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# taz.de -- Wahl des IOC-Chefs: Das Kabinett des Dr. Rogge
> Wer wird Dienstag zum neuen Chef des Internationalen Olympischen Komitees
> gewählt und Jacques Rogges Nachfolger? Die wichtigsten Anwärter.
Bild: Sergej Bubka
## Ng Ser Miang, der Mauschler aus Singapur
„Es ist an der Zeit, über die Größe und die Kosten der Spiele
nachzudenken“, sagt Ng Ser Miang. Ein Satz, dem man dem
Präsidentschaftskandidaten aus Singapur, der Vizechef des Internationalen
Seglerverbandes ist, nicht unbedingt glauben sollte.
Er war es, der die ersten Olympischen Jugendspiele nach Singapur geholt
hat. Die hatte der scheidende IOC-Präsident Jacques Rogge eingeführt, um
auch kleineren Städten und Staaten die Möglichkeit zu geben,
Olympiaausrichter zu werden. Am Ende wurden in Singapur mehr als 300
Millionen Euro ausgegeben. Das sportive Jugendtreffen, das Rogge
vorgeschwebt hatte, war zu einem Mega-Event aufgeblasen worden.
Ngs Kandidatur basiert auf der Idee, die etablierten Sportarten weniger
Wettbewerbe bei Olympia ausrichten zu lassen, dafür aber neuen Sportarten
die Tür zu Olympia zu öffnen. Sollten Ngs Verkleinerungspläne umgesetzt
werden, könnte es gut sein, dass zwar nicht noch mehr Medaillen vergeben
werden bei den Spielen, dafür aber mehr Sportstätten errichtet werden
müssen für die Disziplinen, die „beim IOC an die Tür klopfen“, wie Ng sa…
Mit großen Dimensionen hat der Geschäftsmann, der so etwas wie der
Discounter-König von Singapur ist, gewiss keine Probleme. Er steht für die
Vergrößerung des asiatischen Einflusses auf das IOC. Der stehe dem
Kontinent zu, weil immer mehr Geld aus Asien in den Weltsport fließe. Seit
2009 ist der 64 Jahre alte Ng Vizepräsident des IOC und als solcher stets
bemüht, politische Konflikte hinter verschlossenen Türen zu verhandeln.
Der Mann mit dem freundlichen Auftreten, der auch Botschafter Singapurs in
Norwegen ist, engagiert sich für eine „diplomatische Lösung“ der Probleme
um die homophobe Gesetzgebung in Russland vor den Winterspielen im Februar
in Sotschi.
Wie man verhindert, dass über derartige Verhandlungen offen berichtet
werden kann, weiß er als Chef einer großen Medienholding im autoritär
geführten Singapur ganz genau. (Andreas Rüttenauer)
## Wu Ching-kuo hat Ein Faible für Afrika
„Ich bin eine Mann der Tat“, sagt Wu Ching-kuo über sich selbst. Der
studierte Architekt, der seit 25 Jahren IOC-Mitglied ist – so lange wie
keiner der anderen Kandidaten –, geht als ein Mann ins Rennen um den
IOC-Chefposten, der seinen Reformeifer als Präsident des Internationalen
Amateurboxverbands (Aiba) schon unter Beweis hat stellen können.
Wu hat kräftig aufgeräumt in dem lange korrupten und notorisch klammen
Verband. Er hat die Aiba zu einem Profiboxverband gemacht, hat den Boxern
den Kopfschutz abgenommen und ihnen das Leibchen ausgezogen, so dass es für
jeden Zuschauer offensichtlich ist, dass sich etwas geändert hat im
olympischen Boxsport.
Über eine relativ gut vermarktete Weltliga fließt Geld zur Finanzierung der
Aiba-Profis in den Verband, der nicht mehr viel zu tun hat mit dem
korrupten Haufen, den Wus pakistanischer Amtsvorgänger Anwar Chowdhry 2006
übergeben hat.
Ob er im IOC Reformpläne auch gegen den Willen der Altfunktionäre
durchsetzen könnte, ist dennoch umstritten. Denn das größte Problem des
Boxverbandes konnte er nicht beseitigen: den usbekischen Mafioso Gofur
Rachimow. Der Mann, der enge Kontakte zum Drogenhandel unterhalten soll,
ist immer noch Vizepräsident der Aiba.
