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# taz.de -- Frauenquote für französische Kultur: Jagd auf die Sesselkleber
> In französischen Theatern oder Museen sitzen kaum Frauen auf den
> Chefposten. Da soll nun – trotz Protest – gegengesteuert werden.
Bild: Frau oder Mann? Man weiß es nicht. In den Chefetagen der großen Theater…
PARIS taz | Hört die Gleichberechtigung an den heiligen Schwellen des
Kulturbetriebs auf? Ein Bericht des französischen Senats bestätigte vor
Kurzem, dass die Frauen auf Führungsposten in den staatlich
subventionierten Theatern, Balletten, Konzertsälen, Museen und auch in der
Filmproduktion hoffnungslos in der Unterzahl sind. Fast 90 Prozent der
Staatsbühnen werden von Männern geleitet, nur gerade 3 Prozent der
Konzertsäle haben Direktorinnen.
Zwar steht an der Spitze der altehrwürdigen Comédie Française mit Muriel
Mayette eine Frau. Sie bleibt in einem Meer aus männlicher Dominanz die
Ausnahme, genau wie unter den Dirigentinnen großer Ensembles Laurence
Equilbey mit ihrem Insula Orchestra.
Seit Jahren protestieren Mitglieder des Frauenkollektivs La Barbe mit
angeklebten Bärten auf Theater- und Opernbühnen gegen diesen Missstand bei
den Intendantenposten. Beim letzten Theaterfestival in Avignon hatte der
Berufsverband der KomponistInnen und AutorInnen auf den bedauernswerten
Zustand aufmerksam gemacht und eine Broschüre verteilt mit dem Titel
„Theater, Konzert, Ballett: Wo sind die Frauen?“
An solche Aktionen anknüpfend meint die Delegation für die Frauenrechte im
Senat, es gehe nicht allein um den Kampf gegen Diskriminierung, sondern um
eine Form von Zensur: Wer Frauen den Zugang zu Chefposten verwehre,
verweigere zugleich dem Publikum den Zugang „zu einer Kulturproduktion aus
anderer Perspektive“.
## Zäher Widerstand
Der Senatsbericht rennt nun aber keine offenen Türen ein. Ganz im
Gegenteil: Die elementare Forderung nach Gleichberechtigung provoziert in
den Männerbastionen auf den Chefetagen so empörten wie hartnäckigen
Widerstand.
Zu spüren bekam dies etwa Kulturministerin Aurélie Filippetti, weil sie
mutig die Jagd auf die Platzhirsche eröffnet hat. Mit der Berufung einiger
Frauen auf Chefposten will sie für ein erstes Gegengewicht sorgen. Damit
statuiert sie zugleich ein Exempel, weil sie die seit 2002 laufenden
Verträge der amtierenden Theaterdirektoren in Nizza und Nanterre, Daniel
Benoin und Jean-Louis Martinelli, nicht verlängert hat.
Auch im Pariser Musée Guimet für asiatische Kunst hat nun anstelle des
umstrittenen Olivier de Bernon die ehemalige Louvre-Verantwortliche für
Islamische Kunst, Sophie Makariou, das Sagen.
Das sei blinde und „dogmatische Quotenpolitik“, konterte sogleich
Filippettis Vorgänger, Frédéric Mitterrand. Er warf ihr vor, sie kenne den
Theaterbetrieb nur von außen. Der Schauspieler Philippe Caubère hält eine
Paritätsregel in der Kunst für absurd und politisch „heuchlerisch“, weil
diese im Fall der Ministerin bloß dazu diene, eine drastische Verminderung
der Kulturfördergelder zu kaschieren. Und das war nur der Auftakt zu
gehässigen, mit latent frauenfeindlichen Akzenten durchsetzten Bemerkungen.
Damit suggeriert der Schauspieler, den Kandidatinnen fehle es im Vergleich
zu den etablierten Kollegen an Begabung oder Erfahrung. Und so würde im
Namen der Frauenrechte die Qualität des Kulturbetriebs nach unten
geschraubt.
## Angst vor den Frauen
Caubères Polemik forderte die junge Frauenministerin und
Regierungssprecherin Najat Vallaud-Belkacem zu einer Entgegnung in
Libération heraus: „Wer hat Angst vor Frauen in der Kultur?“, fragt sie die
Sesselkleber.
Von den Gegnern der Parität möchte sie wissen, ob sie meinten, „seit jeher
seien Genie und Talent so ungleich zwischen den Geschlechtern verteilt“,
wie man(n) es angesichts fehlender Frauen in den Spitzenpositionen der
Kultur anzunehmen scheint.
Wahre Gleichberechtigung existiere indes erst, wenn Frauen und Männer
gleicherweise ihre Kompetenz oder Inkompetenz unter Beweis stellen können,
macht Ariane Mnouchkine vom Théâtre du Soleil geltend.
Egal, ob Frau oder Mann, der Regisseur Patrice Chéreau hält es aus Gründen
der Sozialhygiene für sinnvoll, nach zehn Jahren einen Chefposten
freiwillig zu räumen. Die Diskussion wird bei jeder Nominierung durch
Filippetti aktuell.
20 Aug 2013
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
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