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# taz.de -- Durch Wände schauen: Der Spion im Mobiltelefon
> US-Forscher haben ein Gerät entwickelt, mit dem man Menschen durch Wände
> beobachten kann. Es könnte in jedes Handy eingebaut werden.
Bild: Das Ziel ist, zu erkennen, ob hinter der Mauer jemand ist
CAMBRIDGE taz | Superman kann es, Knight Riders Auto kann es, und jetzt
kann es auch [1][Dina Katabi]: durch eine Wand hindurch spähen. Was den
fiktiven Helden mit Röntgenblick oder Infrarot gelingt, schafft die
Informatikprofessorin mit einem WLAN-Empfänger.
Den platziert sie vor einem geschlossenen Büro, in dem ihr Doktorand Fadel
Adib hin und her läuft. Er bewegt sich vom WLAN-Gerät weg, und die Kurve
auf einem Monitor schlägt nach oben aus. Er geht in die andere Richtung,
und die Kurve zeigt nach unten. Er streckt den Arm aus – auch diese kleine
Bewegung nimmt das Gerät wahr.
Bis zu drei Personen kann es erspähen. Und das ist erst der Anfang: „In ein
paar Jahren können wir wahrscheinlich die Silhouette eines Menschen
erkennen“, sagt Dina Katabi.
„Wi-Vi“, heißt die neue Erfindung der Forscher vom Massachusetts Institute
of Technology (MIT) in Cambridge. Das steht für Wireless Vision, drahtloses
Sehen. Damit kann man jemanden beobachten, der sich in einem geschlossenen
Raum bewegt – ohne, dass derjenige es mitbekommt. Was Actionfans entzücken
mag, alarmiert Datenschützer.
Wie Radio oder Funk bedient sich auch WLAN elektromagnetischer Wellen. Wenn
die auf einen Menschen treffen, werden sie reflektiert. Bisher allerdings
war es schwierig, diese Reflexionen zu messen, wenn sich zwischen Mensch
und Sender/Empfänger eine Wand befindet – denn auch Wände reflektieren
einen Teil der elektromagnetischen Wellen. Um die Reflexionen der Person
und der Wand zu trennen, mussten Wissenschaftler berechnen, wann die
jeweiligen Wellen wieder beim Empfänger ankommen. „Dafür brauchte man sehr
viel Strom und einen Lastwagen voller aufwändigem Gerät“, erklärt
MIT-Forscherin Dina Katabi. Über diese Ausrüstung verfüge nur das Militär.
Der Funkempfänger der MIT-Forscher dagegen lässt sich auf einem Chip in ein
Smartphone einbauen, ein zusätzliches Gerät ist nicht nötig. Der Trick:
Wi-Vi sendet zwei Signale gleichzeitig. Wenn diese von unbewegten Objekten
reflektiert werden, gleichen sie sich gegenseitig aus. Übrig bleibt das
Signal, das vom bewegten Objekt, also dem Menschen, reflektiert wird.
Anfang Oktober hat das MIT die neue Erfindung bereits vorgeführt;
Unternehmen wie Microsoft, Intel und Cisco hatten Vertreter geschickt. „Sie
waren begeistert“, sagt Fadel Adib, der die Technologie als Doktorand
mitentwickelt hat, „möglicherweise werden wir mit ihnen zusammenarbeiten,
um die Technologie für Konsumenten zugänglich zu machen“.
## Informelle Selbstbestimmung
Wenn Wi-Vi für wenig Geld jedem zur Verfügung stehe, gefährde das
allerdings die informationelle Selbstbestimmung, sagt Thomas Brückmann,
Sachbearbeiter beim Landesdatenschutzbeauftragten von
Mecklenburg-Vorpommern: „Hier kann jede Person ohne ihr Wissen und Wollen
durch Dritte beobachtet werden.“ Einbrecher oder Stalker etwa könnten
herausfinden, ob sich jemand im Haus befindet und wie sein Tagesablauf ist.
