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# taz.de -- Die Wahrheit: Don Flippo von Paketien
> Unser Paketbote hatte auf der Fusion ein Erweckungserlebnis und hört nur
> noch Goa-Trance. Seither ist alles anders geworden.
Noch knapp drei Wochen bis zum Fest, und unser Paketbote flippt jetzt schon
völlig aus. Seinen in zweiter Reihe parkenden Wagen kann man aus dem
dritten Obergeschoss durch die geschlossenen Fenster hören, weil die Musik,
die aus dem Laderaum schallt, sobald er die Klappe öffnet, sogar die
belebte Straße vor meinem Büro übertönt.
Seit seinem Erweckungserlebnis auf der Fusion, von dem er mir neulich
erzählte, hört er ausschließlich Goa-Trance, und das so laut, dass der
Asphalt zittert. Zudem hat er sich angewöhnt, in Mäusepingelmanier alle
Klingelknöpfe an der Haustür auf einmal zu drücken.
Wenn man ihm öffnet, brüllt er aus dem Erdgeschoss seine Anweisungen ins
Treppenhaus hinauf: „Komme gleich! Grundmann mal beim Nachbarn klingeln!
Zylka, nimmste dit Paket von dem über dir und dem daneben!? Pavel konnt ick
nicht mitbringen, is zu schwer, ha ick inner Station gelassen!“
Dann schnauft er die Treppen herauf, wirft irgendjemandem, dessen
Wohnungstür offen steht, drei „Vorsicht Glas!“-Päckchen am Oberarm vorbei
und klebt beim Runtergehen einen krakeligen Zettel entweder in zwei Meter
Höhe an die Treppenhauswand oder draußen an den Baum. Falls der Regen ihn
nicht komplett unkenntlich gemacht hat, steht auf dem Zettel meistens: „Die
Sendung wurde für Sie hinterlegt bei Ihrem Nachbarn: Uiuiuiuiu. Datum:
77.77.777“.
Ich habe schon versucht, den Paketboten mit einer kopierten DVD von „The
postman always rings twice“ zu bestechen, mit selbstgemachtem Jack
Nicholson-Cover, die hat er ohne mit der Wimper zu zucken angenommen.
Allein: Die Zustell-Benachrichtigung für das Geburtstagsgeschenk meiner
November-Geburstags-Freundin, das Buch „Magic Cleaning – Wie richtiges
Aufräumen ihr Leben verändert“ habe ich trotzdem erst fünf Tage nach ihrer
Feier entdeckt. Er hatte den Zettel im Hinterhof versteckt, an der Mauer
hinter der Biomülltonne, die schon seit Monaten keiner geleert hat.
Mit dem Ersatzgeschenk hatte ich ebenfalls Pech, in der Geschenkekiste lag
ganz unten nämlich nur noch der blöde Gummi-Weinverschluss in
Männchen-mit-Pimmel-Form, und vielleicht wäre es besser gewesen, in einem
solchen Fall gar nichts zu schenken. Meine Freundin guckte auf ihrem Fest
dermaßen schmallippig, dass ich ihr anbot, den Pimmelstöpsel gegen das
echte Geschenk umzutauschen, sobald ich es erhalten habe, und sie willigte
ein.
Den ganzen Tag dachte ich darüber nach, ob der versaute Verschluss dem
Paketboten gar besser gefallen könnte als der Bob-Rafelson-Film. Oder er
will einfach nur eine andere Adaption des Stoffes, etwa die von Christian
Petzhold oder Visconti.
Aus alldem wurde aber nichts. Nachbar Grundmann, der mein Paket laut
Benachrichtigungsschein entgegengenommen hat, weiß von nichts. Meine
Freundin hat den pubertären Pfropfen in ihrer unordentlichen Wohnung eh
noch nicht wiedergefunden. Und ich kann ihr das Buch unmöglich noch mal im
Netz bestellen. Ich müsste es schließlich vom Paketboten liefern lassen.
6 Dec 2013
## AUTOREN
Jenni Zylka
## TAGS
Fusion
Wahrheit
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Weihnachten
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