# taz.de -- Geldkritikerin Margrit Kennedy ist tot: Eine charismatische Vordenk… | |
> Margrit Kennedy war Architektin, Ökologin und energische Kämpferin gegen | |
> den Wachstumszwang. Jetzt ist sie 74-jährig gestorben. | |
Bild: Eine warmherzige und charismatische Frau: Margrit Kennedy. | |
BERLIN taz | Margrit Kennedy war unerschrocken: Nie hat sie sich von der | |
herrschenden Lehre beeindrucken lassen, immer hat sie selbst gedacht. Als | |
Architektin hat sie begonnen – doch bekannt wurde sie als Geldkritikerin, | |
die zinsfreie Regionalwährungen propagierte. Am Samstag ist Kennedy im | |
Alter von 74 Jahren an Krebs gestorben. | |
Kennedy stieß auf das Thema Geld, als sie 1982 für die Internationale | |
Bauausstellung in Berlin ökologische Projekte planen sollte und ständig zu | |
hören bekam, dass sich Umweltschutz „nicht rechnen“ würde. „Da habe ich… | |
Zins und Zinseszins als eine unsichtbare Zerstörungsmaschine entdeckt“, | |
erzählte sie in [1][einem Interview mit der taz]. | |
Denn der Zins würde die Realwirtschaft zu exponentiellem Wachstum zwingen. | |
„Jedes Projekt muss mindestens die Kreditzinsen erwirtschaften. Das war bei | |
den meisten ökologischen Vorhaben nicht möglich und ist auch heute noch | |
schwierig.“ | |
Kennedy machte sich daher daran, ein eigenes Geldsystem zu entwickeln, und | |
publizierte 1987 ein Buch, das inzwischen in 22 Sprachen übersetzt wurde. | |
Der Titel war Programm: „Geld ohne Zinsen und Inflation. Ein Tauschmittel, | |
das jedem dient“. | |
## Geldtheorie in 60 Sekunden | |
Kennedy war eine warmherzige und charismatische Frau, die neugierig und | |
interessiert auf ihre Gesprächspartner zuging. Zudem war sie pragmatisch. | |
Wenn es nötig war, konnte sie ihre Theorie auch in nur einer einzigen | |
Minute erklären. Taxifahrern, zum Beispiel, wenn das Fahrtziel schon in | |
Sicht war. | |
Sehr gern machte sie dann eine Beispielrechnung auf: „Bei einem Zinssatz | |
von 6 Prozent verdoppelt sich ein Vermögen in zwölf Jahren. Das führt zu | |
einem Wachstumszwang.“ Anfangs war das Interesse an ihrer Geldtheorie eher | |
gering, doch dies änderte sich spätestens mit der Dotcom-Krise 2001, als | |
die Börsen weltweit in die Tiefe rauschten. Kennedy wurde zum bekanntesten | |
Gesicht der deutschen Geldkritiker. | |
Trotzdem blieben die meisten Volkswirte von ihrer Theorie unbeeindruckt, | |
denn empirisch lässt sich nicht nachweisen, dass Zinsen einen | |
Wachstumszwang erzeugen. So weiß man auch in Malawi, was ein Zins ist, | |
dennoch ist es eines der ärmsten Länder der Welt. Der Zins allein scheint | |
also kein Wachstum auszulösen. Stattdessen gilt das Gegenteil: Hohe Zinsen | |
belasten die Wirtschaft, weswegen die Europäische Zentralbank derzeit die | |
Zinsen auf null drückt, um die Konjunktur anzukurbeln. | |
## „Kein Denkfehler nachgewiesen“ | |
Kennedy kannte diese Einwände, denn sie diskutierte leidenschaftlich gern. | |
Aber beirren ließ sie sich nicht: „Mir wurde noch nie ein Denkfehler | |
nachgewiesen.“ Wobei es zu ihrem charmanten Eigensinn gehörte, dass sie | |
bestimmte, was als Denkfehler zu gelten hatte. | |
Sie war mit dem irischen Architekten Declan Kennedy verheiratet und lebte | |
im Ökodorf „Lebensgarten Steyerberg“ in Niedersachsen. Vor etwa drei | |
Monaten wurde der Krebs diagnostiziert. Obwohl die Kräfte nachließen, war | |
Kennedy bis zum Schluss aktiv. Vor dem Tod hatte sie keine Angst, denn sie | |
war überzeugt, dass ihre Seele bleibt – und nur ihren Körper verlässt. | |
30 Dec 2013 | |
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## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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