# taz.de -- Das Leben der reichen Syrier: Sodom und Damaskus | |
> Tags töten, abends tanzen: In den Clubs der syrischen Hauptstadt feiern | |
> waffenschwingende Assad-Getreue. Mit Alkohol, Drogen und Prostituierten. | |
Bild: Dekadenz in Damaskus: In den Luxus-Clubs der Hauptstadt erlauben sich rei… | |
DAMASKUS taz | Schwarze Limousinen mit glänzendem Lack, verdunkelten | |
Scheiben und Stuttgarter Sternen auf der Kühlerhaube: Sie parken eine | |
belebte Straße mitten im Zentrum von Damaskus zu. Es gibt kein Durchkommen | |
mehr für die anderen Verkehrsteilnehmer. Doch keiner der Autofahrer, denen | |
die parkenden Luxuskarossen ihren Weg versperren, wagt sich zu beschweren. | |
Lieber wenden sie und fahren zurück in die Richtung, aus der sie gekommen | |
sind. | |
Denn diese teuren Autos gehören denen, die das Sagen haben in Syrien unter | |
Baschar al-Assad. Die Autos repräsentieren die Macht und den Einfluss ihrer | |
Besitzer, nach deren Regeln das Leben und der Alltag in diesem Teil Syriens | |
noch verlaufen. Es sind die Wagen der Minister, der Gouverneure, der | |
Generäle, der Geheimdienstchefs, der reichen Geschäftsleute und ihrer Söhne | |
und Cousins. Und nicht selten ist der Geheimdienstchef oder der Gouverneur | |
gleichzeitig ein reicher Geschäftsmann. | |
Der Straßenzug, in dem sich diese Karossen aneinanderreihen, liegt vor dem | |
Eingang zum Omayad-Hotel, auf dessen Dach sich die Z Bar befindet. Doch wer | |
auf dem Roof Top feiernd den tollen Panoramablick auf die Lichter der Stadt | |
genießen will, muss zuerst an den strengen Sicherheitskontrollen und | |
Türstehern vorbei. Wer in Damaskus nicht über die besten Kontakte verfügt, | |
wird niemals eine Einladung zu einer der legendären Feiern in dem Penthouse | |
erhalten. In der Z Bar ist jede Party eine geschlossene Gesellschaft. | |
Hier hoch oben über den Dächern von Damaskus tanzt die Elite unbehelligt | |
von den Kämpfen, die an der nur wenige Kilometer entfernten Front toben. | |
Die aus den Lautsprechern dröhnende Technomusik eines DJs aus Beirut | |
übertönt den Lärm explodierender Raketen und Granaten, die auf die Stadt | |
niedergehen und deren Echo von den Hängen des Damaszener Hausberges Kassiun | |
in den Straßen des Zentrums ihren Widerhall finden. | |
Zu dem Technobeat räkeln sich leicht bekleidete Damen auf der Tanzfläche. | |
Auf den Tischen in den dunklen Nischen der Separees stapeln sich | |
Champagnerflaschen. Die Party befindet sich auf ihrem Höhepunkt. | |
„Willkommen in der Z Bar, dem perfekten Ort, um über den Gefallenen auf den | |
Schlachtfeldern zu tanzen“, ruft ein Gast dem Besucher aus Deutschland zu. | |
## Eine Schlägerei und der Club wird dichtgemacht | |
„Sie töten am Tage und feiern in der Nacht“, kommentiert draußen auf der | |
Straße ein junger Mann, der von früh bis spät in einem Supermarkt schuften | |
muss, die in der Z Bar feiernde High Society. Die Besitzerin des Nachtclubs | |
ist eine syrische Christin, die an einer Universität in der Schweiz | |
Touristik studiert hat. Sie führt das Omayad-Hotel, das ihr Vater gründete, | |
in der zweiten Generation. Dass ihr Publikum nicht über jeden Zweifel | |
erhaben ist, lässt der Umstand erahnen, dass die Party kurz vor zwei Uhr | |
wegen einer Schlägerei beendet und der Club von Sicherheitskräften geräumt | |
werden muss. | |
Im Damaskus von heute findet sich die Gewalt nicht nur an der Front, | |
sondern auch auf der Tanzfläche wieder. „Dass wegen der Schlägerei sofort | |
der ganze Club geschlossen wurde und nicht wie gewöhnlich die Störenfriede | |
