# taz.de -- Neukölln empfängt Flüchtlinge: Der Gegenentwurf zu Hellersdorf | |
> In Neukölln wird über ein geplantes Flüchtlingsheim informiert – rund 500 | |
> Zuhörer demonstrieren Solidarität. Nur Bezirksbürgermeister Buschkowsky | |
> stänkert. | |
Bild: Kein Platz war mehr frei am Donnerstagabend in der Aula der Fritz-Karsen-… | |
Bloß kein zweites Hellersdorf. Also hat Neukölln vorgesorgt. Polizeiwagen | |
und Einlasskontrolleure mit Ver.di-Westen stehen vor der | |
Fritz-Karsen-Schule. Die NPD, mit sieben Männern da, wird von der Polizei | |
ans Ende der Straße verbannt, von Gegendemonstranten ausgepfiffen. In der | |
Schule stehen Zuhörer mit bunten Luftballons, vorne hängt ein großes | |
Banner: „Nicht Flüchtlinge, sondern Fluchtursachen bekämpfen“. | |
Im Juli war in Hellersdorf eine Infoveranstaltung über eine neue | |
Flüchtlingsunterkunft in rechter Stimmungsmache untergegangen. Am | |
Donnerstagabend wurde nun in Neukölln über ein hier geplantes Heim | |
informiert. Rund 500 Zuhörer kamen in die vollbesetzte Aula der | |
Karsen-Schule in Britz, unter ihnen viele Anti-Rechts-Engagierte – fest | |
gewillt, den Gegenentwurf zu Hellersdorf zu liefern. | |
„Die Würde des Menschen ist unantastbar“, eröffnet Jürgen Schulte das | |
Podium. Hassparolen werde man nicht dulden. Schulte gehört zu „Hufeisern | |
gegen rechts“, einer Anwohnerinitiative der benachbarten Hufeisensiedlung. | |
Die Gruppe hatte eingeladen, nicht der Bezirk. Und klargemacht, dass man | |
sich „parteiisch“ hinter die Flüchtlinge stellen werde. Neben Schulte sitzt | |
Sozialstadtrat Bernd Szczpanski (Grüne). „Die Flüchtlinge haben | |
Schreckliches hinter sich“, sagt auch er. „Wir wollen ihnen eine Heimat | |
bieten.“ Applaus im Saal. | |
Anfang 2014 soll das neue Heim für 400 Flüchtlinge entstehen, an der Neuen | |
Späthstraße, unweit der Stadtautobahn. Man wolle die Asylbewerber | |
gleichmäßig über die Stadt verteilen, sagt Franz Allert, Chef des dafür | |
zuständigen Landesamts für Gesundheit und Soziales. Bisher ist Neukölln | |
Schlusslicht, nimmt nur 13 Flüchtlinge auf. Allert wirbt um „gute | |
Nachbarschaft“. | |
Er wird erhört. Eine Zuhörerin fragt, ob es genug Krankenzimmer für die | |
Flüchtlinge gebe? Wo man sich melden könne, wenn man helfen wolle, will | |
eine andere wissen. Einzig zum Betreiber wird kritisch nachgehakt, der | |
privaten PeWoBe, auch in Hellersdorf verantwortlich. Habe der einen | |
schlechten Ruf? Allert verneint: „Da gibt es keine Probleme.“ | |
Die ersten Heim-Skeptiker verlassen da den Saal. Sie merken: Das ist nicht | |
ihre Veranstaltung. Stattdessen kritisiert Georg Classen vom Flüchtlingsrat | |
vom Podium aus die PeWoBe. In deren Heimen fehlten Kochplätze und Internet. | |
Stadtrat Szczepanski kritisiert, dass sein Bezirk kürzlich beschloss, die | |
Unterkunft näher an der Autobahn zu bauen. „Ich persönlich teile das | |
nicht.“ Der Antrag komme von CDU und SPD. Der Saal buht. | |
Dort sitzt hinten auch ein Mann mit verschränkten Armen: | |
Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD). Im Vorfeld hatte er dem | |
Veranstalter unterstellt, die Flüchtlinge zu instrumentalisieren, um | |
Konflikte mit Rechten zu suchen. Nun hört Buschkowsky als „einfacher | |
Bürger“ zu. Und moniert später, er habe Fragen der Anwohner aus der | |
Späthstraße vermisst, der künftigen Nachbarn. „Das waren ja mehr | |
allgemeinpolitische Statements.“ | |
Am Saalmikrofon melden sich Grummelnde wie Buschkowsky nicht zu Wort. | |
Stattdessen steht Nader Khalil auf, sagt, dass sein Deutsch-Arabisches | |
Zentrum Übersetzer anbiete und Räume für einen Runden Tisch mit Anwohnern. | |
„Wir wollen mit anpacken, im Namen der Menschlichkeit.“ Lageso-Chef Allert | |
bedankt sich. Seit Monaten, sagt er, müsse er sich rechtfertigen, dass er | |
in Berlin Flüchtlinge unterbringen wolle. „Heute ist das erste Mal, dass so | |
viel Verständnis da ist.“ | |
13 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
## TAGS | |
Rechtsextremismus | |
Vergleich | |
Hellersdorf | |
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