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# taz.de -- Wachschutz gegen Flaschensammler: Schreie auf der Balustrade
> Drei Sicherheitsdienst-Mitarbeiter sollen im Hamburger Hauptbahnhof einen
> alten Mann misshandelt haben. Der Vorwurf ist schwierig nachzuweisen.
Bild: Wie der Sicherheitsdienst mit Unerwünschten umgeht, kann in den Augen de…
HAMBURG taz | „Der alte Knabe“, sagt der Richter, „der Herr“, sagen die
drei Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes der Deutschen Bahn, „der ältere
Mann“, sagen die Zeugen. Den Sicherheitsleuten wird gefährliche
Körperverletzung vorgeworfen, sie sollen sich laut Anklage im März 2013 auf
den 74-jährigen S. gesetzt haben und ihn minutenlang am Bart und an den
Haaren gezogen haben.
Die Angeklagten sind zwischen Anfang und Ende Dreißig, sie tragen Pullover
und solide Schuhe. David K. und Alexander K. sind kurz rasiert, während
Sascha K. an einen verloren gegangenen Physikstudenten erinnert. Das
Zu-Boden-Bringen von S. nahm seinen Ausgang darin, dass die
Sicherheitsleute S. auf sein „Fehlverhalten“ aufmerksam machen wollten.
Das bestand darin, dass er beim Flaschensammeln Fahrgäste mit seinem
Fahrrad abdrängte. S. habe sich geweigert, seine Personalien feststellen zu
lassen und mit dem Zeigefinger vor dem Gesicht des Brillenträgers Sascha K.
„herumgefuchtelt“. Als er damit nicht aufhörte, habe man entschieden, ihn
„auf den Boden zu bringen“, angesichts heftiger Gegenwehr Handschellen
angelegt und die Polizei gerufen. David K. habe Prellungen erlitten.
Normalerweise, so sagen die DB-Leute, würden sie Flaschensammler „einfach
rausschicken“. Nein, man habe S. weder an den Haaren noch am Bart gezogen.
David K. sagt noch, dass er „nach hinten abgesichert habe“, damit keine
Passanten eingriffen.
Tatsächlich hat niemand eingegriffen. So auch nicht die Zeugen, zwei Frauen
und ein Mann, die auf Dienstreise waren. Sie gingen vorüber und sahen dann
vom Gleis hinauf auf die Balustrade, wo S. am Boden lag, während die
Sicherheitsmitarbeiter auf ihm knieten. Dass er schrie, ist allen drei in
Erinnerung, Schmerzensschreie, so glauben sie. So, dass sie sich auf der
Rückfahrt fragten, ob sie nicht „aktiver“ hätten sein sollen. In der Nacht
erstattet die 36-jährige Stefanie M. Anzeige.
## Praxiserfahrung
Die beiden Frauen sagen aus, dass sie gesehen hätten, wie S. am Bart
gezogen worden sei. Der Kollege hat es hingegen nicht gesehen, glaubt
nicht, dass es möglich war. Aber er glaubt auch nicht, dass sich der Fuß
von S. im Gitter verhakt haben könnte, was sogar einer der
Sicherheitsmänner bestätigt. Der Richter fragt alle Zeugen, ob sie schon
einmal einen Polizeieinsatz gesehen hätten.
Auf dem Flur erklärt einer der Anwälte zwei sehr jungen Praktikanten, dass
bei den Zeugen ein „psychologischer Vorgang“ stattgefunden habe, dass man
sich mit dem Opfer identifiziere und dann in eine „emotionale Situation“
gerate. Am Ende sagt noch der Bundespolizist aus, der herbeigerufen wurde:
S. habe „vor Wut“ geschrien. S. hat später bei ihm eine Anzeige gegen die
Sicherheitsbeamten aufgegeben, in der vom Ziehen an Haaren und Bart jedoch
keine Rede ist.
Der Polizist hat S. nicht wie vorgeschrieben am Ende das Protokoll
vorgelesen und unterschreiben lassen. Aber er hat ihn über die Folgen einer
falschen Beschuldigung aufgeklärt.
Zum Prozess ist S. nicht erschienen. Nun soll ihn die Polizei vorführen.
4 Feb 2014
## AUTOREN
Friederike Gräff
## TAGS
Hamburg
Bahnhof
Schwerpunkt Armut
Alkohol
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