Auch als Stimme Asiens kann sich der Architekt Wu nur schlecht
präsentieren. Er vertritt mit Taiwan ein Land im IOC, das bei den Spielen
wegen der Territorialstreitigkeiten mit China nur unter dem artifiziellen
Ländernamen Chinese Taipei antreten darf.
Das im Weltsport mächtiger werdende China wird alles daran setzen, einen
IOC-Präsidenten aus Taiwan zu verhindern. Wu weiß das und hat sich zur
Stimme Afrikas stilisiert.
„Olympische Spiele haben in allen Kontinenten stattgefunden bis auf
Afrika“, sagte der 66-Jährige und versprach, sich für eine Bewerbung einer
afrikanischen Stadt starkzumachen. (Andreas Rüttenauer)
## Richard Carrions Metier ist das Geld
„Ich bin nicht der Kandidat Lateinamerikas, auch wenn ich aus der Karibik
komme“, sagt Richard Carrion, der einen US-Pass hat, „diese Wahl dreht sich
nicht um Geografie.“ Er fühle sich bereit für einen
„Mann-gegen-Mann-Wahlkampf“, verkündete er Ende Mai mit einem strahlenden
Lächeln. Er habe die nötige Leadership-Qualität, diese Organisation
anzuführen.
Carrion (60), Bankier aus Puerto Rico, versteht viel von Geld, aber er
redet nicht gern darüber: „Die IOC-Mitglieder werden für den stimmen, den
sie für den Besten halten“, sagt Carrion. „Ich habe für das IOC in den
vergangenen Jahren Verträge in Höhe von mehr als acht Milliarden Dollar
ausgehandelt.“
Aber jetzt müsste er mehr sein als ein ausgewiesener Finanzmann. Und genau
das versucht er beim Kampf um das wichtigste Amt im Weltsport auch zu
transportieren. Carrion ist bestens gecoacht. Neben dem ehemaligen
Sportreporter Enrique Martel hat er James Carville engagiert, Wahlhelfer
von Bill Clinton.
Seit Monaten schon gibt Carrion den offenen, charmanten Weltmann, der dem
IOC eine erfolgreiche Zukunft verspricht. Früher präsentierte er sich oft
als unnahbar und wurde selbst von einigen IOC-Kollegen als arrogant und
unfreundlich gerügt. Bei der historischen Darstellungsrunde der sechs
Kandidaten Anfang Juli in Lausanne trat Carrion ohne jegliches Manuskript
an und demonstrierte Souveränität.
Das Vorstandsmitglied der New Yorker Notenbank Federal Reserve hat als
Chefverkäufer der nichteuropäischen TV-Rechte im IOC Karriere gemacht.
Carrion, seit 1990 im IOC, ist seit 2002 Direktor der Finanzkommission. Er
hat für das IOC unter anderem den Rekord-TV-Deal mit dem US-Giganten NBC
über 4,382 Milliarden Dollar für die Spiele 2014 und 2016 ausgehandelt.
In den vergangenen zehn Jahren hat das IOC seine Rücklagen von 100 auf 900
Millionen Dollar erhöht, erklärte Carrion jetzt. Na, wenn das mal keine
Wahlempfehlung ist. (dpa, taz)
## Denis Oswald, der ideale Kandidat
„Ich möchte dem Sport etwas zurückgeben von dem, was ich bekommen habe“,
sagt Denis Oswald. Selbstdarstellung ist nicht so sein Ding. Der
Jura-Professor aus Neuchâtel hört lieber stundenlang juristische
Fachvorträge. Seit mehr als 40 Jahren gibt er den fleißigen Diener
Olympias.
„Das Händeschütteln ist nichts für mich. Ich verkaufe mich nicht gern. Ich
hoffe, dass meine Taten in der olympischen Bewegung überzeugender sind als
Händeschütteln“, sagt der 66 Jahre alte IOC-Spitzenfunktionär.
