| # taz.de -- Polizeieinsatz an besetztem Haus: Neue Frankfurter Härte | |
| > Zivilpolizisten sollen in Frankfurt am Main mit Schlagstöcken gegen | |
| > Demonstranten vorgegangen sein. Die Grünen wiegeln ab. | |
| Bild: Prügeleinsatz im Sommerschlussverkauf? Der Ort des Einsatzes | |
| FRANKFURT taz | Der Ort zwischen der Frankfurter Messe und dem Stadtteil | |
| Gallus war symbolisch gewählt: Die Skyline-Plaza, eine kürzlich eröffnete | |
| Einkaufszeile und das Symbol einer sterilen Stadt. Vor diesem Monument | |
| versammelten sich am Montagabend rund 300 Aktivisten zu einer spontanen | |
| Demonstration. | |
| Sie waren gekommen, „um der Stadt und der Polizei zu zeigen, dass wir uns | |
| von ihrer Gewalt nicht einschüchtern lassen“, sagt Clara Winter, Sprecherin | |
| der Initiative „Communal West“, die zur Demo aufgerufen hatte. Am | |
| Freitagabend hatte Clara zusammen mit rund 100 MitstreiterInnen ein | |
| leerstehendes Haus im Gallus besetzt, das 24 Stunden später von der Polizei | |
| geräumt wurde. | |
| Auch noch zwei Tage nach den Ereignissen ist der 28-Jährigen der Schock | |
| anzumerken. Bis in die frühen Abendstunden war am Samstag zunächst alles | |
| friedlich geblieben rund um das ehemalige Sozialrathaus. Die Gruppe, die zu | |
| diesem Zeitpunkt aus rund drei Dutzend Besetzern bestand – auch Kinder | |
| waren darunter – versammelte sich vor dem Gebäude, um das weitere Vorgehen | |
| zu besprechen. | |
| Bereits am Vormittag kamen Lokalpolitiker der linken Parteien zu Besuch. Es | |
| herrschte gute Stimmung, die Besetzer planten schon für die Zukunft: Ein | |
| selbstorganisiertes Stadtteilzentrum sollte hier entstehen, samt Café, | |
| Mieterberatung und einem Hilfeangebot für Asylbewerber. | |
| ## Polizisten im Thor-Steinar-Shirt? | |
| „Plötzlich rannten fünf oder sechs muskelbepackte und tätowierte Typen mit | |
| Teleskopschlagstöcken auf uns zu und schlugen auf uns ein“, sagt Clara | |
| Winter. Einer von ihnen habe ein T-Shirt der unter Rechtsextremen beliebten | |
| Marke „Thor Steinar“ getragen. Deshalb hätten viele der Besetzer einen | |
| „Angriff von Nazis“ vermutetet – zumal sich die „Angreifer“ nicht zu | |
| erkennen gaben und es von Seiten der Polizei keine Vorwarnung gab. | |
| Dass es sich um Zivilpolizisten handelte, wusste zu diesem Zeitpunkt keiner | |
| der Aktivisten. Erst nach einigen Rangeleien kam ein Großaufgebot an | |
| uniformierten Polizisten in voller Montur hinzu, um die Räumung des | |
| Gebäudes zu vollenden. | |
| Die Polizei findet nichts Besonderes an einem solchen Einsatz. Ein Sprecher | |
| bestätigt zwar, dass „fünf Beamte in zivil zunächst den Eingang des Hauses… | |
| gesichert hätten und sich „aus einsatztaktischen Gründen nicht zu erkennen | |
| gaben“. Er bestreitet allerdings, dass ein Beamter ein Thor-Steinar-Shirt | |
| getragen habe und es zu einem Schlagstockeinsatz gekommen sei. Die Räumung | |
| sei „friedlich und unproblematisch“ verlaufen, Verletzte habe es keine | |
| gegeben. | |
| Doch insgesamt sechs Aktivisten und Zeugen bestätigten der taz weitgehend | |
