# taz.de -- Julia Lossau über Infrastruktur: „Unibad fehlt nur wenigen“ | |
> Eine Tagung an der Universität beschäftigt sich mit Infrastrukturen der | |
> Stadt. Die Organisatorin erklärt, warum das Unibad dazu gehört. | |
Bild: Bemerkenswerte Infrastruktur: Die Bremer bahnhofseinfahrt im Februar 2013. | |
taz: Frau Lossau, nutzen Sie das Unibad? | |
Julia Lossau: Nein, obwohl ich schon ein Jahr in Bremen bin und es mir oft | |
vorgenommen habe. Aber ich kann es von meinem Büro sehen und es würde mir | |
fehlen, wenn es nicht mehr da wäre. Das ist das Besondere an | |
Infrastrukturen: Wir bemerken sie immer erst dann, wenn sie drohen, | |
verlustig zu gehen oder nicht mehr funktionieren. | |
Wie die Bahn, wenn sie nicht auf die Minute pünktlich ist? | |
Ja. Wir nehmen Infrastruktur als gegeben an, wir haben uns in unserer | |
Weltsicht daran gewöhnt, dass es sie gibt und merken erst, wie abhängig wir | |
von ihr sind, wenn etwa der Strom ausfällt. | |
Manche Bahnkunden geraten außer sich, wenn ein Zug Verspätung hat oder | |
nicht fährt. | |
Stimmt, dann muss sofort etwas passieren. Auch beim Stromausfall erwarten | |
wir, dass sofort der Entstörungsdienst und der Installateur kommt. | |
Der Ausfall von Infrastruktur scheint Angst zu machen. | |
Es hat etwas Unheimliches, ja. | |
Weil wir davon ausgehen, dass alles machbar ist? | |
Ja, wir haben doch Ingenieure und Techniker. Die müssen das doch können! | |
Könnte eine deutsche Eigenart sein. In Italien auf dem Land weiß kein | |
Mensch, wann und ob die Busse fahren. | |
Das wäre interessant zu untersuchen, wie unterschiedlich europäische Länder | |
mit der Disfunktionalität von Infrastruktur umgehen. Ob es | |
West-Ost-Unterschiede gibt. | |
Seit wann wird der Begriff „Infrastruktur“ genutzt? | |
Erst seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Der Begriff stammt ursprünglich | |
aus dem Militärischen und wurde bis vor Kurzem vor allem für technische | |
Infrastruktur verwendet. Heute begreift man darunter auch soziale | |
Einrichtungen wie Kindergärten und Museen. Manche gehen so weit, dass sie | |
auch Netzwerke zwischen Menschen damit meinen. | |
Das tun Sie nicht? | |
Nein, das erschwert das Sprechen über die Beziehungen zwischen der | |
Infrastruktur – was man mit „Unterbau“ übersetzen kann – und dem Über… | |
der den Unterbau nutzt. | |
Und vom Unterbau bestimmt wird? | |
In gewisser Weise gibt der Unterbau uns vor, wo wir lang fahren, wo wir | |
siedeln können und wo nicht, weil keine Straßen und Kanäle vorhanden sind – | |
wobei er unser Handeln natürlich nicht im kausalen Sinne determinieren | |
kann. | |
Sie sprechen auf der Tagung auch über Machtbeziehungen, die über | |
Infrastruktur ausgedrückt werden. Was meinen Sie damit? | |
Denken Sie an Armensiedlungen, unter denen hindurch Leitungen verlegt | |
werden, damit das wohlhabende Viertel daneben hell erleuchten kann. Damit | |
schließt man Menschen aus. Oder: Indem man ihnen keinen Zugang zu fließend | |
Wasser ermöglicht, zwingt man sie, einen großen Teil des Tages damit zu | |
verbringen, sich Wasser zu beschaffen. | |
Entwicklungshilfeprojekte wollen das verhindern. | |
Und formulieren damit letztendlich auch einen Machtanspruch des globalen | |
Nordens gegenüber dem Süden. Indem man sagt, dass man dem Süden | |
Infrastruktur bringt, demonstriert man seine Überlegenheit. | |
Noch einmal zum Unibad. Wir haben uns an eine Infrastruktur gewöhnt, die in | |
den 70er-und 80er-Jahren gebaut wurde, als die Kommunen noch Geld hatten. | |
Wie kann man vermitteln, dass nicht alles davon aufrecht erhalten werden | |
kann? | |
Wenn Sie so fragen, gehen Sie davon aus, dass wir über unsere Verhältnisse | |
gelebt haben. Die Frage ist ja: Wer sagt denn, dass wir das nicht brauchen? | |
Geht es da nicht auch um Macht, um Umverteilung? Und dann darf man nicht | |
vergessen, dass das Unibad eine Lobby hat, die gut vernetzt ist und eine | |
Debatte anstoßen kann. Es gibt vieles, was einfach geschlossen und | |
abgeschafft wird, weil die Betroffenen nicht die Macht haben, es zum Thema | |
zu machen. | |
Aber gebraucht wird das Unibad nur von wenigen. | |
Das mag sein, der Mehrheit in Bremen wird es nicht fehlen. Wenn es das | |
einzige Schwimmbad wäre, wäre das anders. Es gehört zum Selbstverständnis | |
der Bürger, dass es in ihrem Ort ein Schwimmbad gibt, genau so wie eine | |
Sparkasse. Es schmerzt, so etwas zu verlieren, selbst wenn man es nie | |
genutzt hat. | |
## Infrastrukturen der Stadt: 9 bis 14.30 Uhr , Uni, Hörsaal und SFG | |
31 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Eiken Bruhn | |
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