Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommentar Burkini-Urteil: Im Zweifel für den Kompromiss
> Schulpflicht wiegt schwerer als Religionsfreiheit, urteilt ein Gericht.
> Doch es nützt nichts, auf eine abstrakte Leitkultur zu pochen. Schulen
> sollten flexibel bleiben.
Bild: Nichtmuslimische Schüler sollten sich an den Anblick von Mädchen im Bur…
Das Gericht in Leipzig hat es sich etwas zu leicht gemacht. Die
Schulpflicht wiegt schwerer als die Religionsfreiheit, befinden die
Richter. [1][Ein muslimisches Mädchen muss zusammen mit Jungs den
Schwimmunterricht besuchen], auch wenn das seinen Eltern und ihm selbst
widerstrebt. Ein Junge, dessen Familie den Zeugen Jehovas angehört, muss
sich in der Schule den Film „Krabat“ ansehen, auch wenn den Eltern die
schwarze Magie, die darin vorkommt, völlig unzumutbar erscheint.
Das Gericht hat beide Fälle am selben Tag verhandelt. Damit wurde deutlich,
dass es nicht bloß um die Integration von Muslimen geht, sondern um eine
grundsätzliche Abwägung zwischen verschiedenen Grundrechten: der
individuellen Glaubensfreiheit, dem Erziehungsrecht der Eltern und dem
Bildungsauftrag der Schule. Das Gericht hat nun im Zweifel für die
Schulpflicht votiert. Bisher konnten sich muslimische Mädchen vom
Schwimmkurs befreien lassen.
Doch gelöst ist das Problem damit nicht. Fest steht zwar, dass eine plurale
Gesellschaft verbindliche Regeln braucht, die für alle gelten. Doch solche
Regeln müssen immer wieder aufs Neue ausgehandelt werden, weil die
Gesellschaft sich ständig verändert. Darum gibt es heute in manchen
Schulkantinen kein Schweinefleisch, wenn die meisten Schüler das ablehnen.
Und darum sind viele Schulen heute gezwungen, neben Weihnachten und Ostern
auch auf andere religiöse Feiertage sowie auf Muttersprachen Rücksicht zu
nehmen.
Mit einem Trend zum „Kulturrelativismus“, von Dogmatikern oft beklagt, hat
das nichts zu tun, sondern mit Pragmatismus. Es nützt eben nichts, auf eine
abstrakte Leitkultur zu pochen. Die Grenzen staatlicher Macht zeigen sich
dort, wo Eltern ihr Kind von staatlichen Schulen abmelden und auf eine
private Schule schicken, die ihnen eher entspricht.
Besser ist es, wenn alle Seiten aufeinander zugehen. Muslimische Mädchen
können sich an den Anblick halb nackter Jungs in Badehose gewöhnen – so,
wie sich nichtmuslimische Schüler an den Anblick von Mädchen im
Burkini-Ganzkörper-Badeanzug gewöhnen sollten. Aber auch der getrennte
Schwimmunterricht kann ein Kompromiss sein. Oder dass Lehrer vielleicht im
Ausnahmefall auch mal auf „Krabat“ verzichten, wenn die Alternative heißt,
dass ein Kind sonst „wegen Krankheit“ fehlt. Schulen sollten da flexibel
bleiben können.
12 Sep 2013
## LINKS
[1] /Urteil-des-Bundesverwaltungsgerichts/!123571/
## AUTOREN
Daniel Bax
## TAGS
Burkini
Schwimmunterricht
Schule
Bundesverwaltungsgericht
Kopftuch
Burkini
Religion
Bundesverwaltungsgericht
## ARTIKEL ZUM THEMA
Gleichbehandlungsgesetz missachtet: Richter verbietet Anwältin Kopftuch
In Berlin wurde einer Rechtsanwältin untersagt, vor Gericht ein Kopftuch zu
tragen. Das zeigt, welche Verwirrung bei diesem Thema inzwischen herrscht.
CSU-Politiker zu Schwimmunterricht: „Das gehört zum Bildungskanon“
Michael Frieser will eine bessere Schwimmausbildung, nicht nur für Muslime.
Er glaubt, dass hier mehr integriert wird, als in gemeinsamen
Religionsunterricht.
Unterricht für Zeugen Jehovas: Schwarze Magie für alle
Schlechte Nachrichten für die Zeugen: Ihre Kinder müssen sich die
Preußler-Verfilmung „Krabat“ im Schulunterricht anschauen.
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts: Asmae muss schwimmen gehen
Eine 13-jährige Muslimin scheitert vor Gericht mit dem Versuch, sich vom
Schwimmunterricht befreien zu lassen. Ein Ganzkörperanzug sei zumutbar.
Muslimische Schülerin verlässt Schule: Anblick von Badehosen unerwünscht
Der Streit um die Teilnahme am Schwimmunterricht endet für ein muslimisches
Mädchen mit dem Schulwechsel. Ein Burkini war den Eltern nicht genug der
religiösen Observanz.
Urteil zu Schwimmunterricht: Burkini ist zumutbar
Ein muslimisches Mädchen muss am Schwimmunterricht mit Jungen teilnehmen.
Das Tragen eines Burkinis sei zumutbar, urteilte das Verwaltungsgericht
Kassel.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.