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# taz.de -- Krise beim HSV: Abstieg ist auch keine Lösung
> Dem HSV geht es so schlecht wie noch nie, es droht der Abstieg. Gibt es
> noch eine Chance? Ja, sagt ein leidgeplagter Anhänger.
Bild: Liegt hier bald auch – der HSV? HSV-Gemeinschaftsgrabstätte auf dem Al…
Kürzlich spielte der Wirt der Fußballkneipe in der Halbzeitpause den
Disco-Klassiker „Wer wird Deutscher Meister?“ von Stefan Hallberg und den
Westkurvenfans. Antwort im Refrain: „Ha-ha-ha-es-vau!“ Der HSV lag zu
diesem Zeitpunkt bereits hoffnungslos mit 0:3 gegen Hertha BSC zurück.
Schlimmer wurde es eine Woche später, als die komplette Kneipe (Ort:
Berlin-Kreuzberg) zu Eintracht Braunschweig hielt. Und das Schlusstor zum
4:2 in der letzten Spielminute feierte wie einen Weltmeistertitel.
Dabei hatte es eine Zeit gegeben, in der das Stück von Stefan Hallberg
durchaus seine Berechtigung hatte. 1979 wurde das Volksparkstadion zerlegt,
als nach 19 langen Jahren wieder eine Meisterschaft gefeiert werden konnte.
Zwei weitere sollten in den nächsten Jahren folgen. Nur die
wiedererstarkten Bayern mit Breitner und Rummenigge konnten mithalten;
Höhepunkt war der Triumph von Athen, als ein gewisser Felix Magath das
goldene Tor im Finale des Europapokals der Landesmeister, dem Vorläufer der
Champions League, gegen Juventus Turin schoss. Mai 1983.
Das sind Erinnerungen. Felix Magath hat soeben seinen neuen Job beim
englischen Abstiegskandidaten FC Fulham angetreten, mit dem der HSV aus
jüngerer Zeit auch eine ungute Erinnerung pflegt – Halbfinale Europa
League, unnötige Niederlage, aus dem eigenen „Finale dahoam“ (2010) wurde
nichts.
## Der lustige Milliardär Kühne
Magath hatte sich als Retter des großen HSV angeboten, nachdem klar war,
dass Trainer Bert van Marwijk nicht mehr zu halten war, aber der Vorstand
wollte nicht recht. Klar, der ist ja auch nicht ganz blöd: Ein Ja zu Magath
hätte ein Ja zur eigenen Demission bedeutet.
Und Magath, der sich in England dann durchaus mit dem Trainerposten
zufrieden gab, wollte halt alles: Trainer sein und Manager und dann
irgendwann in den Kulissen verschwinden. Gute Karriereplanung wäre das
gewesen. Aber in Hamburg laufen Entscheidungen anders. Hier gibt es den
Vorstand, den Aufsichtsrat, den Präsidenten und den zwielichtigen Mäzen im
Hintergrund. Fragen Sie nicht, wer da jetzt wer ist. Da blickt niemand
durch.
Der Verein ist nämlich nicht so klar mafiös strukturiert wie andere Clubs –
wo es den großen Paten gibt, der sich auch mal mit der Justiz herumschlagen
muss, und seine Buddys, die für ihn über Leichen steigen. Beim HSV kann man
sich nicht mal merken, wie der aktuelle Präsident heißt. Man weiß nur, dass
zur Not der lustige Milliardär Kühne mit seinem rückschrittlichen
Männlichkeitsverständnis aushilft. Ob es das am Ende bringt oder nicht.
In diesen hyperkapitalistischen Zeiten, jedenfalls was den Fußball
betrifft, sieht das natürlich höchst unprofessionell aus. Nachgerade
provinziell. Und die Provinz spielt – mit vielen Ausnahmen so rum
(Augsburg, Mainz et cetera) und wenigen so rum (Köln, Düsseldorf) – in der
Zweiten Liga. „Erste Liga, keiner weiß, warum“, skandierten die Fans in
Braunschweig. Sie hatten nicht unrecht.
