# taz.de -- Zeitschrift „Zenith“ über Kurdistan: Ein heikler Wunsch von 35… | |
> Die aktuelle Ausgabe von „Zenith“ widmet sich der Debatte um einen | |
> kurdischen Staat. Das hat sie zum Ziel türkischer Hacker gemacht. | |
Bild: Zehntausende Syrer sind vor dem Bürgerkrieg in den Irak geflohen – die… | |
Erdöl, Seen und Moscheen, dazu ein paar Kamele, die von links nach rechts | |
durch die Grafik spazieren. Das [1][Titelblatt der aktuellen Ausgabe von | |
Zenith] zeigt eine fiktive Landkarte, auf der sich Städte wie Diyarbakir, | |
Qamischli, Erbil und Kermanschah finden. Dazu die Frage: „Ist dieses Land | |
noch zu verhindern?“ Es handelt sich um ein mögliches Kurdistan, das sich | |
über die Grenzen der Länder Türkei, Syrien, Irak und Iran erstrecken würde. | |
Was auf dem Titelblatt ganz friedlich aussieht, ist in Wirklichkeit eine | |
heikle Angelegenheit – sowohl für die Kurden als auch für die Redakteure, | |
die inzwischen Anzeige erstattet haben. Keine zwei Tage nach der Vorschau | |
erschienen ein paar Herren im Redaktionsbüro, baten „sehr freundlich“, wie | |
Chefredakteur Daniel Gerlach betont, um ein Exemplar und fuhren | |
anschließend in einem Diplomatenwagen davon. | |
Hacker mit türkischen IP-Adressen griffen die Homepage an und türkische | |
Zeitungen beurteilten die Darstellung als „schockierend“. Wer umblättert, | |
liest seriöse Beiträge zu der berechtigten Frage nach der Zukunft der | |
Kurden. | |
Immerhin handelt es sich bei den 35 Millionen Menschen um das größte | |
staatenlose Volk im Nahen Osten. Aber wenn Sebahat Tuncel, Abgeordneter des | |
türkischen Parlaments, den Namen des PKK-Gründers Abdullah Öcalan mit einem | |
Ehrentitel kombiniert, fragt Journalist Özgür Uludag gleich kritisch nach. | |
Der Islamkundler Udo Steinbach erwähnt zwar, dass die derzeitigen Grenzen | |
ziemlich willkürlich von Briten und Franzosen gezogen wurden. | |
Einen kurdischen Staat kann er sich dennoch am ehesten als eine | |
„symbolische Anerkennung der Rechtmäßigkeit des historischen Anspruchs auf | |
eine eigene Identität als Volksgemeinschaft“ vorstellen, ähnlich wie es ein | |
autonomes Westjordanland für die Palästinenser wäre. | |
## Idealisierter Öcalan | |
Gut, dass die Zeitschrift bisher nicht zu verhindern ist, allein wegen der | |
Fotografien: Flaggen in Schwarz-Weiß, Jungen im Gegenlicht, Frauen in | |
Turnschuhen und mit Kalaschnikow, die ihre Checkpoints gegen die Armee | |
Assads und ihre Rechte gegen die Islamisten verteidigen. | |
Dass linke Ideologien unter den Kurden weit verbreitet sind, erklärt Zenith | |
in einem Kurzglossar von A bis Z. Das Alphabet beginnt bei Abdullah Öcalan, | |
der zwar selbst kein Kurdisch spricht, den seine Anhänger aber umso mehr | |
idealisieren, seit er in Isolationshaft sitzt. Vom Königreich Kurdistan bis | |
zum Kurdish Supreme Committee letztes Jahr gab es immer wieder Versuche, | |
einen kurdischen Staat zu gründen. | |
Aber: Im Iran waren die Kurden erst dem Schah und jetzt der | |
Schia-Konfession ausgesetzt – sie sind mehrheitlich sunnitischen Glaubens, | |
für Schiiten ist das ein Problem. Von der Organisation der irakischen | |
Kurden und den Rivalitäten innerhalb der Parteien berichtet der | |
Spitzenfunktionär der Demokratischen Partei, Kurdistan Abdelsalam Berwari, | |
in einem Interview. Und aus einem Artikel über das Tagebuch eines | |
vaterlandstreuen türkischen Offiziers mit sehr sauberem Gewissen erfährt | |
man von dem Krieg der PKK in der Türkei. | |
Das war’s dann auch schon zum Thema Kurden, ansonsten widmet sich die | |
Zeitschrift der Sicht der Salafisten auf den Arabischen Frühling, den | |
Milizen in Lybien und der Gewalt in Pakistan. Im Wirtschaftsteil geht es | |
etwa um Tee in der Türkei und um ein Big-Data-Frühwarnsystem, mit dem | |
Wissenschaftler Terroranschläge und Umstürze vorhersagen wollen. | |
Das könnte Erdogan interessieren, schließlich plant er außer dem | |
umstrittenen Einkaufszentrum eine Brücke über den Bosporus, eine | |
Riesenmoschee und den weltgrößten Flughafen. In diesem Punkt sind sich | |
Kurden und viele Türken einig: Beim Widerstand im Gezipark demonstrierten | |
sie gemeinsam gegen die Alleingänge des Präsidenten. | |
27 Aug 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.zenithonline.de/deutsch/aktuelles-heft/ | |
## AUTOREN | |
Catarina von Wedemeyer | |
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