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# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Suche nach dem Glücks-Trikot
> Den Fußballtag früh beginnen, Bier trinken, gegnerische Fans treffen: Die
> richtigen Rituale sorgen beim Spitzenspiel für das wahre Fußballgefühl.
Bild: „Ich werde niemals ein Produkt kaufen, für das Jürgen Klopp wirbt –…
Wir sind uns dessen bewusst, dass es eigentlich nie klappt, ein Gefühl aus
der Konserve zu fummeln und noch einmal zu erleben. Den Urlaub mit den
Kumpels zehn Jahre danach zu wiederholen und darauf zu hoffen, dass sich
wieder die Klassenfahrtsatmosphäre von damals einstellt, muss scheitern.
Dennoch: Am Samstag ist es so weit. Er wird sein gelbes Trikot tragen. Ich
mein … tja, jetzt wird’s kompliziert: das Weiße? Das Rote? Das Schwarze? Es
sind ganz simple Allmachtsfantasien, die bei dieser Entscheidung
mitschwingen: Welches Shirt trägt vorm Fernseher bei Bier und Zigaretten
zum Erfolg bei?
Alle Trikots, die ich bei Finals der Bayern trug und die kein Glück
brachten, habe ich danach nie wieder angezogen. In der vergangenen Saison
trug ich zu den relevanten Spielen stets dasselbe rote Trikot – und je
weiter die Saison voranschritt auch dieselben Socken. Und dieselbe Hose.
Und ja, auch dieselbe Unterhose.
Doch die Spielzeit ist vorbei. Die Klamotten sind gewaschen. Jupp ist weg.
Drei Titel und Pep da. Alles auf Anfang, oder wie Capitano Michael Ballack
es einst ausdrückte: „Rituale habe ich nicht. Bis auf die Dinge, die man
immer gleich macht.“
Also wollen wir nochmal das Gleiche machen: den Fußballtag früh beginnen,
durch die Stadt streifen, Bier trinken, gegnerische Fans treffen (wir
treffen uns ja quasi gegenseitig), wie das halt so läuft auf
Auswärtsfahrten – zumindest wenn sie nicht vom Fanklub Deutsche
Nationalmannschaft organisiert werden.
Verständnis ernteten wir schon damals im Mai wenig: nach London? Ohne
Tickets? Die Sicherheitsbehörden wollten uns nicht da haben. Der
europäische Fußballverband Uefa wollte uns nicht da haben. Und wer sonst
nur Länderspiele im Fernsehen guckt – und dann aber echt voll für
Deutschland ist – verstand und versteht es nicht, dass ein solcher Tag viel
mehr ist als ein Fußballspiel. Es geht auch nicht darum, ob wir durch
unsere bloße Anwesenheit das Spiel beeinflussen können. Es war schlicht das
wahr geworden, wovon wir die ganze Saison über geträumt hatten – und was
gegen Malaga schon verloren schien: Bayern gegen Dortmund im
Champions-League-Finale, ich gegen ihn, wir gegen euch.
Diesen Tag wie jeden anderen zu begehen, wie sollte ich das meinen Kindern
erklären, die hoffentlich keine Bayern-Fans werden (dann müssen sie sich
niemals für ihr Sein rechtfertigen oder sich schämen, wenn – wie nach dem
Pokalfinale – alle Uli Hoeneß als „besten Mann“ feiern)? Es war ein
irrationaler innerer Drang, nach London zu fliegen, dabei zu sein, Präsenz
zu zeigen – und die hatte die Bayern-Anhängerschaft dringend nötig, wenn
ich an den schwarz-gelben Trafalgar Square am Nachmittag vor dem Anpfiff
denke.
Und so ist es auch an diesem Samstag. Aus Dortmund gegen Bayern ist mehr
als ein Fußballspiel geworden. Ich mag Jürgen Klopp nicht. Ich werde
niemals ein Produkt kaufen, für das er wirbt – was meine Einkaufsoptionen
arg einschränkt. Mein Dortmunder Kumpel würde wohl gern von Kloppo
adoptiert werden.
Trotzdem mag ich meinen Kumpel, auch während der 90 Minuten gegen den BVB.
Ich glaub, dass er auch mich mag. Aber wir hassen den Klub des anderen aufs
Innigste. Aus dieser Mischung entsteht das Gefühl, aus dem Samstag etwas
Besonderes machen zu müssen – mit allen Ritualen, mit Auswärtsfahrt (mit
der S-Bahn), mit Freunden und Rivalen. Auf die Spieler kann man sich da
schließlich nicht verlassen.
Unsere Pläne wurden übrigens durchkreuzt. Meine Nichte feiert Geburtstag,
ich helfe bei der Kinderbetreuung auf der Schlittschuhbahn. Es klappt halt
nie, ein Gefühl aus der Konserve noch einmal aufzuwärmen. Jetzt bleibt nur
noch die Frage: Welches Trikot beim Eiskunstlauf?
23 Nov 2013
## AUTOREN
Jürn Kruse
## TAGS
Fußball
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