# taz.de -- Die Wahrheit: Sitzt du noch? | |
> Neu auf dem Markt: Die elektronische Fußfessel „Lasse“. Denn Ikea will | |
> jetzt auch Justizvollzugsanstalten einrichten. Politiker sind begeistert. | |
Bild: Fein! Im neuen Ikea-Knast dürfen die Insassen ihre Möbel in den Zellen … | |
Der schwedische Einrichtungsgigant Ikea geht in Deutschland neue Wege. Der | |
Konzern setzt künftig nicht mehr nur auf Möbelhäuser in Feldrandlagen. | |
Jetzt will er auch ein eigenes Gefängnis betreiben. „Unsere Vision geht | |
über das Einrichten an sich hinaus. Wir wollen für alle Menschen in jeder | |
Lebenssituation einen besseren Alltag schaffen“, erklärt Geschäftsführer | |
Peter Patrull. | |
Im Hamburger Stadtteil Billystedt soll Deutschlands erste | |
Justizvollzugsanstalt „made by Ikea“ entstehen. Mehr als 80 Millionen Euro | |
will der Konzern investieren und rund 150 Haftplätze schaffen, bezugsfertig | |
ab Frühjahr 2015. | |
„Gesellschaftliche Verantwortung ist Teil unserer Unternehmensphilosophie. | |
Ein Zuhause – und sei es ein Zuhause auf Zeit –, das ist mehr als ein paar | |
Möbel. Es ist das Gefühl, daheim zu sein“, sagt Patrull. Ein Gefängnis sei | |
zudem der ideale Ort, um das Ikea-Konzept für kleine Räume konsequent | |
umzusetzen. | |
„Ganz gleich, wie groß ein Zuhause ist, irgendwie hat man ja immer zu wenig | |
Platz“, lacht der Ikea-Chef. „Und vier Menschen, die auf 18 Quadratmetern | |
zusammenleben, das klingt natürlich chaotisch. Aber hier werden Sie sehen: | |
Mit den richtigen Ideen findet jeder Platz, von dem er nicht wusste, dass | |
er da ist.“ | |
## „Hier läuft alles nach Plan“ | |
Unter dem Motto „Sitzt du noch?“ soll das Gemeinschaftsgefühl gestärkt | |
werden. „Jeder neue Insasse erhält ein Starter-Kit mit Inbusschlüsseln, | |
Gummihammer, Kombizange, Nägeln und Schrauben. Dann bauen alle ihre | |
Zellenmöbel zusammen auf. Das stärkt die Kameradschaft und das Gefühl, | |
nützlich zu sein“, erläutert Human-Resources-Managerin Vroni Hasser. | |
Um die Mitarbeiter auf den Kontakt mit Strafgefangenen vorzubereiten, seien | |
spezielle Personality-Schulungen mit psychologischer Tiefenwirkung geplant. | |
„In jedem Menschen steckt die Ikea-Kultur, was immer er getan hat“, sagt | |
Hasser. „Wir erkennen das Potenzial, ein geradliniger, bodenständiger | |
Mensch zu werden.“ | |
In der Verwaltung orientiere man sich an dem Konzept der JVA Hünfeld in | |
Hessen – das Musterbeispiel für ein privat betriebenes Gefängnis. Hier | |
kümmert sich der britische Dienstleistungskonzern Serco um die Insassen, | |
zur Zufriedenheit des Justizministeriums. „Keine Aufstände, Selbstmorde | |
oder Ausbrüche, hier läuft alles nach Plan“, lobte Jörg-Uwe Hahn (FDP). Nur | |
die britische Gefängniskost gehe manchem aufs Gemüt. „Da wären sogar diese | |
schwedischen Schnellschussbuletten mal eine Abwechslung“, erklärte der | |
Noch-Minister. | |
Aber die Vorteile seien insgesamt erheblich, besonders die finanziellen: Im | |
Vergleich zu einem rein staatlichen Gefängnis koste das privatisierte | |
Hünfeld fast 700.000 Euro weniger pro Jahr. Hahn: „In Zeiten knapper Kassen | |
ist das eine echte Win-win-Situation, sowohl für eine Landesregierung als | |
auch das betreibende Unternehmen.“ | |