So könne ein Fremder an personenbezogene Daten gelangen – und da greife das
Bundesdatenschutzgesetz, so Brückmann. Damit wäre das Beobachten mit Wi-Vi
in Deutschland nur zulässig, wenn eine entsprechende Rechtsvorschrift
besteht oder der Betroffene einwilligt.
Sollte das Gerät tatsächlich die Silhouette eines Menschen anzeigen, würde
sich ein Beobachter möglicherweise sogar strafbar machen. „Verletzung des
höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen“ heißt der Passus im
Strafgesetzbuch. Allerdings, so Datenschützer Brückmann, müsse erst einmal
geklärt werden, ob auch eine Silhouette darunter fällt.
## Der Glaube an den Fortschritt
Während die Juristen noch gar nicht mit Klären angefangen haben, forscht
Dina Katabi am MIT schon weiter. Im Informatiklabor, einem verwinkelten,
mehrstöckigen Gebäude, das von Hundertwasser inspiriert scheint, gibt es
überhaupt nicht viele geschlossene Räume, in die man hineinspionieren
könnte. Studenten sitzen mit ihren Laptops in offenen Arbeitsecken auf
bunten Stühlen. Eine Umgebung, in der man an den technischen Fortschritt
glaubt.
Wer nicht in seiner Wohnung von Fremden beobachtet werden will, könne sich
schützen, sagt Informatikerin Katabi: „Jeder kann ein WLAN-Signal
blockieren.“ Daran hat Datenschützer Thomas Brückmann allerdings Zweifel:
„Dieser Aufwand kommt für den Normalbürger sicherlich nicht infrage.“
Leichter umzusetzen wäre wohl eine Art Anklopffunktion: Wenn ein Nutzer in
einen Raum hineinspähen will, sendet das Wi-Vi-Gerät zunächst automatisch
eine Anfrage an die Person im Raum. Nur wenn diese das Eindringen erlaubt,
funktioniert es. „Die Politik muss die Hersteller verpflichten, eine solche
Funktion einzubauen“, sagt Dina Katabi. Allerdings: Dieses Warnsignal
funktioniert nur, wenn der Mensch im Raum selbst per WLAN online ist.
## Vielseitige Nutzung
Trotz der Kritik glaubt Computerwissenschaftlerin Katabi, dass ihre
Erfindung sogar zum besseren Schutz der Privatsphäre beitragen könnte. Zum
Beispiel in Altenheimen: „Wenn ein hilfsbedürftiger Mensch im Badezimmer
ist, kann man ihn überwachen, ohne dass man eine Kamera aufstellen muss.“
Das könne auch hilfreich sein, wenn man nachts durch eine leere Straße geht
und überprüfen will, ob jemand folgt. Polizisten könnten die Technologie
nutzen, wenn sie ein Gebäude stürmen. Und Feuerwehrleute könnten Menschen
in einem brennenden Haus besser finden.
Die MIT-Wissenschaftler gehen inzwischen noch einen Schritt weiter: Sie
haben eine spezielle Funktechnik entwickelt, die sogar die räumliche
Position eines Menschen erkennen kann – ein 3D-Blick durch die Wand. „Das
ermöglicht es, Haushaltsgeräte zu steuern, indem man einfach auf sie
zeigt“, erläutert der Informatikdoktorand Fadel Adib.
Die speziellen Funksignale könnten die Gestensteuerung bei Computerspielen
deutlich verbessern. Bisher muss der Spieler direkt vor der Spielkonsole
stehen. Mit der neuen Technik kann er dagegen sogar in einem anderen Raum
sein und sich etwa in einem virtuellen Spiel hinter einem echten Möbelstück
verstecken. Professorin Katabi sagt, sie wolle diese „guten“ Anwendungen
bekannter machen: „Letztlich kommt es bei jeder Technologie darauf an, wie
man sie nutzt.“
8 Nov 2013
## LINKS
[1] http://people.csail.mit.edu/dina/
## AUTOREN
Eva-Maria Hommel
## TAGS
Datenschutz
Schwerpunkt Überwachung
Diagnose
Privatsphäre
Datenschutz
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