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# taz.de -- Sotschi 2014 – Abfahrt Männer: „Brutal locker“ bergab
> Der Österreicher Matthias Mayer gewinnt überraschend sein erstes
> Anfahrtsrennen – und holt Gold. Das Publikum im Skigebiet reagiert
> desinteressiert.
Bild: Abfahrt-Sensation aus Österreich: Matthias Mayer.
KRASNAJA POLJANA taz | Am Ende war alles ganz einfach zu erklären. Der
Olympiasieg von Matthias Mayer sei der logische Erfolg der Arbeit des
österreichischen Skiverbands (ÖSV). Die nach dem sensationellen Lauf des
jungen Mannes aus Kärnten in die Pressezone entsandten
Öffentlichkeitsarbeiter des Verbands erklärten, wie reich der ÖSV sei, wie
das Fördersystem funktioniert, das Zusammenwirken von Ski-Haupt-, Mittel-
und Oberschulen, und dass es denen, deren Talent man erkannt habe, an
nichts fehle – weder im Leben noch im sportlichen Umfeld.
Warum das österreichische Männerteam bei den Alpinen vor vier Jahren in
Vancouver keine einzige Medaille gewonnen hat, obwohl es dieses
Rundum-sorglos-Paket auch damals schon gab, das wusste indes niemand zu
beantworten. Und am Ende gaben die strahlenden Österreicher zu: Ja, es war
eine Sensation.
Mayer hatte noch nie zuvor in seiner Karriere bei einer Abfahrt die Plätze
eins bis drei erreicht und wurde nun schon am ersten Tag der alpinen
Wettbewerbe zum Triumphator für Austria. Seinen Sieg vor dem Italiener
Christoph Innerhofer und dem Norweger Kjetil Jansrud konnte er selbst lange
genauso wenig fassen wie das Publikum.
Dessen größter Teil schien den serpentinenreichen Weg hinauf ins Skigebiet
über dem Retortenort Rosa Chutor nur auf sich genommen zu haben, um dem
alten Ami Bode Miller zuzujubeln. Als Miller mit der Startnummer 18 den
Abfahtskurs in Angrtiff nahm, waren die Tribünen, deren Sitze lange nur zur
Hälfte besetzt waren, endlich halbwegs gefüllt. Seine Fans waren fest davon
überzeugt, dass ihr Liebling, der sich bei der ersten Weltcup-Abfahrt, die
2012 hoch über Sotschi stattgefunden hat, schwer am Knie verletzte,
gewinnen würde. Hat er aber nicht.
## Unglaublicher Trainingslauf
Seine vogelwilde Fahrt war dann doch nicht so schnell wie sein
unglaublicher Trainingslauf am Tag vor dem Rennen. Seine Fahrt, bei der
beinahe in ein Tor hineingefuhr, schien ihm so peinlich zu sein, dass er
den Zielraum am liebsten gar nicht verlassen hätte, nur um ja nicht mit
jemanden sprechen zu müssen. Nach Millers Lauf leerte sich die Tribüne
schnell wieder.
Und so feierte der neue Olympiasieger bei der Blumenzeremonie vor ganz
vielen leeren Sitzen. Für Mayer waren die meisten Leute gewiss nicht
gekommen. Und vielleicht haben sie befürchtet, dass sie die
Sicherheitskontrollen beim Heimweg ebenso aufhalten würden wie bei der
Anreise zur Rennstrecke. Viele dürften einfach ein wenig früher gegangen
sein. Die Kontrollen nervten vor allem die ganz wichtigen unter den
Zuschauern, diejenigen, die die Berechtigung zur Anreise mit dem eigenen
PKW hatten. Die Wagen wurden nicht nur genauestens von allen Seiten – mit
Hilfe eines Spiegels auch von unten – inspiziert, es mussten auch noch die
Logos aller Fahrzeuge, die nicht aus dem Hause von Olympiasponsor
Volkswagen stammten, mit einem schwarzen Tape überklebt werden.
Vielleicht hat das mangelnde Interesse an diesem olympischen Kernevent aber
auch ganz einfach damit zu tun, dass in Russland der alpine Wintersport
alles andere als verbreitet ist. Nachdem Alexander Glebow, der einzige
Russe unter den 50 Startern, im Ziel war, interessierte sich kaum jemand
für Glebow. Und die russischen Kollegen ließen schnell von dem 30-Jährigen
ab, als sie merkten, dass das adlige IOC-Mitglied Albert von Monaco mitten
im Pressebereich stand.
## Bester Russe auf Platz 23
Glebow, der Platz 23 erreichte, ist das gewöhnt. Er weiß am besten, wie
schlecht es um den Alpinsport in Russland steht. Glebow lebt und trainiert
in Slowenien. Von nebenan, aus Kärnten, kommt der neue Olympiasieger. Mayer
sagte, als er gefragt wurde, wie er es denn geschafft habe, ausgerechnet
bei Olympia sein erstes Rennen zu gewinnen, dass er einfach „brutal locker“
gewesen sei. Und dann erzählte er von seiner ersten Abfahrt in Sotschi. Er
wisse noch genau, wie sich das angefühlt habe damals im Starthaus: „Da muss
ich in zwei Jahren aussen fahren“, habe er sich damals gedacht und sich
jede Kurve schon einmal vorsorglich eingeprägt.
Jedenfalls hat der 23-jährige Sohn von Helmut Mayer, dem
Super-G-Silbermedaillengewinner von Calgary 1988, Österreich erst einmal
glücklich gemacht. „Jetzt können wir jede Kritik erst einmal weglegen“,
sagte er und lieferte noch eine spirituelle Begründung für seinen Erfolg.
Seine Mutter sei sehr religiös und habe da so eine Ahnung gehabt. Diese
Religiosität habe ihm vielleicht geholfen, vor dem Rennen locker zu
bleiben. Mayer: „Es kommt eh alles so, wie es kommen soll.“
9 Feb 2014
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
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