## Das Problem Heiko Westermann
Aber in Hamburg tickt die Uhr eben anders, die Uhr des bislang ewigen
Bundesligisten. Sie läuft allmählich ab. Auf dem Trainerposten soll es
jetzt „der nette Mirko“ richten, Mirko Slomka, der kennt sich mit
selbstzerstörerischen Strukturen aus der Zeit in Hannover blendend aus.
Slomka erschien zur Pressekonferenz am Dienstag, bei der er offiziell
vorgestellt wurde, gleich im maßgefertigten Trainingsanzug, ganz à la „Es
gibt keine Zeit zu verlieren, packen wir es an“.
Das erste Problem wartete gleich auf dem Platz auf ihn: die Mannschaft.
Eine, die in jüngster Zeit mehrfach ordentlich durcheinandergewirbelt
wurde, besonders in der Abwehr. Wie viele minderbegabte Innenverteidiger
hat der HSV in den letzten Jahren durchprobiert! Einige stehen immer noch
im Kader: Michael Mancienne zum Beispiel. Oder Heiko Westermann. Der gilt
seltsamerweise als Leistungsträger und Nationalspieler. Seit dem späten
Andi Brehme – übrigens ein gebürtiger Hamburger – hat niemand mehr so
kläglich ausgesehen auf dem Platz.
Insgesamt wirkt das Gebilde instabil – die Leistungsträger stehen in dieser
Saison zu oft neben sich (Jansen, Badelj, Rincón, Adler). Andere mühen sich
vergeblich, an gute Zeiten anzuschließen (van der Vaart). Oder wundern
sich, warum sie so schnell und unvorbereitet ins kalte Wasser geworfen
werden (Calhanoglu, John, Lam). Oder sind, wenn nicht verletzt, dann
eigentlich schon weg (Diekmeier). Bei vielen mangelt es schlicht an
Qualität – und taktischem Wissen.
Drei Spiele, drei Lehren: Schalke (0:3) spielt reifer, abgebrühter,
konsequenter. Hertha (0:3) zeigte, wie man als guter Mittelklasseclub heute
Fußball spielt – nämlich mit taktischer Disziplin und einem vorne, der Tore
schießen kann. Und Braunschweig (2:4) zeigte, was es braucht, wenn alles
andere fehlt: Laufbereitschaft und Kampfeswillen. Das Pokalspiel gegen die
Bayern klammern wir hier aus, das hat ja keinen Sinn.
## Spiele gegen Aue oder Sandhausen?
In dieser trostlosen Gesamtlage kommt dann auch noch die Nachricht vom Tod
des „Kult-Masseurs“ und Namensgeber des HSV-Maskottchen, eines Dinos mit
Namen Hermann. Gemeint ist Hermann Rieger, der gestern nach langer schwerer
Krankheit in Hannover gestorben ist, 72-jährig. Aber wehe dem, der Zeichen
sieht.
Ungute Grundstrukturen, fachliche Inkompetenz, finanzielle Schlingerkurse,
Größenwahn: Diese Mixtur hat auch schon andere Vereine in den Abgrund
geführt. Und es ist also mehr als wohlfeil, dem HSV einen „heilenden“
Abstieg zu wünschen: Ein Abstieg heilt gar nichts, sondern macht die Wunde
nur noch größer.
Der HSV muss lernen: Von den Kleinen, Erfolgreichen, von Mainz 05, vom FC
Augsburg. Die stehen mit schlechteren Ausgangspositionen nämlich gerade
besser da. Weil sie an andere Erfolgskonzepte glauben. An Nachhaltigkeit,
Harmonie, Arbeit, an Matchpläne und Dauerlauf. Klingt langweilig, klingt so
gar nicht nach Glamour, aber Zweite Liga mit Spielen gegen Aue oder
Sandhausen eben auch nicht.
In die Fußballkneipe gehe ich Samstag trotzdem wieder. Gegen Dortmund, das
neue Sammelbecken für Opportunisten, denen die Bayern zu abgehoben sind,
wird das ein leichtes Spiel. Wir können nur verlieren. Absteigen werden wir
nicht.
20 Feb 2014
## AUTOREN
Rene Hamann
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