| die Erzählung von Clara Winter. Die meisten von ihnen wollen allerdings | |
| ihren Namen nicht in der Zeitung lesen. Eine 51-Jährige Frankfurterin | |
| berichtet „von einem Überfall der Polizei in zivil“. Ein Vater dreier | |
| Kinder erzählt, dass Polizisten ihn „massiv geschlagen und getreten“ hätt… | |
| und er deshalb in ein Krankenhaus eingeliefert wurde. „Dabei wollte ich nur | |
| in das Haus, um meinen Sohn zu suchen“, so der 40-Jährige. | |
| ## „Neue Härte bei Polizeieinsätzen“ | |
| Rolf Engelke, der sich das besetzte Haus anschauen wollte, sagt: „Ich stand | |
| auf der Straße, da stürmten fünf bullige Typen auf die Menge vor dem Haus | |
| zu und schlugen mit ihren Schlagstöcken auf diese ein.“ In der | |
| angegriffenen Gruppe sei auch eine Mutter mit Kind gewesen. Das | |
| Thor-Steinar-Shirt hat Engelke nicht gesehen. | |
| Inzwischen wächst bei manchen Parteien die Kritik am Polizeieinsatz: Die | |
| Linke plant bereits, einen Antrag zum Polizeieinsatz in den hessischen | |
| Landtag einzubringen, so wie die Piratenpartei ins Frankfurter | |
| Stadtparlament. Ihr Fraktionsvorsitzender Martin Kliehm kritisiert, dass | |
| sich die Frankfurter Polizei „zunehmend jeglicher Kontrolle entzieht“. | |
| Dabei spielt er auch auf den umstrittenen Polizeieinsatz während der | |
| Blockupy-Demo Anfang Juni an. Der SPD-Stadtverordnete Christian Heimpel | |
| spricht von einer „neuen Härte bei Polizeieinsätzen“. | |
| Auch der Vorsitzende der Frankfurter Grünen, Omid Nouripour, fordert, dass | |
| den „Vorwürfen eines unverhältnismäßigen Polizeieinsatzes nachgegangen | |
| wird“. Allerdings steht seine Partei wegen der Räumung selbst in der | |
| Kritik, weil die Strafanzeige gegen die Besetzer vom städtischen | |
| Liegenschaftsamt kam, das dem grünen Baudezernenten Olaf Cunitz untersteht. | |
| ## „Über alles reden“ | |
| „Das Verhalten des schwarz-grünen Magistrats ist nicht angemessen. Dieser | |
| wollte eine Auseinandersetzung mit Inhalten vermeiden“, so Mike Josef, Chef | |
| der Frankfurter SPD. Dabei sei gerade der knappe Wohnraum bei | |
| gleichzeitigem Leerstand ein „sehr dringendes Problem“ der Stadt. Hermann | |
| Schaus von der hessischen Linkspartei hält das Verhalten der Stadt | |
| Frankfurt, eine Räumung des besetzten Hauses zu erwirken, ohne die Besetzer | |
| zu informieren, für „völlig unangemessen“. | |
| Der Büroleiter von Olaf Cunitz findet das Vorgehen angesichts des | |
| „rechtswidrigen Verhaltens“ der Besetzer alternativlos. „Das Haus steht g… | |
| nicht zur Verfügung, es soll dort eine Ausweichfläche für eine Kita | |
| entstehen.“ Einen konkreten Zeitplan gebe es aber nicht. Er betonte | |
| allerdings, dass man „über alles reden“ könne. | |
| Das sehen einige Aktivisten inzwischen wohl anders. Nach der Demo am | |
| Montagabend kam es nach Angaben der Polizei im Süden Frankfurts an einer | |
| Geschäftsstelle der Grünen zu Sachbeschädigungen. | |
| 10 Sep 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Timo Reuter | |
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