# taz.de -- Die Wahrheit: Das mit dem Auto ist egal | |
> Drei Anläufe brauchte er damals für den Führerschein, und drei Autos fuhr | |
> er anschließend zu Schrott. Zur Freude seines Vaters. | |
Mit siebzehndreiviertel Jahren begann ich Fahrstunden zu nehmen, wie es | |
sich auf einem Dorf nun mal geziemt. Mit achtzehn fiel ich durch die | |
Führerscheinprüfung. Ich kann dem Fahrprüfer keine Vorwürfe machen. Er war | |
zwar ein ziemlich harter Hund, ein Pingelarsch, Pedant und Ex-Stuffz, aber | |
in meinem Fall gab es keine großen Entscheidungsspielräume. Ich fuhr über | |
eine rote Ampel. Das ist, was man unter Fahrprüfern eine „klare Sache“ | |
nennt. | |
Mein Vater war also vorgewarnt. Dennoch schenkte er mir, als ich nach dem | |
dritten Versuch die Pappe endlich mit nach Hause brachte, einen marsroten | |
Golf 1. Heute ein gesuchter Oldtimer. Genauso einen hatte mein Bruder | |
geschenkt bekommen. Und da der immer schon mein großes Vorbild war, tat ich | |
es ihm nach und fuhr die Karre zu Schrott. Anschließend gab es einen | |
weiteren Golf 1, in Silber. Auch der war bald kaputt. | |
Dann lief irgendwann das Modell 1 aus, und ich bekam den Golf 2. Der war | |
mir zu kommerziell, alles in allem zu rund und glatt, ohne Charakter. Mann, | |
war ich froh, als ich ihn schließlich gegen einen Zaun gesetzt hatte. Die | |
Reparatur hätte sich nicht mehr gelohnt. Aber das alles führt hier zu weit. | |
Ich will von dem Tag erzählen, an dem meine marsrote Golf-1-Rakete in die | |
Geschichte einging. | |
Ein sonniger Sommertag in den großen Ferien, wir kamen vom See, noch im | |
Vollgefühl des Triumphs, weil uns endlich eine dreistöckige | |
Menschenpyramide gelungen war. Ich schaute rechts, links und wieder rechts, | |
wie ich es gelernt hatte. Freie Fahrt für freie Bürger. Als ich gerade | |
dabei war, die Kreuzung mit nur geringfügig überhöhter Geschwindigkeit zu | |
überfahren, materialisierte sich dieser alte R4 mit dem verkifften | |
Mondscheinhippie da drin und wich selbstverständlich nicht aus oder | |
bremste, sondern hielt voll drauf auf mein Heck und gab mir einen Drall, | |
der den rotglänzenden Boliden nach anderthalbfacher Schraube ins Seitenaus | |
beförderte. | |
Die Freunde in den Autos hinter mir riefen kreidebleich einen Notarztwagen, | |
als ich dem Wrack entstieg. Aber es sah mal wieder schlimmer aus, als es | |
war. Das soll die Hebamme schon zu meiner Mutter gesagt haben. „Ach, es | |
sieht schlimmer aus, als es ist!“ Nur eine kleine Schnittverletzung auf der | |
Stirn, aber die mockerte ganz schön. | |
Man fuhr mich ins Krankenhaus. Mein freundlich Antlitz auf ewig entstellt. | |
Am Ende musste mir ein Stück aus dem Arsch geschnitten werden, um daraus | |
ein neues Wonnebäckchen zu modellieren. Die Freunde hatten mittlerweile | |
meine Eltern informiert. Und ein liebender, um die leibliche Unversehrtheit | |
seine Sohnes besorgter Vater ließ sich sogleich zur Unfallstation | |
durchstellen. Was ging wohl in ihm vor? Was hatte er für Ängste | |
ausgestanden? Was konnte nicht alles passiert sein? | |
Aber ach, wie war er erleichtert, als er meine fröhliche Stimme hörte. Und | |
er sagte die Sätze, die ich nie vergessen werde, weil sie mir ewig als | |
Unterpfand seiner Empathie und väterlichen Zuneigung dienen. „Du bist aber | |
auch zu dämlich. Hab ich nicht gesagt, du sollst aufpassen!“ | |
2 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Frank Schäfer | |
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