Oswald gilt gewissermaßen als Idealist, weil er so schön über die
olympischen Ideale schwadronieren kann. Er war auch als Präsident der
Welt-Anti-Doping-Agentur im Gespräch, wollte sich aber auf die
IOC-Kandidatur konzentrieren.
Der Schweizer geht auf in seiner Rolle als Olympia-Fachmann. Sollte er
gewählt werden, dann allenfalls als Marionette eines mächtigen Kartells im
Hintergrund. So gesehen wäre er ein idealer Präsident.
Der ehemalige Ruderer holte bei drei Olympia-Teilnahmen 1968 in Mexiko
Bronze im Vierer mit Steuermann. Nach elf Jahren als Generalsekretär wurde
er 1989 Präsident des Internationalen Ruderverbandes (Fisa). 1991 wurde er
ins Internationale Olympische Komitee gewählt.
Oswald arbeitet als Richter am Internationalen Sportgerichtshof (Cas) und
führte die Vereinigung aller olympischen Sommersportverbände (Asoif) an.
Als Koordinator war er verantwortlich für die Vorbereitung der Sommerspiele
in Sydney und Athen, in der Koordinierungskommission für die London-Spiele
hatte er den Vorsitz.
„Wenige meiner Kollegen waren in solch bedeutsamen Rollen oder haben so
erfolgreich internationale Führungsrollen auf so vielen verschiedenen
Gebieten der olympischen Bewegung ausgefüllt“, sagte der Multi-Funktionär,
der auch im Sportrecht eine wichtige Figur ist. Sein Wahl-Manifest hat er
unter den Titel „My Five Rings“ gestellt. Verdammt innovativ. (dpa, taz)
## Sergej Bubka, der Freund von Oligarchen
„Sport ist in meinem Blut“, sagt Sergej Bubka, und man kann nur hoffen,
dass der Sport das einzige, in diesem Fall legale Dopingmittel ist, das je
in Bubkas Kreislauf pulsierte. Der 49 Jahre alte Olympiasieger von Seoul
ist der mit Abstand jüngste Bewerber im Feld.
Bubka ist auch der Anwärter mit der erfolgreichsten Vergangenheit als
Athlet. 35 Weltrekorde hat er in seiner Karriere aufgestellt, die meisten
von ihnen zentimeterweise – mit cleverem Kalkül für saftige Geldprämien.
Die Bestmarken im Freien (6,14 Meter) und in der Halle (6,15 Meter) hält er
noch immer.1
Nach seinem Karriereende 2001 erfand er sich zielstrebig als Funktionär
neu. Bubka ist seit 2000 im IOC und saß als Vorsitzender der
IOC-Athletenkommission von 2002 bis 2008 erstmals in der Exekutive der
Organisation.
Bei den Sommerspielen im Vorjahr in London wurde er erneut in die
IOC-Regierung gewählt. Seit 2007 ist er zudem Vizepräsident des
Leichtathletik-Weltverbandes IAAF.
Die Dopinggerüchte, die ihn während seiner Laufbahn mehr oder weniger
ständig begleiteten, konnte er nie entscheidend entkräften. Woher sein
immenser Reichtum stammt, hat er nie offenbart. Seine Familie zu Hause
kümmere sich um seine Geschäfte, so Bubka – eine Bäckereikette mit
Brotfabriken und Mühlen. Dabei hat ihn das Bankgewerbe schwerreich gemacht,
ermöglicht offenbar durch die ukrainische Oligarchie.
2004 wurde er Präsident der Kiewer Rodovid Bank. Bis zur Verstaatlichung
der Bank fünf Jahre später soll er einer der größten Aktionäre gewesen sein
und ein geschätztes Vermögen von 350 Millionen Dollar (262 Millionen Euro)
angehäuft haben.
Ähnlich wie Ober-Olympier Jacques Rogge macht sich Bubka für eine künftige
Bezahlung des IOC-Präsidenten stark, will sein Salär im Erfolgsfall aber
wohltätigen Organisationen spenden. (dpa, taz)
Ach, übrigens: IOC-Präsident möchte auch der Deutsche Thomas Bach werden.
9 Sep 2013
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