# taz.de -- Protest gegen Frankfurter Flughafen: Rentner, Schlepper, Bauernfän… | |
> Alt, reich, viel Zeit – so beschreibt die konservative Stiftung | |
> Marktwirtschaft Frankfurter Flughafengegner. Umweltschützer reagieren | |
> empört. | |
Bild: Recht auf Ruhe: ohrenbetäubender Protestlärm der Gegner des Frankfurter… | |
BERLIN/FRANKFURT/M. taz | Alt, reich, misstrauisch – und dann auch noch zu | |
viel Zeit. Geht es nach den Erkenntnissen des Gießener Demokratieforschers | |
Eike-Christian Hornig, dann beschreiben diese Attribute die | |
Haupteigenschaften von Demonstrierenden am Frankfurter Flughafen. Diese | |
protestieren seit dem Bau der Landebahn Nordwest im Oktober 2011 fast jeden | |
Montag gegen zu viel Lärm und Umweltbelastung durch Europas drittgrößten | |
Airport. | |
Bei den Aktionen liege „nur eine begrenzte gesamtgesellschaftliche | |
Repräsentativität der Protestierenden vor“, sagte Hornig am Dienstag bei | |
der Vorstellung seines Gutachtens in Berlin. Zudem wiesen „die | |
Demonstranten deutliche Merkmale einer Misstrauensgesellschaft auf“. | |
Einer seiner Schlüsse: Weil viele der Flughafengegner Rentner und | |
Pensionäre seien, die nicht mehr auf Arbeitsplätze angewiesen sind, sei die | |
Bewegung unempfänglich für das Argument, dass der Airport neue Jobs | |
schaffe. „Die sogenannten Bürgerproteste kommen ja manchmal als die | |
Inkarnation der Demokratie daher. Das ist aber nicht so“, so Hornig. | |
Vielmehr machten ja vor allem ihr Wohlstand und ihr Bildung Bewegungen wie | |
die Flughafengegner durchsetzungsfähig – „und damit zu einem Ort | |
politischer Machtkonzentration, die auf Kosten anderer, schwächerer Bürger | |
gehen kann“. | |
In Auftrag gegeben wurde das Gutachten von der | |
konservativ-wirtschaftsliberalen Stiftung Marktwirtschaft, die im Juni an | |
zwei aufeinanderfolgenden Montagsdemos im Flughafen über den Dienstleister | |
Infratest Dimap Umfragebögen unter den Demonstrierenden verteilt hatte. | |
Konzipiert und ausgewertet hat die Bögen der Politologe Hornig. Die | |
Ergebnisse sind nicht repräsentativ. Bereits während der Erhebung war es zu | |
Reibereien mit Demonstranten gekommen. Nachdem sich zunächst einige hundert | |
Protestierende beteiligt hatten, schwand der Rücklauf im Verlauf der | |
Erhebung. | |
## „Schon aus den Fragebögen war eine Tendenz zu erkennen“ | |
„Das Ergebnis der Studie überrascht uns nicht. Schon aus dem Fragebogen war | |
eine Tendenz zur Diskreditierung unserer Bewegung zu erkennen“, sagt Thomas | |
Scheffler, Sprecher der Bürgerinitiativen gegen Fluglärm. Deshalb hätten | |
viele AktivistInnen zum Boykott aufgerufen. „Wir bezweifeln, dass überhaupt | |
noch eine ausreichende Zahl von Fragebögen zurückgeschickt wurde, um eine | |
seriöse Auswertung zu ermöglichen.“ Der Flughafenexperte der hessischen | |
Grünen, Frank Kaufmann, hält das Gutachten für „unter seriösen | |
wissenschaftlichen Ansprüchen vollkommen inakzeptabel“. | |
Den Gutachtenergebnissen widersprechen die Flughafenkritiker nicht | |
komplett. „Wir hegen Misstrauen, das stimmt. Aber dies gehört zur | |
Demokratie dazu. Außerdem ist unser Misstrauen sehr berechtigt“, sagt | |
Ingrid Kopp, Sprecherin der Bürgerinitiativen. „Gebrochene Versprechen | |
aller hessischen Regierungen der letzten Jahrzehnte“ seien dafür | |
verantwortlich. | |
Das Thema Repräsentativität sieht Kopp allerdings anders: „Wir sind sehr | |
wohl ein Querschnitt der Gesellschaft. Jeden Montag protestieren | |
Wohlhabende gemeinsam mit Finanzschwachen, Rentner mit Familien und | |
Arbeitslose mit Menschen, die am Flughafen arbeiten.“ | |
Besonders ärgert Kopp das Märchen von den vielen neuen Jobs: „Dies war | |
immer das Totschlagsargument der Ausbaubefürworter. Allerdings hegen wir | |
daran große Zweifel.“ Tatsächlich blieb am Versprechen des ehemaligen | |
Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU), durch den Bau der Landebahn Nordwest | |
würden 100.000 neue Arbeitsplätze entstehen, nach einer kritischen | |
Recherche nicht viel übrig: Die Prognosen zum angeblichen Jobmotor bestehen | |
großenteils aus fragwürdigen Statistiken sowie groben Schätzungen. Viele | |
der am Flughafen „neu“ entstandenen Arbeitsplätze wurden lediglich | |
verlagert, oft aus der Rhein-Main-Region. Die Passagierzahlen in Frankfurt | |
sind derzeit sogar rückläufig. | |
21 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
Timo Reuter | |
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