# taz.de -- DFB-Elf entäuscht gegen Paraguay: Mut zur Lücke | |
> Weil die Null nicht steht, gerät die Abwehrschwäche der Mannschaft von | |
> Jogi Löw erneut in den Fokus. Denn hinten herrschte erneut fatale | |
> Sorglosigkeit. | |
Bild: Auch beim dritten Gegentor sah die deutsche Defensive schlecht aus | |
KAISERSLAUTERN taz | Joachim Löw kann ein Ordnungsfanatiker sein. Die | |
Position der Wasserflasche direkt vor seiner Nase passte dem im lässig | |
geknöpften und hochgekrempelten Sommerhemd erschienenen Bundestrainer | |
jedenfalls am späten Mittwochabend ganz und gar nicht. | |
Und so hat er sie sanft neben die mit Cola und Apfelschorle gefüllten | |
Gefäße vor dem Mikrofon geschoben; erst danach mochte der 53-Jährige seine | |
Ausführungen über die nächste dilettantische Defensivleistung der deutschen | |
Nationalmannschaft beim 3:3 gegen Paraguay beginnen. | |
Auch Löw war ja nicht entgangen, dass seine Abwehrspieler auf dem Rasen des | |
Fritz-Walter-Stadions nicht annähernd so geschlossen positioniert waren wie | |
die Getränke auf dem Podium im Presseraum. „Wir hatten einige | |
Konzentrationsfehler, vor allem individuelle Fehler in der Abwehr“, | |
beklagte er eingangs, „das waren unnötige Gegentore und elementare Fehler.“ | |
Wohl wahr. | |
Wieder einmal taten sich erschreckende Löcher und Lücken auf. Und wieder | |
einmal kam ein Resultat heraus, das den Ausfall aller Sicherungssysteme | |
kennzeichnete. Ein 4:4 (gegen Schweden), 3:4 (in den USA) oder eben 3:3 | |
gelten heutzutage zuvörderst auch als Zeichen einer fatalen Sorglosigkeit. | |
„Wir waren nicht auf Höhe, was unser Defensivverhalten angeht“, schimpfte | |
Torwart Manuel Neuer, „vielleicht müssen wir erst wieder lernen, zu null zu | |
spielen.“ | |
Aber steht das auf dem Lehrplan? „Es ist wichtig, dass die komplette | |
Mannschaft im Defensivverhalten eine Grundidee hat“, merkte Verteidiger | |
Mats Hummels mit durchaus kritischem Unterton dieser Tage an – das hörte | |
sich nicht so an, als werde im Nationalteam dafür jene Akribie aufgewendet | |
wie im Vereinsalltag. Vielleicht rüffelte der Nationaltrainer auch deswegen | |
seinen Dortmunder Verteidiger beim ersten Gegentor direkt: „Wenn ein langer | |
Ball kommt, darf man sich den nicht in den Rücken spielen lassen – da | |
spekuliere ich nicht!“ | |
## Zwei Gegentore nach 13 Minuten | |
Löw hat vor der WM 2006 als Assistent von Jürgen Klinsmann den damaligen | |
Innenverteidigern Christoph Metzelder und Per Mertesacker in stundenlangem | |
Sondertraining im schweizerischen Genf einst das Einmaleins des | |
Abwehrspiels erläutert. Wäre gut, wenn solche Extraschichten vor dem | |
Brasilien-Trip wiederholt würden. Denn ansonsten lässt die bedingte | |
Abwehrbereitschaft den schönen Traum vom WM-Titel 2014 zerplatzen: Zwei | |
Gegentore nach 13 Minuten gab es zuletzt 1939 bei einem 4:4 gegen | |
Böhmen-Mähren; neun Gegentreffer setzte es in Länderspielen gegen Paraguay, | |
USA und Ecuador – exakt 1,66 im Schnitt in den vergangenen zwölf | |
Länderspielen. | |
Und doch scherzte Kapitän Philipp Lahm auf die Frage, ob nicht eine | |
defensivere Spielweise erforderlich sei: „Genau, dann spielen wir so wie | |
Griechenland bei der EM.“ Und Löw versicherte gleich, zu den | |
WM-Qualifikationsspielen gegen Österreich (6. September) und die Färöer | |
Inseln (10. September) solle sich niemand sorgen. „Das wird in dem Maße | |
nicht so weitergehen. Wir werden die Mannschaft mit Sicherheit noch | |
stabilisieren.“ | |
Einen Tag zuvor hatte Joachim Löw seine Liebeserklärung an das offensive | |
Spiel erneuert und davon geschwärmt, wie sehr er das Risiko liebe. Schon | |
als Aktiver kannte der langhaarige Freigeist auf dem Feld meist nur eine | |
Richtung. Sehr zum Leidwesen der aktuellen Abwehrspieler. „Wir müssen auch | |
mal lernen, uns fallen zu lassen, und uns nicht immer gezwungen sehen, so | |
hoch zu stehen. Da fehlt uns noch die Balance“, merkte der gewiss nicht | |
souveräne Mertesacker an, der genau dasselbe Dilemma unter Thomas Schaaf | |
bei Werder Bremen jahrelang ertrug. | |
## Wankelmütiger Mats | |
Wie Ergebnis und Erlebnis in Einklang zu bringen sind, beweisen die | |
Spanier, die zur Not sogar schnöde 1:0-Erfolge auf Abruf parat haben – | |
keiner der spanischen Kleinkünstler, der nicht großartige Arbeit gegen den | |
Ball verrichtet. | |
In der deutschen Elite macht sich bei gegnerischem Ballbesitz phasenweise | |
so viel Nachlässigkeit breit, dass die dann zu langsamen (Mertesacker), | |
unkonzentrierten (Schmelzer) oder wankelmütigen Verteidiger (Hummels) | |
denkbar schlecht aussehen. Löw glaubt nicht, dass „geniale Offensivspieler | |
wie Mesut Özil, Marco Reus oder Mario Götze“ zur Balljagd taugen. „Sie | |
werden in Deutschland anders geschult. Da sind die Spanier weiter als wir.“ | |
Und deshalb auch Welt- und Europameister. | |
15 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Frank Hellmann | |
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