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# taz.de -- Die Strategien von Greenpeace: „Einfache Symboliken sind überhol…
> Greenpeace hat die Umwelt im Blick. Soziale und gesellschaftliche Aspekte
> werden ignoriert, kritisiert der Politologe Achim Brunnengräber.
Bild: Die russische Küstenwache bringt die „Arctic Sunrise“ auf.
sonntaz: Herr Brunnengräber, Sie befassen sich wissenschaftlich mit NGOs
und deren Rolle in der internationalen Politik. Auch mit den PR-Profis von
Greenpeace. Machen die gerade wieder alles richtig?
Achim Brunnengräber: Greenpeace ist natürlich schlagkräftig und kann durch
sein professionelles Vorgehen viel Medienöffentlichkeit herstellen.
Kritisch zu fragen wäre, ob es noch zeitgemäß ist, sich so stark auf die
Umwelt zu versteifen, ohne soziale und gesellschaftliche Aspekte
mitzudenken. Man sollte erkennen, dass wir es mit multiplen
Krisenerscheinungen zu tun haben und die ökologische Dimension nicht von
der sozialen und gesellschaftlichen getrennt werden kann.
Das hieße im konkreten Fall?
Dass hier strategisch mehr möglich wäre. Soziale Fragen in Murmansk, etwa
wie viele Menschen ihren Lebensunterhalt im Energiesektor bestreiten und
überhaupt von diesen Bohrungen abhängig sind, werden von Greenpeace nicht
einbezogen. Die andere Sache ist, dass in Russland 2012 ein neues
NGO-Gesetz erlassen wurde, wodurch viele NGOs quasi als ausländische
Agenten angesehen werden. Seitdem sind Tendenzen erkennbar, dass es in
Richtung Repression geht. Der Verdacht liegt nahe, dass jetzt ein Exempel
statuiert werden soll. Das verweist auf das schwierige demokratische Moment
für NGOs in Russland. Thematisiert wird das aber nicht.
Greenpeace spricht jetzt – wohl angelehnt an ähnlich klingende
Hollywoodfilme – von den „Arctic 30“.
Wenn ich mir die aktuelle Berichterstattung über die Situation der
Inhaftierten ansehe, dann geht es hier vor allem um Haftbedingungen und ob
die Suppe gut schmeckt. Aber die Missachtung der Menschenrechte und der
demokratisch desolate Zustand Russlands werden damit nicht verbunden.
Sind die Kampagnen zu populistisch?
In gewisser Weise steckt in den Kampagnen immer ein Moment der Zuspitzung.
Nur habe ich den Eindruck, dass Greenpeace auf eine zweite „Brent Spar“
wartet, einen Öltank, der 1995 erfolgreich besetzt wurde und dessen
geplante Versenkung im Meer damit verhindert werden konnte. Das Medienecho
war enorm. Damals funktionierten solche einfachen Symboliken noch. Ich
halte das heute für überholt.
Manche Katastrophen, wie die Versenkung der „Rainbow Warrior“ durch den
französischen Geheimdienst, haben Greenpeace durchaus auch genützt. Ist das
wieder zu erwarten?
Das eine ist, dass die Spendeneinnahmen in solchen Situationen in der Regel
immer zunehmen und die Bekanntheit von Greenpeace steigt. Andererseits
entsteht dadurch eine Verkürzung des Problems, die eigentlichen Inhalte und
Ziele der Kampagne werden nicht mehr transportiert. Dazu kommt noch, dass
die Menschen in Murmansk auf die aktuelle Aktion von Greenpeace negativ
reagieren, weil durch die Erschließung der Arktis für sie Arbeitsplätze
geschaffen werden.
Manche NGOs werden wegen ihrer engen Verflechtung mit der Wirtschaft und
dem Staat kritisiert.
Vor allem hinsichtlich der Klima- und Energiepolitik kann man beobachten,
dass wir eine sehr lange Phase der NGOisierung erlebt haben. Die starke
Fokussierung auf Verhandlungen und Kooperation wird vonseiten der großen
NGOs oft als alternativlos dargestellt. Dann hat man festgestellt, dass der
Prozess nicht weitergeht, dass die marktwirtschaftlichen Instrumente nicht
funktionieren. Ab da wurde das Moment der Bewegung wieder stärker in den
Mittelpunkt gestellt. Insofern würde ich sagen: Ja, die Multis unter den
Nichtregierungsorganisationen haben zu stark auf den Pfad der
internationalen Verhandlungen gesetzt und haben die Vielschichtigkeit der
Klimaproblematik nicht erkannt. Heute passiert da aber wieder eine gewisse
Öffnung.
Also zurück zu den kleinen Bewegungen?
Ich würde sagen, dass wir beides brauchen: sowohl den Versuch der
Beeinflussung der internationalen Politik, aber auch die lokalen
Energiekämpfe. Klimacamps oder Aktionen gegen Fracking sind ebenso wichtig,
weil sie – etwa in der Klimaproblematik – noch einmal gezielt auf die
Herausforderungen für jeden Einzelnen hinweisen.
26 Oct 2013
## AUTOREN
Stefan Weiss
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