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# taz.de -- Die Kandidatin: „Es gab so viel Zuspruch“
> Erschöpft sei sie gewesen, erklärt Europa-Abgeordnete Helga Trüpel
> (Grüne) ihre Rückzugsankündigung. Jetzt tritt sie doch an – um die
> Euroskepsis zu besiegen.
Bild: Macht weiter: Helga Trüpel.
taz: Frau Trüpel, warum kandidieren Sie wieder fürs Europaparlament?
Helga Trüpel: Ich kandidiere wieder, weil die Arbeit attraktiv und spannend
ist, weil in der nächsten Wahlperiode große Fragen anstehen, wie man den
europäischen Haushalt ökologischer und grüner gestalten kann: Also wie man
zu neuen Schwerpunkten kommt, wie man dazu kommt, mehr für nachhaltige
Entwicklung, für CO2-arme Wirtschaft, für die entsprechende Forschung und
für Bildung bereitzustellen...
… sprich: Um das zu machen, woran Sie ohnehin schon jetzt arbeiten?
Ja, an diesen Themen habe ich in den letzten Jahren gearbeitet – und die
sind nicht erledigt.
Aber offenbar Sie selbst – wenigstens klang Ihre Erklärung so, in der Sie
vergangene Woche den Bremer Grünen mitteilten, nicht mehr anzutreten...
Ja, die Aufgaben in Brüssel und Straßburg waren sehr kräftezehrend. Ich war
erschöpft, und es gab persönliche Schicksalsschläge. Gleichzeitig steht
dagegen die Attraktivität der Arbeit – und es gab so viel Zuspruch, so viel
Ermutigung und Unterstützung …
… aus Bremen oder mehr aus der Fraktion?
Sowohl als auch, fast gleichermaßen.
War der Zuspruch so wichtig, weil sonst der Eindruck vorherrscht, dass sich
für diese ganze aufreibende Arbeit kein Schwein oder gar Mensch
interessiert?
Nein, das glaube ich nicht. Ich mache ja viele Veranstaltungen in Bremen,
um in der Stadt so etwas wie einen Raum für Europa herzustellen. Und die
haben eine große Resonanz: Die Leute finden gut, dass es das gibt. Von
daher fühle ich mich nicht so distanziert.
Im politischen Raum erkennen das die meisten an – trotzdem bleibt die
Beteiligung an den Europawahlen in Bremen sogar unter des
Bundesdurchschnitts: Wie kommt man da zu einer breiteren Basis?
Das ist ein Problem, und daran arbeiten wir: Jetzt gibt es ja das neue
Bündnis Bremen wählt Europa, an dem sich sehr viele gesellschaftliche
Kräfte engagieren wollen. Die Ansage muss sein: Wir überlassen Europa nicht
den Euro-Skeptikern – und ich baue darauf, dass das mobilisiert. Die
Errungenschaften der Europäischen Union, die sollten nicht gering geschätzt
werden.
Welche waren denn das gleich noch mal?
Es ist doch klar, dass viele politische Ziele national höchstens
unzureichend umgesetzt werden können, ob das nun die Finanzmarktregulierung
ist oder die Energiepolitik – das können die Einzelstaaten gar nicht
leisten. Die relevanten Fragen überschreiten die Grenzen.
Dann hätten die Euroskeptiker ja doch was Gutes – wenn man sich dadurch der
Bedeutung der EU bewusster wird?
Wenigstens, wenn deren Infragestellung der Erfolge und Einigungen, die es
gibt, zu so etwas wie einer Selbstreflexion führt, und man sich darüber
klar wird, was die Rückabwicklung des Erreichten für einen Schaden bedeuten
würde. Und wie die Zukunft des Projekts Europa aussehen soll. Auf diesen
Effekt der Auseinandersetzung setze ich für den kommenden Wahlkampf.
Dass Sie in den ziehen – wie wichtig war denn für diese Entscheidung, dass
Bremen sonst als einziges Bundesland möglicherweise gar keinen Sitz mehr im
EP gehabt hätte?
Das hat eine große Rolle gespielt: Es ist ja davon auszugehen, dass die
Bedeutung der Beschlüsse des EP zunimmt. Da nicht vertreten zu sein, wäre
bitter fürs Bundesland – weil wir aus Erfahrung wissen, dass es
beispielsweise bei den Beschlüssen zur Eurorettung darauf ankommt, eine
richtige Mischung aus Solidarität und Solidität zu finden. Da ist es
einfach gut, wenn auch Bremen mindestens eine Stimme hat – und mindestens
eine Abgeordnete, um diese Themen in Bremen und Bremerhaven zu spiegeln,
als konkrete Ansprechpartnerin.
Lassen sich in europäischer Perspektive überhaupt bremische Interessen
einbringen?
Ich bin nicht in erster Linie Bremen-Lobbyistin, sondern
Grünen-Abgeordnete: Das heißt, ich habe mich dafür eingesetzt, dass der
EU-Haushalt nachhaltiger und ökologischer wird, dass weniger Geld für
agro-industrielle Landwirtschaft, weniger für Betonpolitik und mehr für
nachhaltige Klimapolitik, nachhaltige Energie und für Bildung ausgegeben
wird.
Also eher global …
Das sind Fragen, die alle Auswirkungen auf Bremen haben und Entscheidungen
im Bremer Interesse. Für das habe ich mich eingesetzt – natürlich auch
dort, wo es noch unmittelbarer um Bremen geht, wie etwa die Meerespolitik
bis hin zur Reform der Fischereipolitik und natürlich Bremens Status als
ein Exzellenz-Zentrum für Luft- und Raumfahrt.
Da kollidieren aber mitunter Interessen der Grünen mit denen der Bremer
Unternehmen des Sektors – etwa OHB, deren Weltraumlupen Frontex helfen,
Flüchtlingsboote im Mittelmeer aufzubringen und zurück zu treiben – was die
Grünen-Fraktion scharf kritisiert.
Diese Technologien werden auch dafür eingesetzt, das Klima zu überwachen.
Das war uns wichtig – und das macht sie für uns förderungswürdig. Dass sie
auch anders gebraucht werden, entspricht nicht unseren Vorstellungen, da
bin ich auch vehement dagegen: Wir als Grüne rufen ja nicht nach Frontex.
Wir setzen uns für eine humane Flüchtlingspolitik ein …
… und helfen doch per Technologie-Förderung, die inhumane aufzurüsten: Muss
man den Widerspruch aushalten?
Gewisse Widersprüche muss man im Leben immer aushalten. Politisch setzen
wir uns dafür ein, dass diese Technologie für Zwecke des Klimaschutzes
verwendet wird, wir engagieren uns für eine menschliche Flüchtlingspolitik
– und für eine Reform von Frontex.
6 Nov 2013
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
Benno Schirrmeister
## TAGS
EU-Förderprgrogramm
Grüne Bremen
Grüne Bremen
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