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# taz.de -- Unesco-Kulturerbe: Rattenfänger, Nikolaus und Karneval
> Die Unesco schützt Bräuche und Traditionen als Kulturerbe der Menschheit.
> In Deutschland werden erstmals Vorschläge gemacht.
Bild: Die niedersächsische Stadt Hameln hält den Rattenfänger für schützen…
BERLIN dpa | Ist das nach deutschem Reinheitsgebot gebraute Bier ein
Kulturerbe wie der Kölner Dom? Oder sollte eher der rheinische Karneval,
die deutsche Brotvielfalt oder gar die natürliche Geburt unter Schutz
gestellt werden? Nach langem Zaudern ist Deutschland im Juli dem
Unesco-Übereinkommen zum immateriellen Kulturerbe beigetreten. Verbände,
Vereine und Privatleute konnten bis Ende November Vorschläge einreichen.
Die Bundesländer treffen eine Vorauswahl für das deutsche Verzeichnis.
International zählen bereits der argentinische Tango, die türkische
Kaffeekultur oder die chinesische Akupunktur zu den geschützten
Kulturgütern.
„Die nationale Liste kann sehr erfolgreich werden, weil die schützenswerten
Bräuche die Menschen persönlich betreffen“, sagt Prof. Eva-Maria Seng,
Inhaberin des Lehrstuhls für Materielles und Immaterielles Kulturerbe an
der Universität Paderborn. In Kürze will die Deutsche Unesco-Kommission
einen Überblick über die Bewerbungen geben. Viele Anwärter sind bereits
bekannt: Die niedersächsische Stadt Hameln etwa schickt ihre
Rattenfänger-Sage ins Rennen. Das Deutsche Weihnachtsmuseum im bayerischen
Rothenburg ob der Tauber hält Christkind, Weihnachtsmann und den Nikolaus
für schützenswert.
Die Sorben, die nationale Minderheit in der Lausitz, wollen ihre Bräuche
als Kulturerbe sehen. Auch die im 19. Jahrhundert in Deutschland
entstandene und inzwischen weltumspannende Genossenschaftsidee, die
deutsche Theaterlandschaft oder das Chorwesen zählen zu den Bewerbern.
„Es ist nicht in erster Linie ein Wettbewerb. Das Wichtigste ist, dass wir
durch die Diskussionen ein Bewusstsein für unsere kulturelle Identität
bekommen“, sagt der Vizepräsident der Deutschen Unesco-Kommission,
Christoph Wulf. Der Anthropologie-Professor der FU Berlin ist Vorsitzender
der Expertenkommission, die das deutsche Verzeichnis erstellt und die
deutschen Vorschläge für die internationale Liste auswählt. Letztes Wort
hierbei haben die Kultusminister der Länder.
## Annerkennung und Wertschätzung
Indem die Bewerber auf sich aufmerksam machen, sind sie alle Gewinner, ist
Wulf überzeugt. „Wer wusste schon vor der Bewerbung des Deutschen
Bühnenvereins, dass wir über 6000 Theater in Deutschland haben? Auch unsere
Tradition des Orgelbaus ist weltweit einzigartig.“ Voraussetzung für die
Aufnahme in die Unesco-Liste ist, dass ein Brauch von Generation zu
Generation weitergegeben und gelebt wird. Kommerzielle Interessen dürfen
nicht im Vordergrund stehen.
Faschingsbräuche aus verschiedenen Regionen konkurrieren um die
Auszeichnung. In Nordrhein-Westfalen treten die Jecken aus Köln, Bonn,
Düsseldorf und Aachen gemeinsam an: „Der Karneval im Rheinland verbindet
Millionen Menschen friedlich und fröhlich miteinander, und wir sind
zuversichtlich, was unsere gemeinsame Bewerbung angeht“, betont Markus
Ritterbach, Präsident des Festkomitees Kölner Karneval.
Der Freistaat Bayern hat bereits angekündigt, das immaterielle Kulturerbe
künftig in einem eigenen Landesverzeichnis zu sammeln. Damit werde die
Anerkennung und Wertschätzung für den wichtigen Einsatz für den Erhalt der
lebenswerten bayerischen Heimat sichtbar gemacht, erklärte Kunstminister
Ludwig Spaenle im November.
Dass Deutschland erst spät dem Übereinkommen zum immateriellen Kulturerbe
beigetreten ist, hat auch historische Gründe. Der Nationalsozialismus
instrumentalisierte Bräuche wie die Sonnenwendfeiern. Auch aufgrund der
DDR-Geschichte hat der Begriff Volkskultur einen schalen Beigeschmack.
Heute noch hätten manche Deutsche Probleme mit Traditionen, sagt der
Wissenschaftler Wulf: „Die Brüche in der deutschen Kulturgeschichte müssen
in die Diskussion einbezogen werden.“
12 Dec 2013
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