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# taz.de -- Tainer in Paraguay über Länderspiel: „Die Stasi war immer in de…
> Vor dem Länderspiel der DFB-Auswahl gegen Paraguay spricht der Exprofi
> Jürgen Pahl über Exzesse im Fußballbusiness, Uli Hoeneß und die WM 2014.
Bild: Jubelnder Torwart bei der Frankfurter Eintracht: Jürgen Pahl (l.), Mitte…
taz: Herr Pahl, Sie leben seit 15 Jahren in Paraguay und haben dort unter
anderem als Fußballtrainer gearbeitet?
Jürgen Pahl: Ja, es war eine sehr erfolgreiche Zeit für mich. Mit meiner
Mannschaft Deportivo Independencia gelang mir in der Liga, von der Klasse
her vergleichbar mit der deutschen Oberliga, einmal eine Serie von 58 nicht
verlorenen Spielen.
Wie schätzen Sie die Entwicklung des Fußballs in Paraguay ein?
Es gibt einen Rückschlag durch das Ausscheiden in der WM-Qualifikation.
Aber das nimmt man hier gelassen. Die Jugendförderung läuft auf recht
niedrigem Niveau, außer bei einigen Erstligavereinen, die sehr
professionell arbeiten. Deshalb war es auch eine große Leistung der
Albirroja, dass sie sich von 1998 bis 2010 für jede WM qualifiziert hatte.
Paraguay ist ein Land mit fünf Millionen Einwohnern und einer relativ
bescheidenen Fußball-Infrastruktur ohne Leistungszentren. Und dann mussten
die Spieler neben Meisterschaft und Pokal 22 Qualifikationsspiele in der
Südamerika-Gruppe mit allen Topteams bestreiten. Das ist schon
anstrengender als das Pensum der DFB-Auswahl gegen teilweise zweitklassige
Mannschaften.
Vor der WM 2006 schrieben Sie in einem taz-Sonderheft, dass die Fußballer
in Paraguay nicht so verdorben seien, weil es einfach weniger zu verdienen
gibt. Gilt das noch?
Oh ja. Man kann halt nicht so große Sprünge machen, wenn man nicht so viel
verdient. In der Zweiten Liga bekommt ein Spieler umgerechnet vielleicht
250 Euro im Monat und bei Erstligavereinen 300 bis 2.000 Euro. Bei solchen
Summen bekommt niemand einen Spleen und verliert die Relationen.
Ihr Artikel sorgte seinerzeit für große Resonanz, weil Sie nicht nur die
Verdorbenheit der Profifußballbranche kritisierten, sondern die
profitorientierte westliche Gesellschaft als Ganzes. Wie sehen Sie das
heute?
Die Auswüchse sind eher noch schlimmer geworden: 50 Millionen und mehr für
einen Fußballer. Wofür eigentlich?! Jeder, der einigermaßen normal denkt,
kann darüber nur den Kopf schütteln. Es ist aber der Zeitgeist, und der ist
nicht immer gesund. Das gilt auch für andere Bereiche. Seit 2006 ist doch
alles verrückter geworden, Finanzkrise, Eurokrise. Es scheint ja nur noch
Krisen zu geben. Wir leben in einer Zeit der absoluten Übertreibungen. Und
die Verlogenheit in der Gesellschaft ist ja nicht geringer geworden, wenn
man sieht, wie die ehrlichen Steuerzahler für die Gier und das bewusste
Missmanagement der Banken bluten müssen. Die Reichen müssen ihre Mauern
immer höher bauen – was für ein trauriges Leben.
Das Leben von Uli Hoeneß erscheint momentan auch sehr traurig.
Ja, habe ich auch gelesen. Die Frage ist doch, wozu braucht man noch ein
heimliches Vermögen, wenn man schon ein riesiges offizielles Vermögen hat.
Ich hätte ihn klüger eingeschätzt. Er hat ja auch vielen ehemaligen
Sportlern geholfen, auch meinem Freund Norbert Nachtweih, der vor seinem
Wechsel von Frankfurt zu den Bayern finanziell ruiniert wurde. Andererseits
schreien jetzt viele auf, die selbst im Glashaus sitzen und diese Zockerei
betreiben, die die Gesellschaft in den Abgrund führt.
Nachdem Sie 1976 mit Norbert Nachtweih aus der DDR geflohen waren, konnten
Sie bei Eintracht Frankfurt Karriere machen. Waren Sie damals schon so
kritisch gegenüber dem Kapitalismus eingestellt?
Im Gegenteil, ich war ein echter Anhänger des Systems, ein Fan von Helmut
Kohl und überzeugter CDU-Wähler. Als gut verdienender Profi habe ich
ordentlich gefeiert und im Monopoly mitgemacht, bis ich das erste Mal
richtig auf die Nase fiel. Ich hatte gemeinsam mit anderen
Eintracht-Spielern viel Geld in ein Bauherrenmodell gesteckt. Wir sind mit
sehr unlauteren Mitteln vorsätzlich geschädigt worden, was einige fast oder
ganz ruiniert hat.
Gab es zwischen den aus der DDR geflohenen Fußballern in der Bundesliga
eine Verbindung?
Norbert und ich waren die ersten, die den Sprung gewagt hatten. Wir halfen
auch einigen nach uns Geflohenen und führten sie bei der Eintracht ein. Zu
Jörg Berger hatten wir ein besonderes Verhältnis. Wir hatten ihn aus dem
Flüchtlingslager in Gießen abgeholt, und er machte mit uns seine ersten
Schritte bei der Eintracht. Wir Ossis haben uns insofern als sehr dankbar
erwiesen, als wir für den Verein sehr profitabel wurden. Norbert und ich
haben nach unserer Ankunft gleich dazu beigetragen, den Uefa-Cup und den
DFB-Pokal zu gewinnen. Und Norbert ist dann ja noch für 900.000 Mark an die
Bayern verkauft worden. Die Investition in uns beide hatte sich für die
Eintracht auf 60.000 Mark belaufen.
Hatten Sie eigentlich Angst, dass die Stasi Sie aufs Korn nehmen könnte?
Die Stasi war immer in meiner Nähe, sogar in unserem Lokal in Frankfurt, wo
wir Spieler uns immer trafen. Das weiß ich aus meiner Stasiakte. Mir sind
auch Dinge widerfahren, bei denen ich letztlich Glück hatte. Aber das ist
ein sehr langes Thema.
2014 findet in Brasilien die WM statt. Werden Sie vor Ort sein?
Obwohl ich mich in Brasilien gut auskenne und mein ältester Sohn dort
geboren ist, werde ich die WM vorm Fernseher verfolgen. Das Turnier wird
für skrupellose Geschäftemacherei genutzt, und die zu erwartenden Unruhen
tun ihr Übriges. Es wird sicher wieder ein Riesenaufgebot der Polizei
geben, um sie zu stoppen. Ich kümmere mich lieber um meine kleine
Fußballschule, die ich gerade auf größere Beine stellen will, um auch
international aktiv zu werden.
Machen Sie die jungen Fußballer damit nicht letztlich fit für das von Ihnen
so kritisierte Profileben?
In meiner Fußball-Akademie mache ich die jungen Menschen fit fürs Leben und
entwickele natürlich ihr fußballerisches Können. Mit Fleiß und Willen kann
man sehr viel erreichen. Wenn es mal einer in den Profibereich schaffen
sollte, wird er sicher nicht abheben. Denn eines werde ich meinen
Fußballjungs immer vermitteln: Vergiss nie, woher du kommst!
14 Aug 2013
## AUTOREN
Gunnar Leue
## TAGS
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Trainer
Paraguay
Fußball
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