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# taz.de -- Schiffsunglück vor Lampedusa: Über 100 Flüchtlinge ertrunken
> Ein Flüchtlingsboot ist am Donnerstag im Mittelmeer gekentert. Weit über
> einhundert Menschen kamen ums Leben. In Rom herrscht allgemeines
> Entsetzen.
Bild: 3. Oktober: Gerettete Flüchtlinge erreichen den Hafen von Lampedusa.
ROM taz | Eine der womöglich größten Flüchtlingstragödien der letzten Jahre
ereignete sich in der Nacht zum Donnerstag vor der Insel Lampedusa. Dort
kenterte ein Kutter mit etwa 500 Menschen, ersten Aussagen zufolge nach
einem Brand an Bord. Weit über 100 der Passagiere konnten nur noch tot
geborgen werden, während etwa 150 gerettet wurden. Noch immer werden rund
200 weitere vermisst. Zugleich aber berichteten die Rettungskräfte von
zahlreichen Leichen, die noch im Wasser trieben.
Nach ersten Aussagen der Retter handelte es sich um ein nur etwa 15 Meter
langes Boot, das die Flüchtlinge aus Eritrea und Somalia transportierte,
unter ihnen etwa 30 Kinder und zahlreiche Frauen. Unter den bisher
geborgenen Toten waren auch eine schwangere Frau und zwei Kinder. Als
mögliche Ursache des Untergangs wurde ein Kurzschluss, der einen Brand
auslöste, genannt. Gerettete Flüchtlinge sprachen jedoch laut italienischen
Medien davon, dass an Bord Feuer entfacht worden sei, um auf das in Seenot
befindliche Schiff aufmerksam zu machen.
Erste Helfer am Unglücksort waren zwei italienische Fischkutter, die in der
Zone operierten und ihrerseits auch die italienische Küstenwache
alarmierten. Mindestens zwei andere Fisch-Trawler wiederum haben nach
Aussagen von Geretteten einfach ihre Fahrt fortgesetzt, obwohl sie sich in
unmittelbarer Nähe der Unglücksstelle befanden.
„Es ist ein Horror, eine enorme Tragödie“, sagte die Bürgermeisterin von
Lampedusa, Giusy Nicolini, auf der Mole der Insel im Angesicht der dort
zunächst notdürftig aufgebahrten Leichen, „sie hören nicht auf, immer neue
Tote heranzubringen“. Italiens Innenminister Angelino Alfano ebenso wie die
Präsidentin des Abgeordnetenhauses Laura Boldrini – sie war bis Ende 2012
Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR in Italien – kündigten an,
dass sie sich noch am Donnerstag an den Unglücksort begeben wollten.
## Mit Peitschenhieben ins Wasser getrieben
Italien erlebt damit die zweite Flüchtlingstragödie binnen weniger Tage.
Erst am Montag waren vor Siziliens Südküste 13 Menschen in unmittelbarer
Nähe des rettenden Strandes ertrunken. Die Schleuser hatten, nachdem ihr
Boot auf Grund gelaufen war, die Passagiere mit Peitschenhieben ins Wasser
getrieben, obwohl viele von ihnen nicht schwimmen konnten.
Im Jahr 2013 erlebte Italien gegenüber den Vorjahren einen neuen Anstieg
der Flüchtlinge, die übers Mittelmeer nach Lampedusa, aber auch direkt nach
Sizilien kamen. Noch in der Unglücksnacht auf Donnerstag traf ein weiteres
Schiff mit 463 Menschen in Lampedusa ein.
Bisher werden etwa 23.000 Menschen gezählt, die für die lebensgefährliche
Überfahrt auf Seelenverkäufern Unsummen zahlen müssen. Gut 3.000 der
Flüchtlinge kamen aus Syrien, doch weiterhin kommen die meisten aus Eritrea
und Somalia. Im Unterschied zu den Zeiten der Berlusconi-Regierung blasen
Ministerpräsident Letta und seine Minister den Zustrom nicht zum
„nationalen Notstand“ auf.
## „Es ist eine Schande“
Stattdessen herrscht jetzt in Rom allgemeines Entsetzen. Einige Politiker
fordern, dass Italien Staatstrauer für die Toten anordnet. Zu den
schärfsten Reaktionen gehört die von Papst Franziskus, der in einer Rede
erklärte, „das Wort Schande kommt in den Sinn: Es ist eine Schande!“
Nur die fremdenfeindliche Lega Nord versucht aus der Tragödie Kapital zu
schlagen. Einer ihre Sprecher erklärte ungerührt, Parlamentspräsidentin
Laura Boldrini und die aus dem Kongo stammende Integrationsministerin
Cecile Kyenge hätten die Opfer „auf dem Gewissen“, weil sie mit ihrem
Eintreten für eine offene Aufnahmepolitik die Flüchtlinge geradezu
anstachelten.
3 Oct 2013
## AUTOREN
Michael Braun
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