| # taz.de -- Nach Mord an Botschaftsmitarbeiter: Der andere Jemen | |
| > Ausländer leben gefährlich im Jemen, Al-Quaida bleibt präsent. Dennoch | |
| > beginnt gerade ein nationaler Dialog, der lohnt, Risiken einzugehen. | |
| Bild: In Jemen geht's friedlicher zu als in Ägypten und Syrien: Massenhochzeit… | |
| Mehr als zwölf Entführungen innerhalb eines Jahres, einige weitere | |
| gescheiterte Entführungsversuche, mehrere Anschläge – Ausländer leben | |
| gefährlich im Jemen. Spätestens seit dem gestrigen Mord an dem deutschen | |
| Botschaftsmitarbeiter könnte man sich fragen: Lohnt sich das? Sollte man | |
| die Botschaften nicht definitiv schließen und die Jemeniten sich selbst | |
| überlassen? | |
| Entführungen sind nichts Neues im Jemen. Seit Jahrzehnten kidnappen Stämme | |
| Touristen, um Forderungen gegenüber der Zentralregierung durchzusetzen: die | |
| Entlassung verurteilter Häftlinge, der Bau einer Straße usw. Es sind die | |
| Symptome einer Gesellschaft, die sich mit ihrem Stamm oder ihrer Region | |
| identifiziert, nicht aber mit dem Staat, und in der die Staatsvertreter | |
| hinwiederum vor allem die Interessen ihres Stammes oder ihrer Region | |
| vertreten. | |
| Seit dem Sturz des Diktators Ali Abdullah Saleh 2011 haben sich diese | |
| Versuche, Partikularinteressen durchzusetzen, noch verstärkt, denn seither | |
| werden im Jemen die Karten neu gemischt. Das Verhältnis zwischen Nord- und | |
| Südjemen wird neu ausgehandelt, die Minderheit der Houthi im Norden wittert | |
| Morgenluft für ihre Sezessionsbestrebungen, innerhalb vieler Stämme gibt es | |
| Machtkämpfe, und in der Armee sind Meutereien an der Tagesordnung. | |
| Täglich finden kleinere und größere bewaffnete Auseinandersetzungen statt. | |
| Diese Kämpfe werden in der Regel nicht von der Regierung beigelegt – die | |
| verfügt nicht über die notwendigen Hebel – sondern von Stammesältesten und | |
| Scheichs. Das Denken in Partikularinteressen wird so bestärkt, Sanaa ist | |
| weit weg. | |
| ## Arbeit an einer neuen Verfassung | |
| Es gibt aber auch eine gegenläufige Entwicklung. Seit dem vergangenen | |
| Frühjahr diskutieren Vertreter aller relevanten politischen Gruppen im | |
| Jemen – Politiker, Stammesälteste, Angehörige der Zivilgesellschaft, | |
| Frauenaktivistinnen – darüber, wie der Jemen politisch künftig aussehen | |
| könnte. Trotz zahlreicher Rückschläge hat der Nationale Dialog seine Arbeit | |
| fortgesetzt und ist nun in seiner Endphase angelangt. | |
| Die Ergebnisse sollen in einen neuen Verfassungsentwurf einfließen, Wahlen | |
| sollen folgen. Mit dem Nationalen Dialog ist der Jemen einen friedlicheren | |
| Weg gegangen als etwa Ägypten, geschweige denn Syrien. Zum ersten Mal gibt | |
| es in der Geschichte dieses Landes die Hoffnung auf ein politisches System, | |
| das alle Bevölkerungsgruppen einschließt. Und das Ausland hat – durch | |
| finanzielle Unterstützung – dazu beigetragen, dass der Nationale Dialog | |
| nicht abgebrochen wurde. | |
| ## Al-Quaida verhandelt nicht | |
| Während die diversen Gruppen – insbesondere jetzt, in der Endphase des | |
| Nationalen Dialogs – noch einmal versuchen, ihre jeweiligen Positionen zu | |
| festigen, spielt al-Qaida in einer anderen Liga. Al-Qaida war schon vor dem | |
| Regimewechsel im Jemen präsent. Seit dem Machtvakuum nach dem Sturz des | |
| Diktators hat sie vor allem im Südosten, in den Provinzen Schabwa und | |
| Abyan, an Raum gewonnen und zwischenzeitlich islamische Emirate errichtet. | |
| Al-Qaida nimmt am Nationalen Dialog nicht teil, sie will nicht verhandeln, | |
| sie will ihre totalitäre islamische Ideologie durchsetzen. Nicht nur gegen | |
| den „ungläubigen“ Westen, sondern auch gegen die Jemeniten, die diese | |
| Staatsform nicht anstreben. Um das zu verhindern, sollte der Westen im | |
| Jemen bleiben: Um diejenigen Kräfte zu unterstützen, die auf Dialog und | |
| eine gemeinsame Zukunft setzen. | |
| 7 Oct 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Antje Bauer | |
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