| # taz.de -- „Aimer, boire et chanter“ auf der Berlinale: Alle reden von Geo… | |
| > Die Freunde, der Tod und das Theater: „Aimer, boire et chanter“ von Alain | |
| > Resnais ist ein eher mittleres Stück des Meisters. | |
| Bild: Hysterischen Bürgerlichkeit im neuen Resnais-Film. | |
| Es ist Krebs. George hat noch sechs Monate, sagt der Arzt. Die Freunde | |
| stehen betroffen. Drei Paare sind es, zwei davon fortgeschrittenen Alters – | |
| und dann die jüngere Monica (Sandrine Kiberlain), Georges Ex, die es mit | |
| ihm nicht mehr aushielt und nun mit einem Landwirt (André Dussolier) auf | |
| einem Bauernhof lebt. George Riley ist der Titelheld von Alan Ayckbourns | |
| Stück „Life of Riley“, das Alain Resnais hier verfilmt hat. Die Pointe: | |
| George bleibt im Off. | |
| Alle reden von ihm, tragen ihre Konflikte über die Bande aus, die George | |
| heißt, nur dass dieser George einzig in der Rede anwesend ist, aber nicht | |
| auf der Bühne: immer irgendwo hinten, irgendwo vorne, nie zu Hause, am Ende | |
| ein Klafter tief. | |
| Ayckbourn schreibt verzwickte Komödien für den Boulevard, die ins | |
| Postmoderne tendieren. Was sie an Tiefe besitzen, führen sie in | |
| ausgestellter Oberflächlichkeit vor. An Ayckbourn hat Resnais schon länger | |
| einen Narren gefressen, frühere Filme (darunter „Smoking/No Smoking“) | |
| beruhten auf Stücken von ihm. Verlässlich arbeitet Resnais an Ayckbourns | |
| künstlichen Stücken ihre Künstlichkeit und ihren Hang zur hysterischen | |
| Bürgerlichkeit noch stärker heraus. | |
| So auch in „Aimer, boire et chanter“, wie er die Vorlage umbenannt hat – | |
| „Lieben, trinken und singen“, jedoch: gesungen wird nicht. Die | |
| Künstlichkeit beginnt schon damit, dass die Freunde als Stück im Stück ein | |
| real existierendes anderes Ayckbourn-Stück proben, das den Titel | |
| „Relatively Speaking“ trägt. George, offenbar quicklebendig, spielt mit und | |
| weckt Eifersucht in den Paarkonstellationen. Die Proben finden im Off | |
| statt. | |
| ## Letzte Proben, letzte Reise | |
| Die Eifersucht aber wird im Dialog ausgetragen. Es geht obsessiv darum, | |
| welche der Damen George auf eine letzte Reise nach Teneriffa begleitet. | |
| Die Gegend von York ist der Schauplatz. Am Anfang schwebt eine körperlose | |
| Kamera durch britische Landschaft und britische Städtchen. Der eigentliche | |
| Ort des Geschehens aber ist die Bühne im emphatischen Sinn. Bunte | |
| Stoffbahnenwände, Blumenrabatte aus Pappe, Stühle, Tische, fertig ist die | |
| theatrale Illusion, in der die Kamera die Figuren so elegant wie | |
| unaufdringlich ins Bild setzt. Die Szenenwechsel sind durch kurze | |
| körperlose Kamerafahrten und Zeichnungen des Comickünstlers Blutch | |
| markiert. Aus dem Off mal Käuzchengeschrei oder laute Partymusik. Oder | |
| Walzer. | |
| Und immer dazwischen auch Mark Snows Kompositionen, aufgekratzt heiter. Für | |
| längere Dialogpassagen werden Gesichter in Großaufnahmen vor | |
| Kritzelrasterhintergrund freigestellt. Theater mit filmischen Mitteln: Das | |
| kennt man aus dem Werk von Alain Resnais. | |
| Nach zuletzt zwei unbeschwert radikalen Meisterwerken ist „Aimer, boire et | |
| chanter“ eher ein mittleres Stück. Es bewegt sich auf vertrautem Gelände, | |
| das Ensemble (auch Sabine Azéma und Hippolyte Girardot wieder darunter) | |
| schauspielert aus den Ayckbourn-Dialogen heraus, was in ihnen drin ist. Ein | |
| Maulwurf kommt zweimal groß raus. Das Ganze ist, was es ist, auf sehr | |
| makellose Weise. Wirklich Neues bringt es für den Resnais-Kenner nicht. | |
| 10 Feb 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Ekkehard Knörer | |
| ## TAGS | |
| Volker Schlöndorff | |
| Fieber | |
| Film | |
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