herausgeschmissen wurden, zeigt, dass die Rabauken zu den ’Unkickables' | |
gehören“, erklärt ein Beobachter der Szenerie auf Englisch. Seine | |
Wortschöpfung ’Unkickables‘ ist eine treffende Umschreibung für den | |
VIP-Status der betrunkenen Schläger, die zu wichtig sind, um sie | |
hinausschmeißen zu können. Damit sie ihr Gesicht wahren können, müsse halt | |
der ganze Club dichtgemacht werden, so der Beobachter. | |
Zum Glück liegt nicht unweit vom Omayad-Hotel die nächste | |
Fünf-Sterne-Herberge, das Cham Palace mit seinen beiden Nachtclubs „VIP“ | |
und „Lavo“. Den Teil der Feierwütigen aus der Z Bar, der noch laufen kann, | |
zieht es nun dorthin. | |
Im Lavo, einem ebenfalls regimenahen Club, geht es etwas derber zu. Die | |
Huren sind keine High-Class-Escorts wie in der Z Bar. Sie riechen nach | |
billigem Parfüm, sind zu stark geschminkt. Auf der Tanzfläche tragen die | |
Männer ihre Pistolen nicht diskret unter dem Jackett, sondern wedeln mit | |
ihren Waffen beim Tanzen in der Luft herum. | |
Wen es bei diesem archaischen Männlichkeitsritual waffenschwenkender | |
Regimegetreuer im Lavo schon graust, dem sei von einem Weiterziehen in die | |
XS Bar abgeraten. Dort tummeln sich Kraftprotze, die von ihrer Statur her | |
manchem Bodybuilder Konkurrenz machen würden. | |
Der Club gilt als Ausgehort der Schabiha. Schabiha-Milizen werden die | |
irregulären, bewaffneten Gruppen bezeichnet, die von Fawas al-Assad und | |
Mundhir al-Assad geführt werden, beide sind Cousins des syrischen | |
Präsidenten Baschar al-Assad. Mit zunehmender Intensität des Konflikts | |
wurden die Schabiha-Milizen immer mehr zu einem Werkzeug des Regimes zur | |
Niederschlagung des Aufstands. | |
## In der XS Bar bekommt man alle Drogen | |
Einer der Männer, der diese Nacht durch die XS Bar geistert, ist Haydar. | |
Über seiner Glatze trägt er ein kariertes Kopftuch, auf seinem rechten | |
Oberarm ist ein schwarzes Schwert mit Rillen tätowiert. Die Tätowierung | |
zeigt das Zulfiqar, das Schwert des Propheten Mohammed, das dieser in der | |
Schlacht von Badr als Beute erhalten hatte und später in den Besitz seines | |
Schwiegersohnes Ali ibn Abi Talib geriet. Es ist das wichtigste Symbol der | |
Schiiten. | |
„Die XS Bar ist der Ort, an dem ich unter meinen Freunden bin und wir so | |
heftig feiern können, wie wir wollen“, sagt Haydar während er sich zu mir | |
vorbeugt, damit ich ihn bei der lauten Musik verstehen kann. Er riecht nach | |
Schweiß und Alkohol. Von der XS Bar ist bekannt, dass man hier alle Drogen | |
bekommt, die Damaskus zu bieten hat. Vor dem Ausbruch des Kriegs seien | |
Heroin und Kokain am beliebtesten gewesen, erzählt Hussein, ein Freund von | |
Haydar. „Jetzt allerdings stehen Crack und Ecstasy hoch im Kurs“, sagt er. | |
Nur ein paar Schritte Richtung syrischer Zentralbank sind es von der XS Bar | |
bis zum Al Wasim Night Club. Hier kommt her, wer sich beim Dinner die | |
Gesellschaft einer Prostituierten leisten kann. Es ist Hauspolitik des Al | |
Wasim, dass Freier und Freudenmädchen nie gemeinsam den Club verlassen, | |
sondern aus Gründen von Anstand und Diskretion mit kurzem zeitlichem | |
Abstand vom Tisch aufstehen. | |
Auf die Frage, ob dies nicht ein ziemlich plumper Ansatz sei, Prostitution | |
zu verschleiern, bestreitet der Platzanweiser des Al Wasim, dass es zur | |
Anbahnung von Kontakten komme: „Wir unterhalten und bekochen unsere Gäste | |
nur. Anschließend geht jeder Gast seiner eigenen Wege.“ | |
4 Oct 2013 | |
## AUTOREN | |
Martin Lejeune | |
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