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# taz.de -- „Unehrenhafte“ Wissenschaft: Mäuse, die auf Opern stehen
> Die „Ignoble-Nobelpreise“ für abstruse Leistungen in der Wissenschaft
> sind verliehen. Mäuseforscher räumten in Medizin und Archäologie ab.
Bild: Medizin-Ig-Nobelpreis: Masanori Niimi (l.) und Xiangyuan Jin bei ihrer Da…
BERLIN taz | Unehrenhaft, schändlich, schmachvoll. Die Ig-Nobelpreise
leiten sich vom englischen „ignoble“ ab und zeichnen „wissenschaftliche
Leistungen, die die Menschen zuerst zum Lachen und dann zum Nachdenken
bringen“, aus. Die Ehrungen werden in zehn Kategorien bei einer Zeremonie,
die eher an eine Comedyveranstaltung erinnert, von echten Nobelpreisträgern
übergeben.
Die Veranstaltung findet zum 23. Mal im altehrwürdigen Sanders Theatre der
Harvard University statt. Am 12. September war es wieder so weit. Vor über
1.000 Gästen wurden [1][die Gewinner gekürt]. Japanische Forscher bekamen
den Ig-Nobelpreis für Medizin. Sie fanden heraus, dass am Herzen operierte
Mäuse länger leben, wenn man ihnen Opernmusik vorspielt. Zur
Preisverleihung traten die Japaner folgerichtig im Mäusekostüm an.
In der Kategorie „Archäologie“ wurden Brian Crandall und Peter Stahl
ausgezeichnet. Sie hatten eine Spitzmaus gekocht und verspeist. Dann
untersuchten sie ihre Exkremente, um zu ergründen, welche Knochen in
welcher Form verdaut werden.
Für eine unfassbar langwierige und langweilige Arbeit an Kühen bekamen
britische Forscher den „Wahrscheinlichkeits-Ig-Nobelpreis“. Sie fanden
heraus, dass eine Kuh eher wieder aufsteht, wenn sie schon länger liegt.
Steht die Kuh, sei aber kaum vorhersagbar, wann sie sich wieder hinlege.
Preisträger Bert Tolkamp gestand gähnend: „Kühe können wirklich öde sein…
Die Preise werden von der Zeitschrift [2][Annals of Improbable Research]
(Annalen der unwahrscheinlichen Forschung) ausgelobt. Für eine Nominierung
gibt es verschiedene Bedingungen: Die Forschung muss neu und einzigartig
sein. Außerdem darf das Experiment nicht wiederholbar sein – oder man
sollte es nicht wiederholen.
Edward Teller (1908-2003), der „Vater der Wasserstoffbombe“, war 1991 einer
der ersten Preisträger. Die Begründung: Durch seinen lebenslangen Einsatz
habe er die Bedeutung von Frieden nachhaltig verändert.
Deutlich harmloser ist die Entdeckung einer Forschergruppe aus Südafrika
und Schweden. Sie erhielt in diesem Jahr den Ig-Nobelpreis für Biologie und
Astronomie, weil sie herausfand, dass Mistkäfer sich an der Milchstraße
orientieren, um nach Hause zu finden.
## Das Ende der Filibuster
Es wurden aber auch schon Ig-Preise für wirklich sinnvolle Errungenschaften
verliehen: 2012 ging die Auszeichnung für „Akustik“ an die beiden Japaner
Kazutaka Kurihara und Koji Tsukada, die den „Speech-Jammer“ erfunden haben.
Das Gerät stoppt endlos labernde Redner, indem es sie durch das Echo der
eigenen Worte aus dem Takt bringt.
Im gleichen Jahr wurde der Preis für „Neurowissenschaften“ an vier
US-Amerikaner verliehen. Sie hatten mit einem Hightech-Verfahren (MRT,
Magnetresonanztomografie) Hirnaktivität bei einem toten Lachs nachgewiesen.
Damit hatten sie gleichzeitig die unzähligen Sensationsbefunde der
Neurowissenschaftler (Gehirnareale für kriminelle Energie, Pädophilie usw.)
als zumindest höchst fragwürdig entlarvt. Neben dem Erkenntnisgewinn
lieferte der Fisch im Anschluss an das Experiment auch eine leckere
Mahlzeit, wie die Forscher berichteten.
Der Friedens-Ig-Nobelpreis 2011 ging an den Bürgermeister der litauischen
Hauptstadt Vilnius. Arturas Zuokas bekämpfte falschparkende Luxuslimousinen
– indem er sie mit einem Panzer überfuhr. Seine einleuchtende Begründung:
„Ich fand einfach, dass es Zeit war, den Rücksichtslosen eine Lektion zu
erteilen.“
## Interessantes Sexualverhalten
Der Literaturpreis 2011 wurde John Perry von der Stanford University für
seine überaus praktische Theorie der „Structured Procrastination“
(„strukturierte Zögerlichkeit“) verliehen. Sie besagt, dass derjenige am
erfolgreichsten ist, der so tut, als ob er mit etwas unglaublich Wichtigem
beschäftigt wäre.
Unvergessen auch der Ig-Preis für Medizin 2005: Gregg A. Miller hatte
künstliche Hundehoden in drei verschiedenen Größen erfunden. 2003 wurde der
Biologe C.W. Moeliker ausgezeichnet: Er dokumentierte den ersten Fall von
homosexueller Nekrophilie bei Stockenten.
Marc Abrahams, Herausgeber der Annals of Improbable Research, moderierte
die Preisverleihung. Er verabschiedete die Teilnehmer mit besten Wünschen:
„Wenn Sie keinen Ig-Nobelpreis dieses Jahr gewonnen haben und besonders
dann, wenn sie einen gewonnen haben: Mehr Glück im nächsten Jahr!“
13 Sep 2013
## LINKS
[1] http://www.improbable.com/ig/winners/#ig2013
[2] http://www.improbable.com/magazine/
## AUTOREN
Patrick Loewenstein
## TAGS
Harvard
Wissenschaft
Medizin
Streit der Woche
Mo Yan
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