# taz.de -- Vor Energie-Volksentscheid: Senat unter Hochspannung | |
> Rot-Schwarz positioniert sich zum Volksentscheid - und legt zwei völlig | |
> unterschiedliche Entwürfe vor. Jetzt soll’s der Chef der Senatskanzlei | |
> richten. | |
Bild: Stört sich nur an Details des Volksbegehrens: Umweltsenator Michael Mül… | |
Rot-Schwarz oder Schwarz-Rot? Der heutige Dienstag wird neue Erkenntnisse | |
über das Wesen der Koalition aus SPD und CDU bringen. Denn nach dem | |
Abgeordnetenhaus wird nun der Senat seine Position zum | |
Energie-Volksentscheid am 3. November verabschieden, die alle | |
Wahlberechtigten mit einer Informationsbroschüre erhalten. | |
Zwei Entwürfe gibt es, sie liegen der taz vor und könnten unterschiedlicher | |
nicht sein: Zum einen stellt Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) mit | |
harschen Worten nicht nur den Gesetzentwurf des Energietischs, sondern | |
ebenso die Koalitionsvereinbarung zu Stromnetz-Rekommunalisierung und | |
Stadtwerksgründung in Frage. Zum anderen betont Umweltsenator Michael | |
Müller (SPD) die Übereinstimmung zwischen Senat und Energietisch bei genau | |
diesen Zielen – und lehnt den zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurf aus | |
Detailgründen ab. | |
## Die CDU setzt sich durch | |
Zwischen Februar und Juni hatte der Energietisch knapp 230.000 | |
Unterschriften für seinen Vorschlag gesammelt und damit einen | |
Volksentscheid erzwungen. Schon bei dessen Terminierung setzte sich die CDU | |
gegen die SPD durch: Auf Initiative von Innensenator Frank Henkel (CDU) | |
verzichtete der Senat auf die Zusammenlegung mit der Bundestagswahl und | |
setzte den 3. November fest – trotz Mehrkosten und erwartbar höherer | |
Bürgerbeteiligung. In der vergangenen Woche dann verabschiedeten die | |
Fraktionen von SPD und CDU nur mit Mühe eine gemeinsame Resolution, die die | |
Ablehnung des Energietisch-Entwurfs empfiehlt. Schwierige Verhandlungen | |
waren vorausgegangen, vier SPD-Abgeordnete verwehrten dem Text ihre | |
Zustimmung. Eigentlich sieht sich die SPD mit dem Energietisch auf einer | |
Linie. | |
Ähnlich positioniert sich nun Umweltsenator Michael Müller in seinem | |
Entwurf zur Resolution des Senats. Zwar bemängelt er fehlende | |
Kontrollmöglichkeiten für Netzbetreiber sowie Stadtwerk und kritisiert, | |
dass letzteres die effiziente Kraft-Wärme-Kopplung nach Vorstellungen des | |
Energietischs nur für eine Übergangszeit nutzen dürfe. | |
Doch schon die Einleitung verweist auf das Ziel Berlins, bis 2050 | |
klimaneutral zu werden, und formuliert daher zwei Ziele: „Die Gründung | |
eines Berliner Stadtwerkes und den kommunalen Betrieb der Berliner | |
Energienetze.“ Letzterer garantiere Einnahmen aus den Netzentgelten, die | |
„für Berliner Belange eingesetzt werden können.“ Der Vorschlag des | |
Energietischs greife zu kurz, weil er nur das Stromnetz ins Visier nehme. | |
Unter Müllers Regie bewirbt sich das neue Landesunternehmen „Berlin | |
Energie“ derzeit sowohl um das von Vattenfall betriebene Strom- als auch um | |
das von der Gasag geführte Gasnetz. Außerdem hat der Senator angekündigt, | |
beim Fernwärmenetz mehr mitreden zu wollen. Auch letzteres betreibt derzeit | |
Vattenfall. | |
Ganz anders dagegen CDU-Wirtschaftssenatorin Yzer. „Mit dem Kauf der | |
Energienetze muss das Land neue Schulden aufnehmen“, heißt es in ihrem | |
Entwurf. Offen sei, ob die Gewinne aus dem Netzbetrieb für die Tilgung der | |
Schulden ausreichen sowie laufende Kosten und notwendige Investitionen | |
decken könnten. Die Rekommunalisierung berge „ein unkalkulierbares Risiko | |
für den Landeshaushalt“ und schmälere den finanziellen Spielraum des | |
Landes. | |
## Einig gegen Sozialtarife | |
Einig sind sich Müller und Yzer in dem Vorwurf, der Energietisch wolle mit | |
einem Stadtwerk versteckte Sozialpolitik betreiben, weil selbiges | |
„Sozialtarife“ anbieten müsse. Allerdings ist davon im Gesetzentwurf an | |
keiner Stelle die Rede. „Sozialtarife kann höchstens der Bund für alle | |
Stromversorger vorschreiben“, sagt Energietisch-Sprecher Stefan Taschner, | |
für ein Stadtwerk allein seien sie nicht machbar. | |
Einen Kompromiss aus diesen reichlich unterschiedlichen Entwürfen muss bis | |
zur heutigen Senatssitzung der Chef der Senatskanzlei Björn Böhning (SPD) | |
erarbeiten. Er gilt als enger Vertrauter des Regierenden Bürgermeisters | |
Klaus Wowereit (SPD). Letzterer hatte nach Teilnehmerberichten schon am | |
vergangenen Donnerstag in der SPD-Fraktion Stellung bezogen, indem er | |
empfahl, die Positionen von SPD-Landesvorstand und -Fraktion hinten | |
anzustellen, zu Gunsten eines Kompromisses mit der CDU. Alles andere wäre | |
ein „Armutszeugnis“ für die Koalition. | |
2 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Puschner | |
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