## Produktlinie „Breivik“ | |
Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) betont, man sei „nicht an | |
einer Billy- … äh, Billiglösung interessiert, sondern an einer | |
wirtschaftlichen Innovation des Strafvollzugs durch die Nutzung privaten | |
Sachverstandes“. Bei Ikea handele es sich, so Scholz, um ein international | |
tätiges Unternehmen, das bereits Erfahrungen mit der Nutzung von | |
Haftanstalten etwa in der Deutschen Demokratischen Republik sowie in Kuba | |
vorweisen könne. Die Maßregelung von Gefangenen, versichert Geschäftsführer | |
Patrull, bleibe jedoch Aufgabe der Beamten: „Keine Sorge, unsere | |
Mitarbeiter können jemanden höchstens mal einen Tag im Bällebad fixieren, | |
wenn er nicht pünktlich beim Umschluss war.“ | |
Der Gefängnismarkt in Deutschland sei verlockend, so Patrull. „Jedes | |
Bundesland braucht in absehbarer Zeit mindestens eine neue JVA. Wir können | |
diese schlüsselfertig liefern, kostengünstig und schnell.“ | |
Expansionspotenzial erkenne er auch in der Abschiebungshaft. „Es gibt ja | |
immer wieder diese schrecklichen Berichte, dass sich da einer umgebracht | |
hat.“ Hier könne sein Konzern mit einer breiten, auch für knappe | |
Landeskassen erschwinglichen Einrichtungspalette entgegenwirken. Es sei | |
wissenschaftlich erwiesen, dass Menschen „sich besser fühlen und | |
glücklicher sind, wenn sie schöne Farben und Formen in den Dingen erleben, | |
die sie täglich umgeben, so bescheiden diese auch sein mögen“, sagt | |
Patrull. | |
Oft genüge schon ein einfacher Schwingstuhl, um bessere Laune zu bekommen. | |
Auf diese Weise würden Abgeschobene „bei der Rückkehr in ihre Heimat zu | |
Botschaftern unseres ,Demokratischen Designs‘. Und das kann vielen Ländern | |
ja nur gut tun.“ Die entsprechende Produktlinie „Breivik“ soll ab Frühja… | |
2015 auch in allen frei zugänglichen Ikea-Märkten angeboten werden. Dazu | |
passend gebe es bereits jetzt die elektronische Fußfessel „Lasse“ sowie das | |
Betten-Schutzgitter „Fixa“. | |
9 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Tanja Kokoska | |
## TAGS | |
Ikea | |
Knast | |
Kinder | |
Christian Lindner | |
Fitness | |
Erika Steinbach | |
Tchibo | |
Ernährung | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Die Wahrheit: O du Wunderkind der Justiz! | |
Die Wahrheit-Sommerserie „Wahre Wunder“ (5): Eine Ode an ein ganz frisches | |
Frankfurter Genie des Rechts mit einem erstaunlichen Werdegang. | |
Die Wahrheit: Doppelwumms im Ehebett | |
Unklare Familienverhältnisse und die Nachwehen einer liberalen Hochzeit | |
belasten Finanzminister Christian Lindner. | |
Die Wahrheit: Schlank durch Beten | |
„Bodypray“ ist der allerneueste Fitnesstrend in der Ertüchtigungsbranche. | |
Jetzt schwappt die Workout-Welle auch nach Deutschland. | |
Die Wahrheit: Brüh im Glanze | |
Ein Herz für Königsberger Klopse: Die Ober-Vertriebene Erika Steinbach | |
verklagt die Europäische Union. | |
Die Wahrheit: Kaffee mit Herz | |
„Während wir hier gemütlich bei einer Tasse ’Feine Milde‘ sitzen, warten | |
12.000 Menschen auf ein Spenderorgan“. Tchibo steigt in den Organhandel | |
ein. | |
Die Wahrheit: Delikate Silberfischstäbchen | |
Das Pilotprojekt „McBug“ startet: Rechtzeitig zur Grillsaison 2013 bringt | |
die Bundesregierung nun leckere Insekten-Burger auf den Tisch. |