verteidigungsminister Abdel Fattah al-Sisis und Auenminister Nabil Fahmy
treffen. „Das ägyptische Militär muss die Kontrolle schnellst möglich an
die Zivilbevölkerung, an zivile Organisationen abgeben,“ sagte Graham.
„Das Militär kann das Land nicht führen. Wir brauchen demokratische Wahlen.
Die Muslimbrüderschaft muss weg von der Straße und zurück in die politische
Arena. Dort müssen die Differenzen ausgetragen werden, und Ägypten muss
wieder ins Laufen kommen. Wenn es so weitergeht, wird das ein Failed State.
Deshalb sind wir hier.“
In ihrer Beurteilung der Lage in Ägypten scheint die US-Politik dennoch
dialektisch unschlüssig. Ende letzter Woche war Außenminister John Kerry
mit der Aussage vorangesprescht, das Militär habe mit dem Sturz des
islamistischen Präsidenten Muhammad Mursi „die Demokratie
wiederhergestellt“ – eine bis dahin nicht gehörte Aussage aus Washington.
Das Wort „Putsch“ meidet die Regierung in Washington penibel. Zu groß ist
die Angst vor der unweigerlichen Konsequenz: Stopp der US-Milliardenhilfe
für Ägyptens Militär.
„Es war ein Putsch“, erklärte einzig der konservative Senator McCain in
einer TV-Talkshow. „Zögernd denke ich allmählich, dass wir unsere Hilfe
aussetzen sollten, bis es (in Ägypten; d.Red) eine Verfassung und freie,
faire Wahlen gibt.“ Doch McCains Ruf verhallte in Washington. „Das ist
scheinheilig“, meint Mohamed Elmenshawy vom Nahost-Institut in Washington.
Die USA fürchteten um ihren Handlungsspielraum, wenn sie den Geldhahn
zudrehten. „Denn die Gegenleistungen, die sie von Ägypten für ihre
Militärhilfe bekommen, sind bedeutend.“ Senator Graham sagte jetzt in
Kairo: „Ich will die Unterstützung am Laufen halten. Aber das muss mit dem
Verständnis einhergehen, dass Ägypten sich Richtung Demokratie bewegt,
nicht in Richtung Militärdiktatur.“
## Der Putsch, der keiner sein darf
1,3 Milliarden Dollar fließen laut US-Kongress jährlich in die ägyptische
Verteidigungskasse - angeblich gut verzinst angelegt bei der Federal
Reserve Bank in New York. Seit dem 1979 geschlossenen Friedensplan zwischen
Israel und Ägypten ist Kairo der zweitgrößte Empfänger von
US-Auslandshilfe. Damit wäre Schluss, wenn die US-Regierung offen von einem
Militärputsch sprechen würde. Ein Gesetz von 1961 verbietet nämlich die
Hilfe an die Regierung jedes Landes, „dessen ordnungsgemäß gewählter
Staatschef durch einen Militärputsch abgesetzt wird.“
„Die USA können sich nicht vorstellen, ihre Vorteile für demokratische
Werte zu opfern“, so Elmenshawy. „Vor allem können sie nicht riskieren, in
dieser instabilen Region den Rückhalt des ägyptischen Militärs zu
verlieren.“ In Gefahr sei unter anderem die Vorfahrt für USA-Kriegsschiffe
im Suezkanal sowie die Überflugrechte für die USA-Luftwaffe, von denen
monatlich mindestens 100 erteilt würden. Aus diesen Gründen sei schon
angesichts offenkundiger Menschenrechtsverletzungen die US-Finanzhilfe
nicht gekappt worden, meint Elmenshawy.
Der Geldtransfer birgt einen weiteren Vorteil für die USA: Das Geld kommt
wieder zurück. Zwei Drittel der Hilfe gibt Kairo nämlich für Waffenkäufe
und Zubehör in den USA aus. Die Rüstungsfirma Lockhead Martin lieferte in
den vergangenen zehn Jahren Kriegsgeräte im Wert von 3,8 Milliarden Dollar
an das ägyptische Militär. Auch Panzer, Fregatten, Kampfjets und
Apache-Hubschrauber sind dort „made in USA“. Selbst wenn die Spender als
Antwort auf die Gewalt in Kairo derzeit vier F16-Kampfjets zurückhalten.
## Stabilität Ägyptens ist wichtig für die Region
Auch israelische Sicherheitsinteressen spielen nach Ansicht von Experten
eine große Rolle für den Eiertanz in Washington. Die Stabilität Ägyptens
sei enorm wichtig für den Nahen Osten, daher würden die USA alles tun, um
sie herzustellen, erklärte Vermittler Graham, der wie McCain dem
Streitkräfteausschuss des Senats angehört: „Ohne Ägypten wäre Israel von
zunehmend radikalen Staaten umzingelt“, so Graham.
Seit dem Sturz von Präsident Mohammed Mursi haben sich die Aktivitäten
militanter Islamisten und krimineller Banden im Norden und Zentrum des
Sinai intensiviert. Es wird befürchtet, dass Ägypten seine Patrouillen
verringern könnte, wenn es keine Militärhilfe mehr aus den USA gibt. Das
wiederum könnte sich nach Sorge einiger auf die gerade von den USA
angeschobenen Nahost-Vermittlungsgespräche auswirken.
Doch die Direktorin des Saban Center für Nahostpolitik am Brookings
Institut, Tamara Cofman Wittes, denkt anders. „Wenn du alles nur machst, um
die Beziehungen zu retten, dann unterwandert es das, was du eigentlich
erreichen willst“, sagte sie der New York Times. „Ich denke, es wird immer
klarer, dass wir nicht beides haben können.
6 Aug 2013
## AUTOREN
Antje Passenheim
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