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# taz.de -- SPD-Fraktion in Klausur: Endlich auf Augenhöhe
> Bei der Tagung zeigt sich das gewachsene Selbstbewusstsein der Fraktion
> und ihres Vorsitzenden – vor allem gegenüber dem Regierenden
> Bürgermeister.
Bild: Der Fraktionschef (im Vordergrund) redet, die SPD-SenatorInnen hören zu:…
Als die Hände bei der Abstimmung alle oben sind, steht nicht nur
Zufriedenheit, sondern auch Stolz im Gesicht von Raed Saleh. Die komplette
SPD-Fraktion stützt bei ihrer Klausurtagung in Braunschweig am Wochenende
das neue innenpolitische Konzept ihres Vorsitzenden. Genauso zeigt sie bei
der Zukunft der Schwimmbäder und anderen Themen Einigkeit. Einer wirkt bei
den Abstimmungen fast überrascht, angesichts von so viel Geschlossenheit
und selbstständigem Auftritt der Fraktion: Klaus Wowereit, der Regierende
Bürgermeister. Er greift zwar mehrfach in die Diskussionen ein, ohne aber
den Kurs ändern zu können. Zur Halbzeit der Wahlperiode zeigt sich
deutlicher denn je, dass die Zeit vorbei ist, in der in der SPD allein
Wowereit die Richtung vorgab.
Es ist ja nicht so, dass tatsächlich jeder und jede in der Fraktion von
jedem Punkt der Beschlüsse begeistert wäre. In Sachen Innenpolitik waren
noch am Vorabend der Abstimmung im Tagungshotel nicht alle davon überzeugt,
das es für den Taser genannten Elektroschocker wirklich keinen breiten
Bedarf gibt, wie es im Konzept steht. Am nächsten Morgen aber blieben
Gegenreden aus – Saleh hatte den späten Abend noch für intensive Gespräche
genutzt.
## Mehr Geld für Polizisten
Zentraler Punkt beim Thema Polizei, neben mehr Respekt im Umgang mit den
Beamten, war die Zusicherung, die Gehaltslücke zum Bundesdurchschnitt ab
2016 zu verringern und schließlich zu schließen. Dafür warben als Gäste
Polizeipräsident Klaus Kandt und Gewerkschaftschef Michael Purper. In
einigen Besoldungsstufen verdienen die hiesigen Polizisten im Jahr mehrere
tausend Euro weniger als ihre Kollegen. Ein halbes Prozent mehr Zuwachs als
in anderen Bundesländern vereinbart, soll Berlin konkurrenzfähiger machen.
Das aber ist ein Punkt, der Klaus Wowereit ans Mikro bringt und später
Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, auf SPD-Ticket) vor Journalisten
Kritik äußern lässt. Nußbaum rechnet schnell vor, dass dieses halbe Prozent
den Landeshaushalt jährlich 21 Millionen Euro kostet – zum Vergleich: für
das lang und breit diskutierte Stadtwerk gibt es bislang nur 5,5 Millionen.
Für Nußbaum gefährdet die Besoldungspolitik der Fraktion die Sanierung der
Finanzen. Saleh sagte dazu der taz: „Wir sind der Haushaltsgesetzgeber, wir
setzen die politischen Prioritäten.“
Die emanzipierte Haltung der Fraktion war nicht zu verwechseln mit einem
Am-Stuhl-des-Regierenden-Sägen. Sie wollen ihn schier gar nicht weghaben,
ihren vor einem Jahr wegen der BER-Panne noch so blamierten Regierenden.
Aber er soll sie, merkliche Botschaft, auf Augenhöhe akzeptieren. Das aber
ist nicht unbedingt Wowereits Regierungsprinzip, und auch wenn er sich
nicht durchsetzen kann: Klartext redet er immer noch. Beim Thema Polizei
mag er das Jammern über absehbar zu wenig Bewerber nicht hören. Und zur
Zukunft der Schwimmbäder ist Wowereit wenig überzeugt von dem, was der 2013
neu ins Unternehmen gekommene Chef Ole Bested Hensing vorstellte.
## Neue Bäder geplant
Der will auf Eventbäder mit unterhaltendem Charakter setzen, auf Neubauten
mit mehreren Becken, die andere Standorte ersetzen. Wowereit hingegen hält
nichts davon, mit privaten Anbietern von Spaßangeboten zu konkurrieren. Es
kommt der frühere Tempelhofer Stadtrat für Volksbildung hervor, der
Wowereit bis 1995 war: Volksgesundheit, Bäder zum Schwimmen lernen und
Sich-fit-halten, das ist für ihn staatliche Aufgabe. Eventbäder anzubieten
hingegen nicht. „Es wird keiner gesund davon, dass er sich ins Spaßbad
setzt und seinen Caipirinha trinkt.“ Als zu seiner Zeit noch die Bezirke
und nicht die BBB zuständig waren, „da war die Situation der Bäder
zufriedenstellend“. Und Bested Hensings Berechnungen für einen Neubau, die
seien „mindestens dreimal zu hinterfragen“.
Doch nicht nur die Fraktion trat in Braunschweig selbstbewusste denn je auf
– auch der Bäder-Chef konterte: „Ja, vor 20 Jahren war alles besser: Da
waren die Bäder auch erst 20 Jahre alt und nicht 40.“ Und was Wowereits
Volksgesundheit angehe: „Da zählt sehr wohl die Entspannung, und das kann
auch der Drink am Pool sein.“
Die Fraktion spricht sich für sinnvollen Neubau aus, was nach Angaben von
Saleh drei bis vier neue Bäder bedeutet. Zusammen sollen sie rund 100
Millionen Euro kosten, finanziert über vier bis sechs Jahre. Die viel
kritisierte Preiserhöhung vom 1. Januar begrüßt die Fraktion zwar, aber
erst mal auf Probe. „Da sind wir uns einig, dass wir uns das ein halbes
Jahr lang mal anschauen“, sagte die Vorsitzendes des Sportausschusses im
Parlament, Karin Halsch.
## Ein besseres Stadtwerk
Bei aller Souveränität der Fraktion: Wowereit – der bei der
Abgeordnetenhauswahl 2011 sein Parlamentsmandat verlor – schafft es noch
immer zu überraschen. Als es am zweiten Tag darum geht, wie die
Wasserbetriebe im Auftrag des Landes das im Oktober beschlossene Stadtwerk
aufbauen, hat er eigene Vorstellungen. Ausgerechnet Wowereit, der nicht als
großer Befürworter des Projekts galt, fordert mehr Möglichkeiten für das
Stadtwerk und stellt damit die Absprache mit der CDU infrage. Die hatte nur
unter der Bedingung zugestimmt, dass das landeseigene Stadtwerk lediglich
selbst produzierten Ökostrom verkauft. „Um eine Entscheidung, ob wir
zukaufen dürfen, kommt man nicht herum“, so Wowereit.
Saleh bekam das nach eigenen Worten nicht mit und war davon überrascht – er
war vor der Tür in Gesprächen.
26 Jan 2014
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
SPD
Fraktion
Regierende Bürgermeisterin
Berlin
Sigmar Gabriel
Wowereit
Berliner Senat
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