# taz.de -- Dilemma eines Krisenstaats: Waschmaschine 30 Euro zu teuer | |
> Ein schwedischer Elektrogerätekonzern droht seiner Belegschaft in Italien | |
> mit drastischen Kürzungen und Entlassungen. | |
Bild: Chinesischer Sweatshop in Prato. Wird Italien ein Billiglohnland? | |
ROM taz | Kräftige Lohnkürzungen, dafür die Entlassung von „nur“ knapp d… | |
Hälfte der 4.000 Beschäftigten und „nur“ die Schließung eines der vier | |
Standorte im Land: Mit diesem Angebot stieg am Montag der schwedische | |
Hausgerätehersteller Electrolux in Verhandlungen mit den italienischen | |
Metallgewerkschaften ein. | |
Die Gewerkschafter kamen nicht nur schockiert aus der entscheidenden | |
Sitzung mit den Electrolux-Managern, seit Dienstag werden die Standorte, an | |
denen Kühlschränke, Herde und Waschmaschinen produziert werden, auch | |
bestreikt: „Keine Verhandlungsgrundlage“ sei das „Angebot“ der Schweden, | |
Electrolux wolle die Löhne von bisher im Schnitt etwa 1.400 Euro netto auf | |
700 bis 800 Euro senken. | |
Laut Electrolux sind die Einsparungen ohne Alternative. In Italien lägen | |
die Arbeitskosten pro Stunde bei 24 Euro, an den Standorten des Konzerns in | |
Polen und Ungarn dagegen unter 10 Euro. Jede in Italien produzierte | |
Waschmaschine sei „um 30 Euro zu teuer“, um der internationalen Konkurrenz | |
standzuhalten. | |
Damit ist das doppelte Dilemma der italienischen Industrie in Euro-Krise | |
und Globalisierung direkt angesprochen. Vor wenigen Jahren noch war Italien | |
neben Deutschland der führende Hersteller von weißer Ware in Europa. Doch | |
nun gibt es nicht nur mächtige Konkurrenz durch Großkonzerne wie LG oder | |
Samsung. Auch hat Italien wegen der gemeinsamen Währung nicht mehr die | |
Möglichkeit, einseitig seine Währung abzuwerten. | |
## Die italienische Industrie bricht ein | |
Mit schlimmen Folgen: Gegenüber den Glanzzeiten vor 15 Jahren minderte sich | |
der Umsatz bei Elektrogeräten um 60 Prozent. Zudem brach der Absatz auf dem | |
italienischen Markt infolge der Rezession ein, von knapp 30 Millionen | |
Haushaltsgeräten 2004 auf nur noch 13 Millionen im vergangenen Jahr. | |
Vor diesem Hintergrund stellt Electrolux die Gewerkschaften jetzt vor die | |
Alternative: Entweder sie stimmen einer „inneren Abwertung“ durch | |
drastische Lohnsenkung und damit dem Umbau Italiens in Richtung | |
Billiglohnland zu – bei einem Preisniveau, das Deutschland vielfach | |
überholt hat. Oder aber der Standort Italien ist im europäischen | |
Konzerngeflecht ebenso wie in der globalen Konkurrenz schlicht „zu teuer“. | |
Um das zu ändern, plant Electrolux vielfältige Einschnitte beim Lohn. | |
Diese beginnen beim in Italien üblichen Firmentarifvertrag, der den | |
nationalen Flächentarif ergänzt. 80 Prozent der bisher gewährten | |
Produktionsprämien von im Schnitt 2.700 Euro jährlich sollen gestrichen | |
werden. Zudem soll für die nächsten drei Jahre die im nationalen | |
Tarifvertrag vorgesehene Lohnanpassung wegfallen, ebenso wie die an die | |
Dauer der Firmenzugehörigkeit gebundenen regelmäßigen Lohnsteigerungen. | |
Auch Feiertagszuschläge soll es nicht mehr geben. Pausen sollen verkürzt | |
werden, die Arbeitszeit soll auf sechs Stunden täglich sinken. | |
## Versteckte Schließungsankündigung | |
Electrolux macht eine andere Rechnung auf als die Gewerkschaften: Auf dem | |
Firmentaschenrechner summieren sich die Einschnitte auf 15 Prozent des | |
Brutto-, angeblich 8 Prozent des Nettolohns. An drei der vier | |
Produktionsstätten sollen bei Zustimmung der Arbeitnehmervertreter „nur“ | |
gut 800 der dort 2.700 Arbeitsplätze wegfallen, zudem 90 Millionen Euro | |
investiert werden. | |
Keine Investitionszusage macht Electrolux dagegen für den mit 1.200 | |
Beschäftigten größten Standort Porcia in der nordöstlichen Region | |
Friaul-Julisch Venetien. Die Firma will hier nur noch 7,50 Euro pro Stunde | |
zahlen, erst „im April“ solle über die Zukunft der Fabrik entschieden | |
werden, heißt es – viele sehen darin eine wenig verblümte | |
Schließungsankündigung. | |
28 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
## TAGS | |
Italien | |
Kündigung | |
Billiglohn | |
Gewerkschaft | |
Euro-Krise | |
Fiat | |
Schwerpunkt Finanzkrise | |
Silvio Berlusconi | |
Arbeitsmarkt | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Eurokolumne: Hollandes Höllenritt | |
Die Franzosen sollen von den Deutschen lernen. Aber sie wollen nicht. | |
Deshalb könnten die Pläne von Staatschef Francois Hollande in einem | |
Desaster enden. | |
Fiat Chrysler geht in die Niederlande: Ciao, Italia | |
Neuer Name, neues Logo, neue Heimat. Fiat kommt künftig nicht mehr aus | |
Italien. Der Autobauer will damit zum globalen Konzern werden. Dem Land | |
bleibt die Krise. | |
Bundesbank-Vorschlag für Krisenländer: Reiche sollen retten | |
Droht ein Staat pleite zu gehen, soll er künftig einmalig eine | |
Vermögensabgabe erheben, bevor Hilfe von EU beantragt wird. Das schlägt die | |
Bundesbank jetzt vor. | |
20 Jahre Berlusconi: Faschismus mit anderen Mitteln | |
Berlusconi wurde in Europa lange unterschätzt und hat viel erreicht. Auch | |
wenn er irgendwann der Politik den Rücken kehrt, wird Italien | |
berlusconisiert bleiben. | |
Globaler Arbeitsmarkt: Krise ohne Ende | |
Die Zahl der Arbeitslosen ist weltweit um fünf Millionen gestiegen. Laut | |
der Internationalen Arbeitsorganisation sind Jugendliche besonders stark | |
davon betroffen. |