# taz.de -- Kolumne Kulturbeutel: Böses Bauen in Katar | |
> Ein geiles Stadion verdrängt das Sklaventhema. Das ist gut so, vor allem | |
> für die Architekten Zaha Hadid und Franz Beckenbauer. | |
Bild: Nur von oben geil: Al-Wakrah-Stadion | |
Da wird sich die Irrrlichtgestalt des deutschen Fußballs sicher gefreut | |
haben. Franz Beckenbauer muss nicht mehr über Sklaven sprechen. Nur zwei | |
Tage nachdem Amnesty International [1][in einem erschütternden Report] | |
festgestellt hat, dass die Arbeiter in Katar wie Vieh behandelt werden, | |
redet alle Fußballwelt von der Schönheit, respektive Geilheit der | |
Stadionarchitektur. | |
Die Kataris werden schon gewusst haben, warum sie ausgerechnet jetzt die | |
Pläne für ein spektakuläres WM-Stadion im ehemaligen Fischerkaff al-Wakra | |
am Persischen Golf vorgestellt haben. Und auch wenn die WM-Organisatoren um | |
Scheich Hamad bin Khalifa Al Thani noch so prüde sein mögen, sie werden | |
sich diebisch freuen, dass alle Fußballwelt witzelt über die Form des | |
Stadions, in der viele eine Vagina erkennen wollen. | |
Das Sklaventhema ist also erst mal vom Tisch. Dass es überhaupt auf den | |
Tisch gekommen ist, hat Franz Beckenbauer eh nie verstanden. Er hat | |
jedenfalls noch nie einen Sklaven gesehen bei seinen Besuchen im Emirat am | |
Golf. Wer mit dem Gemüt eines deutschen Fußballers durch die Welt geht, der | |
muss sich nicht dauernd aufregen über irgendwelche Ungerechtigkeiten. „Ich | |
habe keinen einzigen politischen Gefangenen gesehen“, hat Berti Vogts | |
gesagt, als man ihn während der Fußball-WM 1978 auf die brutale | |
Militärdiktatur in Argentinien angesprochen hat. Wie schön man sich die | |
Welt doch reden kann. | |
Die Welt zu verschönern ist auch das Programm der Superstararchitektin Zaha | |
Hadid. Ihre meist welligen Gebäude verzücken die Betrachter an vielen Orten | |
der Erde. Die Stadion-Vagina ist auch von ihr. Dass sie als solche nur von | |
oben zu erkennen sein wird, wird einem wie Beckenbauer egal sein. Will er | |
sich an der geilen Schüssel erfreuen, kann er sich ja eben mal mit dem | |
Helikopter drüberfliegen lassen. Wahrscheinlich lässt er sich erst über das | |
Gebäude fliegen, wenn es fertig ist – nicht dass er doch noch einen Sklaven | |
sieht. | |
## Keine Gewissensbisse | |
Von solchen lässt sich Zaha Hadid nicht selten ihre spektakulären Bauten | |
errichten. In Abu Dhabi hat sie den Zuschlag erhalten, ein „Performing Arts | |
Center“ zu errichten, das soll auch so ein Ding werden, dessen Kurven sich | |
zum Küstenwasser hinbeugen. | |
Als die Menschrechtsaktivisten von Human Rights Watch die Betonverbiegerin | |
dazu aufgefordert haben, sich mit den Arbeitsbedingungen auf den Baustellen | |
für ihr Superprojekt zu beschäftigen, das sandte ihr Büro eine Erklärung in | |
die Welt, wie sie in der Fifa-Zentrale in Zürich nicht besser hätte | |
formuliert werden können. „Wir nehmen den Bericht von Human Rights Watch | |
sehr ernst.“ Vor vier Jahren war das. Hat es etwa damals schon | |
Sklavenarbeit am Persischen Golf gegeben? Wir sollten noch einmal bei Franz | |
Beckenbauer nachfragen. | |
Zaha Hadid kann sich die Nachfrage bei dem Wahlösterreicher im Dienst der | |
russischen Rohstoffindustrie sparen. Sie braucht niemanden, der ihr das | |
Gewissen reinredet. Was das Bauen für Despoten angeht, hat sie ohnehin jede | |
Menge Erfahrung. Als sich Aserbaidschan aufgemacht hat, seine Hauptstadt | |
Baku, in der nach dem Wunsch des Herrschers Ilham Alijew möglichst bald ein | |
großes Fußballturnier oder gar Olympia stattfinden soll, mit modernster | |
Wellenarchitektur aufzuhübschen, da ließ sich Zaha Hadid nicht lange | |
bitten. Nach ihren einmal mehr recht irren Plänen wurde das „Heydar Aliyev | |
Cultural Centre“ in Baku errichtet. | |
Zum ersten Spatenstich reiste die Künstlerin persönlich an und legte Blumen | |
auf das Grab des Mannes, nach dem der Kunstbau benannt ist. Heydar Alijew | |
herrschte schon in Aserbaidschan, als es die Sowjetunion noch gab, und tat | |
als Präsident nach deren Ende alles, um sich Reichtum und seiner Familie | |
die Macht zu sichern. Was darüber in der zum Heydar Aliyev Cultural Centre | |
gehörenden Bibliothek zu lesen ist – oder eben nicht, das weiß die | |
Architektin gewiss ebenso wenig wie irgendetwas über die Höhe der Löhne der | |
Arbeiter, die diesen Kulturpalast errichtet haben. | |
20 Nov 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.amnesty.org/en/region/qatar | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
## TAGS | |
Franz Beckenbauer | |
Fußball | |
Fußball-WM | |
Stadion | |
Katar | |
Sklaverei | |
Fußballweltmeisterschaft | |
Zahir Belounis | |
Fußball | |
Katar | |
Katar | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Fußballprofi Zahir Belounis: Endlich raus aus Katar | |
Der französische Fußballprofi Zahir Belounis ist zurück in Frankreich. Seit | |
Juni 2012 war er in Katar festgehalten worden, nachdem er seinen Verein | |
verklagt hatte. | |
Amnesty-Bericht zu WM in Katar: „Nepalesen wie Vieh behandelt“ | |
Zwölf-Stunden-Schichten, kein Lohn, Pässe weg. Amnesty International hat | |
einen Bericht zu den Arbeitsumständen auf Katars WM-Baustellen | |
veröffentlicht. | |
WM 2022 trotz Ausbeutung in Katar: Der Emir und sein Sepp | |
Fifa-Boss Blatter zeigt sich in Doha zufrieden mit der Arbeit des | |
Turnier-Gastgebers. Die Entscheidung über den Austragungsort werde nicht | |
revidiert. | |
Arbeitsmigranten in Katar: Entrechtet und ausgebeutet | |
Viele Einwanderer im Golfstaat werden von ihren Arbeitgebern wie Sklaven | |
behandelt. Kritik kommt nun von den UN. Unter anderem wird ein Mindestlohn | |
gefordert. |