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# taz.de -- Patrice Chéreau gestorben: Ein Humanist der Körper
> Er revolutionierte den Bayreuther „Ring“, sein Film „Intimacy“ zeigte
> ungefilterten Sex: Patrice Chéreau war einer der bedeutendsten Regisseure
> Europas.
Bild: „Seine Vitalität war bis zum Schluss außerordentlich“: Patrice Ché…
Patrice Chéreau, einer der renommiertesten Theater-, Opern- und
Filmregisseure Europas, ist tot. Nach Angaben seiner Angehörigen starb
Chéreau nach langer Krankheit am Montag im Alter von 68 Jahren. Noch im
Juli hatte seine Neuinszenierung der „Elektra“ von Richard Strauss beim
Festival im südfranzösischen Aix-en-Provence stürmischen Beifall bekommen.
Legendär ist sein „Ring“ für die Wagner-Festspiele in Bayreuth von 1976.
In seinem Büro im Pariser Stadtteil Marais verfügte Patrice Chéreau über
mehrere Tische, jeder einzelne davon war einem eigenen Vorhaben gewidmet.
Eine Aufteilung, die das Talent eines Regisseurs versinnbildlicht, der sich
sehr selbstverständlich durch mehrere Gattungen bewegt - Oper, Theater,
Kino, selbst Schauspielerei: Alles interessierte ihn, alles beherrschte er.
Das Theater ist der erste Ort, den der 1944 im westfranzösischen Lézigné
geborene Künstlersohn für sich entdeckt. Im Alter von nur 22 Jahren wird er
Direktor des Théâtre Sartrouville nahe Paris, dort begegnet er Richard
Peduzzi, der ihn als Bühnenbildner sein ganzes Leben lang begleiten wird.
Danach geht er zu Giorgio Strehler nach Mailand, 1974 dreht er seinen
ersten Film, „Das Fleisch der Orchidee“. Zwei Jahre später inszeniert er
den „Ring“ in Bayreuth. Chéreau verlegt das Geschehen ins Zeitalter der
Frühindustrialisierung, was zu Protestaktionen, ja Morddrohungen führt.
1980, vier Jahre später, wird er dafür frenetisch bejubelt.
## Körperintensiver Humanismus
Einen rauen, auf Körperintensitäten ausgerichteten Humanismus verfolgt
Chéreau auf der Bühne wie im Kino: In den 1980er-Jahren sorgen besonders
seine Bernard-Marie-Koltès-Inszenierungen in Paris-Nanterre für Aufsehen,
für Koltès' karge Poesie findet er die zwingendsten Bilder. Auch in seinen
Filmen erforscht er das Sinnliche und widersprüchliche Gefühlswelten,
beispielsweise im auf der Berlinale mit dem Goldenen Bären prämierten Drama
„Intimacy“. Der Naturalismus der Sexszenen stiftet 2001 einige Unruhe.
Sein größter Erfolg im Kino bleibt der Historienfilm „Die
Bartholomäusnacht“ mit Isabelle Adjani als Königin Margot und Jean-Hugues
Anglade als König Karl IX., dem am Ende buchstäblich das Blut aus allen
Poren dringt. In „Wer mich liebt, nimmt den Zug“, Chéreaus vielleicht
zugänglichstem Film, wird der Tod eines Malers zum Anlass für Begegnungen
und Konflikte einer Truppe von Trauernden.
Trotz seiner Krankheit blieb der Regisseur bis zuletzt arbeitsbesessen.
Noch im Juli feierte seine „Elektra“ von Richard Strauss in Aix-en-Provence
Premiere. Am Montag ist Patrice Chéreau im Alter von 68 Jahren an Krebs
gestorben.
8 Oct 2013
## AUTOREN
Dominik Kamalzadeh
## TAGS
Schwerpunkt Frankreich
Der Ring des Nibelungen
taz.gazete
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